Damit die Übergabe glückt, müssen Jung und Alt gemeinsam agieren >< Foto: kram9 / Shutterstock.com

14.02.2020

In guten Händen

Der Generationswechsel birgt Chancen, aber auch viele Risiken. Zwei Beispiele, wie die Salon-Übergabe gelingt.

Am 4. Januar dieses noch jungen neuen Jahres fand sich Doris Leidner plötzlich auf einer großen Überraschungsparty wieder: Hunderte langjährige Kunden ihres Salons im hessischen Karben waren zur großen „Scherenübergabe“ an Leidners junge Nachfolgerin gekommen, die Familie, das Team, der Bürgermeister. Dass die 66-Jährige ihren Salon an die nächste Generation weiterverkauft hat, gehört dieser Tage zum Stadtgespräch. „Für viele Kunden war die Nachricht ein echter Einschnitt“, so Leidner. Kein Wunder, denn sie hatte den Salon 40 Jahre lang geleitet, kümmerte sich um das Geschäft, um Aktionen und die Angestellten, während ihr Mann ihr mit der Buchhaltung den Rücken freihielt. Manche Kunden kamen schon von Beginn an.

Professionelle Vorbereitung

Bevor der Wechsel vollzogen war und gefeiert werden konnte, warteten aber jede Menge Aufgaben auf die alte und die neue Inhaberin. Wenn man so will, begann der Prozess schon fünf Jahre vorher, als Doris Leidner den Salon komplett neu einrichten ließ. Ein strategischer Schritt: „Mir war wichtig, dass das Geschäft attraktiv bleibt, damit ein Interessent nicht ablehnt, weil die Ausstattung zu alt ist.“ Wer genau die Nachfolge übernehmen würde, blieb zunächst offen, doch Leidner gab ihren Mitarbeiterinnen den Vorzug und ermutigte zur Übernahme: „Auch, weil sonst ein völlig fremder Chef neu ins eingespielte Team gekommen wäre.“ Zum neuen Jahr übernahm nun eine 30 Jahre alte Kollegin, die selbst schon lange im Salon arbeitet.

Um den Generationswechsel professionell begleiten zu lassen, holte Leidner vor einem Jahr externe Unterstützung hinzu. Innerhalb weniger Sitzungen half ein Coach der Chefin und dem Team bei der Übertragung der Verantwortung und der Neustrukturierung der Aufgaben. Dafür setzte der Berater zunächst einen gemeinsamen Termin mit Doris Leidner, ihrem Mann und der Nachfolgerin an, nannte die bevorstehenden Aufgaben beim Namen und gab „Hausaufgaben“, etwa in Form einer Sammlung offener Fragen. Außerdem sollte die Offenlegung aller Verträge, Abonnements und geschäftlichen Verpflichtungen erfolgen. „Dadurch haben wir vermieden, dass Altlasten übergeben werden“, so die Friseurunternehmerin.

Richtiges Timing

Erst später wurde das gesamte Team in den Prozess einbezogen und bei einem gemeinsamen Coaching informiert. „Uns wurde geraten, den Wechsel nicht zu früh zu kommunizieren“, so Leidner, „sondern erst, wenn der Kaufvertrag unter Dach und Fach ist.“

Anschließend arbeitete der Berater mit den Angestellten ihre neuen Rollen aus – vor allem, dass die neue Inhaberin von nun an nicht mehr nur als Kollegin, sondern als Chefin akzeptiert werden muss. Die Jungunternehmerin bekam die Aufgabe, ihre Zukunftspläne für den Salon und sich selbst als Führungskraft zu präsentieren. Von der Entscheidung für die professionelle Beratung ist Doris Leidner bis heute überzeugt: „Das hat uns einfach viel Stress erspart, weil die Aufgaben so klar definiert waren. Uns wurde geholfen, Brücken zu bauen und Grenzen zu ziehen.“ Und sich in der neuen Ordnung zurechtzufinden: „Meine Nachfolgerin und ich mussten beide dazulernen. Ich musste mich mehr und mehr zurückhalten, sie immer mehr aus sich herauskommen.“

Nah am Kunden

Für Doris Leidner war die Information der Kunden „die härteste Aufgabe von allen“. Manche trauerten regelrecht wegen der Änderung der jahrzehntelangen Gewohnheit. „Als die Kunden erfuhren, dass ich im Salon weiterarbeite und sich für sie nichts ändert, waren sie aber zufrieden“, betont Leidner. Denn auch sie hat nicht vor, sich zur Ruhe zu setzen, nur die Verantwortung für den Geschäftsablauf möchte sie sich ersparen. Seit Anfang dieses Jahres ist sie darum bei ihrer ehemaligen Angestellten angestellt. Und der Plan ist aufgegangen: Zum ersten Mal seit 40 Jahren hatte sie in diesem Winterurlaub keine Gedanken an das Geschäft mit im Gepäck.

