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27.04.2021

Job-Irrtümer: Drei Abmahnungen ergeben eine Kündigung – oder?

Die Arbeitswelt ist nicht einfach. Sie wird sowohl durch Gesetze als auch durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen undurchsichtig. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern fehlt oft der Durchblick. Die Stiftung Warentest klärt über falsche Vorstellungen auf. Maik Heitmann hat sie zusammengefasst.

  1. Beim Vorstellungsgespräch muss die Wahrheit gesagt werden -Nein. Bei unzulässigen Fragen muss nicht die Wahrheit gesagt werden. So geht die Privat- und Intimsphäre von potenziellen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern die Arbeitgeber nichts an. Auf die Frage nach einem Partner, Heiratsplänen, Kinderwunsch oder Schwangerschaft muss nicht geantwortet werden. Das Gleiche gilt für Fragen zur Konfession, Partei- oder Gewerkschaftsmitgliedschaft sowie zum Gesundheitszustand.
  2. Ein Arbeitsvertrag muss immer schriftlich geschlossen werden -  Nein. Ein Arbeitsvertrag oder Änderungen eines solchen können auch mündlich, per Handschlag oder sogar stillschweigend durch die Aufnahme der Tätigkeit geschlossen werden.
  3. In der Probezeit kann jederzeit und fristlos gekündigt werden -Nein. Üblicherweise beträgt die Kündigungsfrist in der Probezeit zwei Wochen. Einen Grund für die Probezeitkündigung muss der/die Arbeitgeber/in aber nicht nennen.
  4. In der Probezeit gibt es keinen Urlaub – Falsch. Es gibt keine Urlaubssperre in der Probezeit. Mit jedem Monat Beschäftigung wird ein Urlaubsanspruch in Höhe eines Zwölftels des Jahresurlaubs erworben.
  5. Ein Arbeitsvertrag darf höchstens auf zwei Jahre befristet werden - Nicht ganz. Nur ohne Begründung befristete Verträge dürfen nicht mehr als zwei Jahre laufen.
  6. Der Chef darf verbieten, über die Verdiensthöhe zu sprechen -  Nein. Es ist erlaubt, über das Gehalt zu sprechen. Eine gegenläufige Anweisung von Vorgesetzten ist unzulässig.
  7. Der Chef darf bestimmen, wann Urlaub genommen werden muss -Falsch. Er darf Urlaub nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Wollen mehrere Kollegen zur selben Zeit Urlaub nehmen, so müssen Chefs sozial entscheiden. In den Schulferien haben Mitarbeiter mit Schulkindern meistens Vorrang.
  8. Krankgeschriebene dürfen die Wohnung/das Haus nicht verlassen – Nein. Wenn es der Heilung dient, ist ein Spaziergang sogar wünschenswert. Es darf im Einzelfall sogar in den Urlaub gefahren werden, um beispielsweise am Meer eine Atemwegserkrankungen zu behandeln. Verboten ist nur, was der Genesung schadet. Deswegen sollte vorab mit der Ärztin/dem Arzt gesprochen werden.
  9. Resturlaub darf mit ins neue Jahr genommen werden - Das Bundesurlaubsgesetz erlaubt einen Übertrag von Urlaub aufs nächste Jahr nur, wenn Mitarbeiter/innen aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht in den Urlaub gehen konnten.
  10. Überstunden sind pauschal mit dem Lohn abgegolten – Falsch. Klauseln im Arbeitsvertrag, wonach Überstunden grundsätzlich nicht extra bezahlt werden, sind regelmäßig unwirksam. Dasselbe gilt für Klauseln wie „übliche Überstunden“, „Überstunden in geringfügigem Umfang“ oder „in angemessenem Rahmen“.
  11. Beschäftigte dürfen in ihrem Büro machen, was sie wollen Nein. Kraft Direktionsrecht bestimmen die Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen. Für Mitarbeiter mit Kundenkontakt sind auch Regeln für die Kleidung zulässig. Chefin und Chef müssen ihr Weisungsrecht aber nach „billigem Ermessen“ ausüben.
  12. Bei der Arbeit darf nicht privat im Internet gesurft werden -Oft stimmt das nicht. Viele Arbeitgeber erlauben die gelegentliche private Nutzung des Internets. Es sollte aber nicht übertrieben werden.
  13. Wenn der Arbeitgeber will, kann er ins Homeoffice schicken Auch in der aktuellen Pandemie kann die Chefin/der Chef die Beschäftigen nicht zum Homeoffice verpflichten. Ausnahme: Im Arbeitsvertrag ist die Pflicht zur Heimarbeit vereinbart. Wenn das Gesundheitsamt oder die Landesregierung den Betrieb auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verbietet oder schließt, dann ist es damit vorbei. Dann gibt es entweder Lohn oder Kurzarbeitergeld. Im Einzelfall können die Angestellten nach Treu und Glauben zur Heimarbeit verpflichtet sein. Umgekehrt gilt: Auch die Arbeitnehmer/innen haben kein Recht auf Heimarbeit, solange es nicht im Einzelfall vereinbart ist, es keine entsprechende Betriebsvereinbarung oder eine Regelung im Tarifvertrag gibt. Wenn der Chef nicht freiwillig die Arbeit von zu Hause aus erlaubt, müssen die Arbeitnehmer/innen in den Betrieb kommen.
  14. Vor einer Kündigung müssen drei Abmahnungen stehen Nein. Verhält sich ein/e Arbeitnehmer/in vertragswidrig, so kann eine Kündigung „im Wiederholungsfall“ angedroht werden. Will ein Arbeitgeber einer/einem Beschäftigten eine weitere Chance einräumen, so kann das auch mehrfach geschehen.  Manches Verhalten kann auch ohne Abmahnung direkt zur Kündigung führen. Das gilt zum Beispiel für Diebstahl. Und das auch dann, wenn der Wert des gestohlenen Gegenstands nicht besonders hoch ist.