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18.12.2019

Wie Azubis gewinnen? Führung und Arbeitgeber-Attraktivität 2.0

Es gilt, Azubis nicht nur exzellente Perspektiven zu bieten, sondern sie als Führungskraft zu unterstützen und zu überzeugen. Dafür brauchen wir heute andere Mittel als noch vor einigen Jahren. Denn die Welt hat sich gewandelt und mit ihr die Werte und Vorstellungen junger Generationen.

Alexander Saldsieder, Professor für International Business und Management an der Hochschule Pforzheim und wissenschaftlicher Leiter der La Biosthétique Corporate University, erläutert, welchen Effekt das auf den unternehmerischen (Salon-)Alltag hat.

Prof. Saldsieder, warum ist es wichtig, Führung neu zu gestalten?

Wie wir alle merken, befinden wir uns in einer Zeit des fundamentalen Wandels. Veränderung gab es schon immer. Aber noch nie war sie so tiefgreifend. Neue Generationen werden von Faktoren wie Globalisierung und Digitalisierung geformt. Sie entwickeln neue Vorstellungen von ihren Möglichkeiten, ihrem Lebensmodell und damit einhergehend neue Werte. Wenn wir sie nicht verstehen und uns nicht auf sie einstellen, können wir nicht mit ihnen gemeinsam Zukunft und Erfolg gestalten.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Unterschiede zu früher?

Natürlich reagiert jeder anders auf die neuen „Rahmenbedingungen“. Grundsätzlich stellen wir jedoch fest, dass jüngere Generationen sich das Tempo ihrer Entwicklung meistens nicht mehr von außen vorgeben lassen. Sie gestalten ihr Leben und ihre Karriere selbst. Sie sind besser informiert. Sie sind risikobereiter. Sie wechseln viel schneller den Beruf und sogar den Ort, wenn eine Verlockung ruft. Sie sind mutiger, neugieriger, teilweise ambitionierter, trauen dem Leben und vor allem sich selbst oft mehr zu. Das alles hat einen Effekt auf die Art, wie sie mit uns umgehen und was sie von uns als Führungskraft erwarten.

Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Ich glaube, das hat viele Gründe. Viele werden freier erzogen, ihnen werden andere Werte vermittelt – „antiautoritäre Erziehung“ ist ein Stichwort. Alle wachsen im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung auf – und damit im Land der unendlichen Möglichkeiten. Früher hat man noch auf etwas hingearbeitet und irgendwann als Erwachsener am Abend auf sein Tagewerk geschaut und sich daran gemessen. Heute leben viele einen Großteil des Tages in der Parallelwelt Social Media und lassen sich von schillernden Figuren inspirieren, die scheinbar das perfekte Leben führen ohne jemals Mathe und Latein gepaukt oder die Ärmel hochgekrempelt zu haben. Im Internet kann jeder alles sein. An jeder Ecke rufen neue Chancen. Warum sollte man sich also festlegen oder anstrengen für ein gutes Leben?

Gibt es Ihrer Ansicht nach einen Königsweg der neuen Führung?

Menschen sind natürlich zum Glück immer noch höchst unterschiedlich. Deshalb gibt es nicht den einen Weg für alle. Trotzdem gibt es klare Tendenzen, die wir für unsere Zusammenarbeit und unseren Erfolg nutzen können wenn wir die Dynamik dahinter verstehen. Angesichts der Komplexität der Veränderungen komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass man junge Menschen heute weniger mit bekannten Mitteln motivieren kann, sondern einen Weg kennen muss, sie zu inspirieren. Deshalb halte ich das Motto „Inspiration statt Führung“ für klug.

Was steckt hinter dem Motto „Inspiration statt Führung“?

Viele junge Menschen mögen keine Vorschriften mehr. Sie wollen das Gefühl haben, selbst zu entdecken, zu gestalten und haben ein stärkeres Bedürfnis nach schnellen Erfolgen. Sie sind weniger bereit, einfach zu tun was wir ihnen sagen. Sie hinterfragen mehr und bieten selbstbewusst Paroli, wenn ihnen etwas nicht passt oder unlogisch erscheint. Autorität wird nicht mehr durch Hierarchien definiert. Wir müssen sie uns viel mehr verdienen. Wenn wir erfolgreich zusammenarbeiten wollen, müssen wir darauf eingestellt sein. Das klingt leicht – ist es jedoch für viele nicht. Die meisten der heutigen Chefs und Ausbilder haben Führung anders gelernt. Sie haben die Idee und den Anspruch, dass ein „guter Lehrling und Mitarbeiter“ ihre Anweisungen befolgt und kommen an ihre Grenzen, wenn das nicht funktioniert. Dadurch entsteht auf beiden Seiten Frust. Hier sind tiefes Verständnis und radikales Umdenken wichtig.

Welche Rolle spielt das Thema Arbeitgebermarke für unseren zukünftigen Erfolg als Friseurunternehmer?

Ich halte Glaubwürdigkeit für einen wesentlichen Faktor für eine erfolgreiche Arbeitgebermarke. Es wird immer wichtiger, den Blick dafür zu schärfen, wie weit die Geschichte, die wir z.B. in Social Media erzählen, zu uns und unserem Salon-Alltag passt. Das Friseurhandwerk bietet uns im Gegensatz zu vielen anderen Branchen einzigartige Chancen in der Positionierung, weil es ein sehr personengebundenes Geschäft ist. Bei der Arbeit im Friseursalon können wir jeden Tag persönlichen Kontakt, Mitmenschlichkeit und gegenseitigen Respekt auf einer individuellen Ebene gestalten. Es gibt das Angebot, als ganzer Mensch geschätzt zu sein und aufgenommen zu werden. Deshalb erscheint es vielversprechend, auch im Marketing Menschen in den Vordergrund zu stellen mit den Qualitäten, die sie einzigartig machen – Ecken und Kanten inklusive. Wichtig ist es, ein Bewusstsein für die Stärken zu schaffen, die den Einzelnen von Mitbewerbern unterschieden und die er heute für seine Positionierung als Top-Arbeitgeber nutzen kann.

Text: La Biosthétique