Nadja, Gina und Sigi Renner (v. l.) >< Foto: Thomas Rafalzyk

Sigi Renner Friseure

Auch der Amberger Friseurunternehmer Sigi Renner hatte vor der Übergabe einiges zu meistern. Seit 60 Jahren ist sein Unternehmen in Familienhand. 1987 hatte er es mit seiner Frau von den Eltern übernommen. In diesem Jahr übergeben nun Sigi und Irmi Renner die Mehrheit an den zwei Salons an die Töchter Gina und Nadja. Schon vor mehreren Jahren haben die Töchter begonnen, ihre neuen Führungsrollen aufzubauen. „So ein Wechsel sollte nicht zu abrupt erfolgen“, sagt Gina. „Man kann nicht von 0 auf 100 alles übernehmen, ohne dass es Probleme gibt.“

Eigene Entscheidung

Dem Vater war es wichtig, keinen Druck in Richtung Betriebsübernahme auszuüben. „Wir haben unsere Töchter nicht hineingedrängt, sondern sich frei entwickeln lassen.“ So konnten beide nach ihrer Friseurausbildung ihre eigenen Erfahrungen sammeln, in anderen Städten und im Ausland arbeiten und mehrere Probejahre im elterlichen Betrieb absolvieren, bevor sie sich aus freien Stücken für die Nachfolge entschieden.

Für den Generationswechsel haben sich auch die Renners professionelle Beratung geholt, anders als Doris Leidner jedoch mit Fokus auf Steuern und moderne Buchhaltung. „Zu denken, dass allein ich als Chef die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, weil ich den Laden schon so lange führe – das funktioniert nicht“, sagt Sigi Renner. Mithilfe eines Experten wurde schnell klar, dass eine moderne Organisation der wirtschaftlichen und personellen Daten notwendig war. „Die Anforderungen haben sich in den vergangenen 30 Jahren stark verändert, man kann Betriebsplanung und Zahlenmanagement nicht mehr aus dem Bauch heraus organisieren“, so Renner.

Im Gespräch bleiben

Für die Übergabe der Führung erstellten sie ein Organigramm und hielten sich vor allem an eine Grundregel: „Reden, reden, reden“, sagt Nadja, und lacht. „Auch, wenn man das am Anfang scheut – man darf Diskussionen nicht aus dem Weg gehen. Klar kam es uns manchmal komisch vor, mit dem eigenen Vater den Betrieb zu planen, aber hier müssen alle offen sein.“ Gemeinsam wurden die neuen Rollen definiert und die Zuständigkeiten ausgearbeitet. Die Unterschiede zwischen den Generationen hätten sie nicht als Hürde begriffen, betont Gina: „Die ältere Generation muss sich mit der jungen reiben, sonst kommt nichts Gutes dabei heraus. Außerdem können wir wahnsinnig viel von den Älteren mitnehmen.“

Klare Abgrenzung

Ein Schwerpunkt lag auf der vernünftigen Trennung der Aufgabenbereiche. Während Gina, eine studierte Betriebswirtschaftlerin, für den Bereich Management und Marketing verantwortlich zeichnet, hat ihre Schwester vorrangig die Kreativarbeit übernommen. Jede Woche trifft sich die Familie zum Jour fixe und plant die aktuellen Aufgaben, damit nichts doppelt gemacht wird und nichts unerledigt bleibt. Und auch die Kommunikation mit den teils seit vielen Jahren verbundenen Mitarbeitern hat die Familie sorgfältig geplant: „Man muss das Team in den Prozess einbeziehen“, so Nadja. „Es ist klar, dass es nicht ganz leicht ist, jemanden sofort als Chefin zu sehen, den man schon seit Säuglings-Tagen kennt.“

Party für alle

Und wie lässt sich der Generationswechsel erfolgreich an die Kunden vermitteln? Dass sich in den Salons der Renners etwas bewegt, erfuhren die Amberger im Zuge eines groß angelegten Marketing-Events unter dem Motto „Wir sind Amberg“, inklusive Shooting und Modenschau. Ein Abschied von der älteren Generation war es nicht, denn auch in Zukunft sind Sigi Renner und seine Frau bei der Arbeit anzutreffen, lediglich die Führung ist an die Töchter übergeben, das Familienunternehmen ist gewachsen.