Mario Krankl auf der großen Bühne der TOP HAIR Trend & Fashion Days 2017 >< Foto: Egbert Krupp

13.04.2017

Mario Krankl: Herzblut, Fake & große Visionen!

Es war eine Show der Superlative, die der Haarkünstler auf der großen Bühne der TOP HAIR Trend & Fashion Days 2017 präsentierte. Dabei kann er auch „normal“. Ein Spagat? Wir haben nachgefragt.

TOP HAIR: Als erster deutschsprachiger Haarkünstler hast du die große Abendshow inszeniert. Wie war es für dich?

Mario Krankl: Transmission habe ich als etwas Großartiges erlebt – ohne dass ich mich hier selbst beweihräuchern möchte. Ich habe ganz große Emotionen für diese Show, weil in ihr so viel Herzblut steckt. Wir haben in das Konzept Tausende Stunden an Manpower investiert. Zusammen mit 25 Models aus ganz Europa waren sehr viele tolle, kreative Menschen an Bord, die alle gemeinsam meine künstlerische Vision von „Transmission“ verstanden und perfekt umgesetzt haben. Vorab einmal eines, was ich in den vielen Jahren als Akteur gelernt habe: Über Geschmack lässt sich streiten, über eine fachlich gute Leistung aber nicht.

Wie setzt man eine so große Geschichte um?

Mario Krankl: Ich habe als kreativer Kopf gemeinsam mit meiner Frau alle Fäden dieses Konzepts in der Hand. Das klingt, als sei ich ein Kontrollfreak. Aber hätte ich nicht alles in meiner Hand, wäre es am Ende auch nicht meine Vision, sondern die Kreativarbeit anderer Künstler. Das beginnt beim Haarkonzept und endet bei der Mode und der Musik. Die Trendgeschichten, die in jedem Part umgesetzt wurden - The Beats, Golden Acid Girls, Hair in Motion, Editorial Braidings und Holographic Cyber Dreads - sind im Übrigen Trendströmungen, die ich showmäßig inszeniert habe. Da geht es nicht um persönlichen Geschmack, sondern um klar erkennbare Trends, die für die Abendshow bewusst überspitzt inszeniert wurden. Bei den fünf Stories wird aber wohl trotzdem für fast jeden Geschmack etwas dabei gewesen sein.

Du bist der „König der Avantgarde“! Was ist eigentlich Avantgarde?

Mario Krankl: Ich bin ehrlich gesagt immer etwas verwundert über die Kontroversen, die Avantgarde auslöst. Wenn ich nicht gerade für Goldwell unterwegs bin, stehe ich jeden Tag im Salon und mache alltägliche und typgerechte Frisuren. Ich habe keineswegs den Bezug zur Realität verloren. Es gibt wenige, die in meiner Position noch hautnah am Kunden dran sind. Ich liebe und brauche beides und kann auch beides. Avantgarde ist für mich das Gleiche, wie die Haute Couture in der Mode. Kein Mensch braucht Haute Couture von Formengenies wie Alexander McQueen; aber nicht umsonst sind einige seiner Designs in namhaften Kunstmuseen ausgestellt. Avantgarde ist in einer gewissen Art und Weise Kunst, basierend auf höchstem handwerklichen Niveau.

Braucht der Friseur die Avantgarde?

Mario Krankl: Braucht man Kunst, braucht man Musik, braucht man Inspiration? Die Antwort ist für mich ganz klar: Ja! Es gibt die totalen Realisten unter uns, die wenig mit dem anfangen können, was über das alltäglich Brauchbare hinausgeht. Aber die meisten Menschen brauchen und lieben diese Art der Inspiration. Nicht umsonst werden so viele Smartphones gezückt, wenn die Avantgarde kommt. Das macht sie nicht besser und nicht schlechter als die tragbaren Looks, aber es zeigt die Sehnsucht der Menschen nach dieser Art von Untragbarem, weil es eine andere Faszination auslöst. Für die Realisten und Kritiker der Avantgarde, die ich in einer gewissen Art auch verstehe,  habe ich außerdem noch eine Überlegung: Ich habe bei meiner Kollektion 2017 mit „Hair in motion“ für viele überraschend ganz bewusst auf total tragbare Looks gesetzt. Warum? Ich wollte die eigentliche Botschaft des Themas Haare erzählen:  Egal, was man mit Haaren macht, ob tragbar oder Avantgarde, es geht letztendlich immer um die Form. Die muss stimmen und dafür muss man ein Gespür entwickeln. Man kann also auch von der Avantgarde etwas für den Alltag lernen, wenn man es möchte: die perfekte Form. Wenn ich diese im Großen beherrsche, muss ich das Kleine auch drauf haben.

