Das Fränkische Freilandmuseum baut zurzeit das mittelalterliche Badhaus aus Wendelstein wieder auf, Foto: Lisa Baluschek

30.07.2020

Bader: die Vorfahren von Friseur, Barbier und Chirurg

Aus dem mittelalterlichen Berufsstand der Bader gingen die Berufe der Friseure, Barbiere, das Saunawesen, der medizinische Bademeister sowie Zahnärzte und Chirurgen hervor. Das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim zeigt bis Sommer 2021 eine Ausstellung zum Baderhandwerk in Franken.

Die Bader sorgten vom Spätmittelalter bis in das 20. Jahrhundert hinein für die Gesundheitspflege und wundärztliche Versorgung auf dem Land. „Bader“ ist im deutschsprachigen Raum ein weit verbreiteter Familienname. Das spiegelt wider, dass es im Spätmittelalter eine flächendeckende Versorgung mit Badstuben gab. Nur ein handwerklich ausgebildeter, geprüfter und in der Zunft organisierter Bader durfte eine Badstube betreiben.

Im Spätmittelalter war es bei Armen und Reichen üblich, das Badhaus zu besuchen. „Seelbäder“ waren Stiftungen, die es auch Armen ermöglichten, ins Badhaus zu gehen. Nach dem Verständnis der „Säftelehre“ galt es, überflüssige Körpersäfte loszuwerden. Wege dazu waren zum Beispiel der Aderlass, aber auch Schwitzen und Schröpfen. Gesundheit stellte man sich als das Gleichgewicht der Säfte vor. Der Bader bot im Badhaus ein Schwitzbad an – ähnlich unserer heutigen Sauna. Im großen Badeofen wurden heiße Steine mit Wasser übergossen, so dass die Badegäste kräftig in Schwitzen kamen. Waren sie dann erwärmt und gut durchblutet, ließen sie sich häufig vom Bader blutig schröpfen. Dazu ritzte der Bader die Haut zunächst etwas an, dann setzte er den erwärmten Schröpfkopf auf. Durch den entstehenden Unterdruck saugte sich der Schröpfkopf fest und entzog kleine Mengen Blutes aus der Haut. Haare waschen, schneiden und Rasieren rundeten den Badhausbesuch ab.

Das Konzept der Säftelehre

Die Säftelehre als das dahinterstehende Gesundheits- und Krankheitskonzept basiert auf den Lehren der griechisch-römischen Medizin des Hippokrates und  des Galen – und hielt sich bis ins 18. Jahrhundert. Auf den Hippokartischen Eid, der Grundlagen medizinischen Handeln formuliert, bezieht sich bis heute die Diskussion um Ethik in der Medizin.

Die antike Philosophie ordnete den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft bestimmte Qualitäten zu. Die zugehörige Krankheitslehre übertrug dies auf die „Körpersäfte“: Das Blut galt so wie die Luft als warm und feucht, der Schleim wie das Wasser als kalt und feucht, die gelbe Galle wie das Feuer als warm und trocken und die schwarze Galle wie die Erde als kalt und trocken. Krankheit wurde gedeutet als ein Ungleichgewicht der Körpersäfte, Gesundheit als Gleichgewicht der Säfte.

Ziel aller Gesundheitspflege musste es damit sein, das Gleichgewicht der Säfte zu erhalten oder wiederherzustellen. Dies konnte durch verschiedenste ausleitende Verfahren geschehen: durch Schwitzen und Schröpfen, aber auch durch den Aderlass oder die Gabe von Abführmitteln. Der Badhausbesuch mit Schwitzen und Schröpfen war Teil einer umfassenden Hygiene, zu der noch andere Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge wie z.B. eine bestimmte Ernährung gehörten.

 

Ab dem 16. Jahrhundert nahmen die Badetage in den öffentlichen Badstuben immer mehr ab. Wer auf sich hielt, legte sich stattdessen ein privates Badstübchen zu. Eine Rolle spielten auch die steigenden Holzpreise und die Angst vor der Übertragung der Syphillis. Für die Bader wurde somit ihr zweites Standbein als Wundärzte immer wichtiger.

Seit dem Hochmittelalter galt eine von der Kirche vorgegebene Trennung: die innere Medizin oder „Leibarznei“ betrieben studierte Ärzte, die Wundarznei hingegen blieb den handwerklichen Badern oder Barbieren überlassen. So war mancher Bader auf das Zähneziehen spezialisiert. Kleine chirurgische Eingriffe, wie beispielsweise das Öffnen von Abszessen oder die Behandlung von Furunkeln, übernahmen ebenfalls die Bader. Zahnzangen, Aderlassbestecke oder auch eine Amputationssäge für größere Operationen zeugen von der umfassenden wundärztlichen Tätigkeit der Bader.

Die Bader sorgten für eine medizinische Grundversorgung in der Fläche. Auf dem Land gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum studierte Ärzte. Die allerletzten fränkischen „Boder“ zogen noch im 20. Jahrhundert Zähne oder öffneten Abszesse.

Die Ausstellung im Fränkischen Freilandmuseum zeigt unter anderem einen nachgebauten, hölzernen Schwitzkasten sowie seltene wundärztliche Gerätschaften.

Besucherinfos

Sonderausstellung „Schwitzbaden, Schröpfen und Kurieren – Bader in Franken“

  • geöffnet Saison 2020 bis Sommer 2021 in der Ausstellungsscheune Betzmannsdorf,
  • bis 24. Oktober täglich von 9 – 18 Uhr,
  • 25. Oktober bis 13. Dezember werktags 10.30 – 16 Uhr,
  • So/Feiertag 10 – 16.30 Uhr,
  • ab 9. November Montag geschlossen.
  • Eintritt Freilichtmuseum: 7 €, ermäßigt 6 €, Familien 17 €, Teilfamilien 10 €, Kinder unter 6 Jahren sind frei.
  • www.freilandmuseum.de