Christoph Clever und Assistent in seinem Salon „Decatto Hair“, Foto: privat

27.01.2016

Weltenbummler schneidet überall Haare

Christoph Clever ist immer auf Achse. ­Seine Neugierde und eine Portion Glück haben den 48-Jährigen rund um den Globus geführt – bis in die Mongolei.

Nichts deutet darauf hin, dass aus Christoph Clever mal ein weltweit gefragter Friseur werden würde, als er Mitte der Achtzigerjahre in Krefeld sein Fachabitur schreibt. Der Vater ist Architekt, also wird’s in Richtung Bau gehen. Drei Jahre und zwei abgebrochene Ausbildungen später lädt ihn eine Freundin zum Praktikum in Peter Schweizers „Living Hair“ ein. Clever nimmt an, bleibt hängen – und hält die Ausbildung durch.

Doch Christoph Clever hat Hummeln im Hintern, will mehr tun, als der Krefelder Damenwelt die Haare zu ondulieren. Kurzerhand nimmt er eine Auszeit, verdient sich gutes Geld in einer Stickmaschinenfabrik und besteigt erstmals ein Flugzeug nach Indien. Der Subkontinent beeindruckt ihn, beeinflusst sein Denken und seine Lebensweise. Als er nach Europa zurückkehrt, verdingt er sich als Messebauer, sieht so ganz Europa.

Die Rückbesinnung kommt Anfang 2000. Der Job-Hopper bricht sich ein Bein, hat Zeit darüber nachzudenken, was ihm bisher am meisten Spaß machte. Und kommt zum Ergebnis: das Friseurdasein. 2003 greift Clever wieder zu Schere und Föhn, legt im Jahr darauf seine Meisterprüfung ab. Er hängt eine Fortbildung bei der Friseurfachschule Harder in Duisburg an, unterrichtet als Berufsschullehrer an der HWK in Cottbus und beginnt­ einen Lehrgang als Betriebsfachwirt in Düsseldorf. Bis er über ein Inserat von „Hair Café International“ in Los Angeles stolpert. Clever fackelt nicht lang, jettet nach Kalifornien, besteht das Wettbewerbsschneiden und wird auf der Stelle engagiert. Studium und Deutschland ade.

Von der USA nach Indien

Eigentlich könnte er jetzt angekommen sein: Stars und Sternchen aus Film- und Musikbusiness sitzen auf seinem Stuhl, die Wohnung liegt direkt am Strand von Santa­ Monica. Trainer von Toni & Guy geben sich die Klinke in die Hand, das Gehalt liegt ein Mehrfaches über dem in Deutschland. Doch Clever hat keinen Sinn für ­Hollywoods Glitzerwelt. „Mir ist egal, wer vor mir auf dem Stuhl sitzt“, sagt der 48-Jährige heute. „Für mich zählt nur die persönliche Beziehung.“ Nach einem Jahr verlässt er L.A. erneut gen Indien, arbeitet dort rund 15 Monate Jahre lang als Freiwilliger in der südostindischen Stadt Auroville in einem Aufforstungs­projekt, als Yoga- und Meditationslehrer in Nashik, Igatpuri und Ladakh und bereist ein weiteres halbes Jahr das Land per ­Motorrad von Süden nach Norden. „Geld hatte ich genug gemacht, das konnte ich mir leisten“, erzählt er.

Doch letztlich siegt der Ruf der Schere. Clever wollte schon immer mal nach Schottland. Er verpflichtet sich als Manager eines Salons in Inverness, trainiert dort ein Jahr lang die Angestellten. „Mit Erfolg“, wie er nicht ganz ohne Stolz erzählt. Immerhin wurden zwei seiner Stylisten zum „Hairdresser of the Year“ nominiert. Sein Auszubildender errang den Titel „Junior Stylist of the Year“ in Schottland. Weitere Stationen als Direktor des Beauty-Bereichs in einem ägyptischen Fünf-Sterne-Resort, im Hamburger Aveda-Salon „Exakt“ von Michael Fisahn, bei Jean-Claude Biguine in Bombay und Toni & Guy in Shenzhen folgen.

Salon ist gut ausgelastet

Clever ist erfolgreich als vielseitig geschulter Europäer in Asien; organisiert in Bombay Haarshows und Fotoshootings für die „Vogue“, stylt Bollywood-Größen. 2014 hält er bei Chinas großem Branchenevent, der Mizi-Show, die Eröffnungsrede und frisiert vor 4.000 Besuchern. „Ein Grund, warum ich in China relativ bekannt bin und immer noch Anfragen bekomme“, stellt Clever fest. Doch der Ruhelose bleibt auf der Suche. Als im Frühjahr 2015 ein paar ­Angebote vorliegen, greift er zu: in Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Salon-­Direktor von „Decatto Hair“ nennt der Globetrotter sich dort. „Ein moderner Laden für Ulan Bator. Und auch der teuerste. Wir kosten in etwa fünfmal so viel wie die anderen“, sagt Clever. „Ein normal Arbeitender kommt nicht zu uns. Der hat hier vielleicht 800 bis 900 Euro im Monat.“ Das reiche nicht weit, wenn Farbe und Haarschnitt rund 130 Euro kosten. Doch der einzige europäische Friseur in der Mongolei kann sich über mangelnde Kundschaft in dem 100 Quadratmer großen VIP-Salon nicht beklagen. Die fünf Sitzplätze sind gut ausgelastet. „Ausländische Geschäftsleute sitzen genauso im Stuhl wie Celebrities oder Botschafter“, zählt Clever auf. „Die flogen davor nach Seoul, um sich die Haare schneiden zu lassen.“

Für ihn ist das Eintauchen in einen neuen­ Kulturkreis genauso spannend wie das Frisieren: „Asiatisches Haar zu stylen, ist sehr anspruchsvoll. Man muss sehr gut schneiden können, sonst sieht man jede Ecke.“ Indisches Haar dagegen sei mehr „frizzy“. Gerade die Mischung mache den Job und das Leben in der 1,3-Millionen-Stadt interessant. Viel ruhiger sei es, als in Indien oder China. Nur der Verkehr sei schrecklich, „weil sich keiner an Verkehrsregeln hält.“ Clever genießt das Leben, die „super netten Menschen“ und die Natur. Letztere vor allem im Sommer, wenn die Quecksilbersäule auch mal über die 20°C-Marke klettert. Da ist die Steppe sein Ziel, „die endlose Weite“, eine Autostunde vor den Toren der Stadt. Im Winter, bei Minusgraden in der kältesten Hauptstadt Welt, sieht das anders aus: „Da geht man mal essen und macht ansonsten nicht viel draußen.“ Für Clever kein Problem. Er meditiert, macht Yoga, kocht und treibt sein Fernstudium der chinesisches Sprache voran. Denn bald soll es nach Neuseeland oder China gehen. So lange bildet er seine zwei Assistenten in Ulan Bator aus. Damit ein Hauch europäischer Frisierkunst bleibt, wenn er weiterzieht.

Autor: Elke Reichenbach