Sind doch „nur“ Haarteile, alles Fake. Oder?

Mario Krankl: Diese Frage mit dem Fake kann man noch weiter auf die Spitze treiben. Gefärbte Haare an sich sind doch eigentlich auch schon Fake, wenn man es genau nimmt. Ich glaube, ich würde diese Kritik über Haarteile, Extensions etc. auch üben, wenn ich noch nie damit gearbeitet hätte. Diese Äußerungen kommen sehr oft von Menschen, die sich noch nicht ausreichend in so ein Terrain gewagt haben. Wer z.B. sagt, dass es "nur" eine Perücke sei, der hat wahrscheinlich noch nie eine gefärbt und geschnitten. Es ist nämlich nicht einfach, eine Perücke gut zu machen. Ich persönlich finde das oft schwerer als mit Naturhaar. Wenn Krebspatientinnen zu mir kommen und eine natürlich aussehende Perücke haben wollen, dann muss ich schon viel handwerkliches Können beweisen, damit sie nicht unecht wirkt und eine schöne Form hat, in der sich die Kundinnen in ihrer schwierigen Lage auch wohlfühlen. In so einer Situation sagt auch keiner, dass es nur Fake sei. Im Gegenteil: Es braucht Fachleute, die es beherrschen, gute Perückenanpassungen zu machen. Das ist ein schwieriges Geschäft, aber es gehört zum Beruf dazu. Natürlich arbeite auch ich am liebsten am Menschen mit seinem Echthaar. Aber eben nicht, weil es vermeintlich leichter ist, sondern weil es einfach toll ist, wenn man einen kreativen Look auch ganz real umsetzen darf.

Wie war das bei „Transmission“?

Mario Krankl: Die Farben und Schnitte aller meiner Models bei Transmission waren am eigenen Haar. Bei manchen kamen Extensions hinzu. Die sind auch im Salonalltag großes Thema, zur Verlängerung und Verdichtung. Das muss echt aussehen und gut gemacht sein. Warum also ist das so verpönt? Haarteile, Extensions und  Perücken sind Teil unseres Business. Wer es kann, verdient gutes Geld damit. Die Kunst bei allem, was wir Friseure mit Haaren tun, ist doch, dass es am Ende des Tages gut aussieht und hält – wobei Geschmäcker natürlich verschieden sind.

Und jetzt kommt dein Plädoyer für die Vielfalt, das dir schon lange am Herzen liegt: 

Mario Krankl: Der Appell geht an alle meine Kolleginnen und Kollegen und auch an meine Kundinnen und Kunden, sich zu öffnen. Lassen wir doch die Vielseitigkeit zu: Die einen spezialisieren sich auf wunderbare, tragbare Looks – womöglich aber auch mit Extensions, wenn zu wenig Eigenhaar vorhanden ist. Die anderen sind eher visionär oder gar avantgardistisch. Und manche mischen ihr Portfolio. Ich bin bekannt für meine Avantgarde und gelte als Langhaarexperte; aber darauf alleine will ich nicht reduzieren lassen. Warum auch? Leute stecken einen so gerne in eine Schublade und da wollen sie einen für immer und ewig sehen. Wenn ich aber ein Klavier vor mir habe, dann will ich doch auch die ganze Tastatur ausnützen und nicht nur ein paar Tasten drücken. So bin ich halt. Ich liebe meinen Job als Ganzes, mit all seinen Facetten! Ich freue mich natürlich, wenn bei vielen meine Avantgarde so gut ankommt und trotzdem ist es bei weitem nicht das Einzige, was ich gerne mit Haaren mache. Für mich ist alles erlaubt: Spezialisierung auf ein Thema, Vielseitigkeit, … Alles ist okay.

Wirklich alles?

Mario Krankl: Mit ein paar wesentlichen Einschränkungen: Kolleginnen und Kollegen, die es anders machen oder sich auf etwas anderes fokussieren, müssen respektiert und nicht schlecht geredet werden. Das finde ich beschämend. Die TOP HAIR ist die Veranstaltung, die am besten beweist, dass die Branche geballtes Potential und Platz für alle hat. Wichtig ist mir auch, dass der Umgang mit dem Thema Haar respektvoll geschieht und überhaupt noch mit Haaren zu tun hat. Problematisch ist es für mich dann, wenn Leute auf die Bühne gehen, und gar keine Haare zu sehen sind. Bei uns werden für eine Show die Haare bis ins Detail vorbereitet, auch die Dinge, die ein Zuschauer aus der Ferne nicht im Traum erkennen kann. Aber das fordert für mich die Liebe zu diesem Handwerk. Es lebe die Vielfalt!

Und nun zum Schluss, wie beim Abspann eines Films: Hier ist dein Platz für Dank und Lobesreden!

Mario Krankl: Ich bin sehr glücklich über die Leistung unseres Teams. Es gilt vielen zu danken: Allen voran der TOP HAIR, dass wir diese Chance bekommen haben! Das von mir entwickelte Haarkonzept wurde zusammen mit meinem Team umgesetzt. Ich bin seit kurzem Partner von Hairdreams, die mich perfekt unterstützt haben. Etwas Besseres kann einem Kreativen nicht passieren. Ich betreibe monatelange Musikrecherche, höre hunderte von CDs und verbringe Tage damit, den Sound zusammen zu stellen. Arno Briggmann setzt mir dann den Musikschnitt um. Meine Vorstellung der Visuals wird von Alo Loch zusammen mit meiner Frau Barbara realisiert. Das Modelcasting haben ebenso Barbara und ich gemacht. Meine Frau hat auch fast alle Anreisen des großen Teams gebucht und alles diesbezüglich koordiniert. Da kommt man sich schon manchmal wie ein Reisebüro vor. Zusammen mit dem Salzburger Atelier Zauberhaft haben wir mein Modekonzept umgesetzt. Dort wurden meine Vorstellungen perfekt auf den Punkt gebracht. Für die "kommerziellere" Mode hat die Stylistin Magdalena Jacobs aus London gesorgt. Der Choreograph Jean Marc Lebon von Viktorion Eckstein arbeitet seit Jahren mit uns und versteht meinen Ansatz, was die Dramaturgie der Show betrifft. Er hat für das Publikum so wunderschöne Bilder kreiert und die Spannung erhalten. DS-Showlaser hat mit der Lasershow für den extra Wow-Effekt gesorgt und LK-AG hat die ganze Show inklusive des Lichts großartig inszeniert. Die Showcallering Daniela Tietz von Viktorion Eckstein hat die unzähligen Cues bei der Show alle punktgenau umgesetzt. Ken Hong hat meine Vision von der Show und den vielen verschiedenen "Trend- Geschichten", die wir den Zuschauerinnen und Zuschauern erzählen wollten, perfekt verstanden und für seine fünf asiatischen Looks in jedem der Parts ganz tolle Bilder gezaubert. Ich bin ihm dafür sehr dankbar und habe großen Respekt, denn die sprachlichen und kulturellen Barrieren haben bei uns keinerlei Rolle gespielt. Und das ist nicht selbstverständlich, denn wir haben ihn in unsere Show eingebaut. Ohne die großartige Unterstützung des Friseurteams von Goldwell, Oliver Szilagyi, meinem Team, zwei Personen von Klipp Frisöre und Christiane Wegner wäre das am Tag der Show nicht realisierbar gewesen. So etwas ist nur mit Manpower zu bewältigen. Dem Amsterdamer Makeup-Team und Eva Hauswirth aus Salzburg sind tolle Looks gelungen. Das Beste kommt aber immer zum Schluss: Dass ich überhaupt dazu kam, eine Abendshow gestalten zu dürfen, das hat mit einer beruflichen "Langzeitehe" zu tun. Meine Beziehung zu Goldwell besteht seit über 26 Jahren – ohne Unterbrechung. Wir gehen miteinander durch dick und dünn. Goldwell hat mir immer große Chancen gegeben und mich über mich selbst hinauswachsen lassen. Heute bin ich Global Brand Ambassador von Goldwell. Als ihr Markenbotschafter finde ich es umso toller, dass man mir bei „Transmission“ vollkommene kreative Freiheit gelassen hat, mich großartig mit Manpower und Logistik unterstützt und den finanziellen Rahmen geliefert hat. Das nenne ich Vertrauen in die eigenen Leute! Danke allen voran an Tobias Stähle, Andrew Ulm und Andreas Mignon!