27.11.2018
Mindestlohn 2019 – welche Rolle spielt er in der Friseurbranche?
Zum neuen Jahr erhöht sich der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro auf 9,19 Euro pro Stunde. Vor fünf Jahren in den Medien heiß diskutiert, ist es inzwischen still geworden um das Thema. Spielt der Mindestlohn in der Friseurbranche überhaupt noch eine Rolle?
Immer wieder geistert sie durch die Medien - die Friseurin aus Thüringen, die ihren Kunden für 3,50 Euro die Haare schneidet. Befeuert wird mit ihr eine Diskussion über fairen Lohn, der zum Leben reicht und in der Rente das Auskommen sichert. Also alles schlecht in den neuen Bundesländern? Bärbel Hopf, Innungsmeisterin im sächsischen Zwickau, winkt ab. Der Mindestlohn sei bei ihr nie ein Thema gewesen, sagt die Inhaberin eines Salons mit 15 Plätzen. „Von Löhnen unter 8,84 Euro könnten meine Mitarbeiterinnen nicht leben.“
Wertschätzung auszahlen
Ihr sei es wichtig, fachlich gute Leistung entsprechend zu honorieren. Das müsse in die Kalkulation mit einfließen. Die Kunden seien bereit, Geld für gute Qualität auszugeben, wenn man ihnen das klar mache. Sie habe bereits vor der Einführung des Mindestlohnes mehr bezahlt, allein, um qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen und diese zu halten. „Ich denke, in unserer Innung gibt es ein paar wenige Kollegen, die nur den Mindestlohn bezahlen. Doch dann fehlt die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter“, lautet ihre Erfahrung. In ihrem Salon liege sie bei Stundenlöhnen von zwölf bis 13 Euro, dazu gebe es Zuschüsse fürs Tanken und den Kindergarten. Ich will jungen Menschen vermitteln, dass sie auch an ihre Rente denken“, sagt die 51-Jährige, die seit 20 Jahren einen eigenen Salon führt. „Dafür muss das Gehalt stimmen.“
Ähnlich sieht das auch Guido Wirtz, der seinen Salon in der Nähe der Grenze zu Luxemburg betreibt. „Wir haben einen attraktiven Beruf, das sollte sich in der Bezahlung niederschlagen.“ Der Mindestlohn sorge für eine Mindestabsicherung junger Menschen. Doch inzwischen sei die Debatte darüber Makulatur: „Der Markt hat uns eingeholt“, erklärt der Landesinnungsmeister des Landesverbandes Friseure und Kosmetik Rheinland. Wer heute gute Mitarbeiter suche, müsse deutlich über dem Mindestlohn zahlen.
Große Unterschiede
Wirtz zieht nach fünf Jahren branchenweitem Mindestlohn ein positives Fazit. Der Kunde hat erkannt, dass Mitarbeiterlöhne etwas mit dem Preis zu tun haben. Das Image der Friseure sei besser. Dennoch habe es Betriebe gegeben, die Probleme mit der Zahlungsbereitschaft der Kunden hatten, blickt er zurück. Er zolle seinen Kollegen in den neuen Bundesländern höchsten Respekt: „Für die war das ein Riesenspagat.“
Die großen Unterschiede in der Entlohnung in den einzelnen Bundesländern hebt auch Rüdiger Schmitt, Pressesprecher der Klier Hair Group GmbH, hervor. „Wir hatten unterentwickelte Preise und Tarife im Osten und ein großes Gefälle, das war ein Unding. Unsere Angestellte sollten bundesweit vernünftig verdienen, nicht zuletzt, um die Attraktivität des Berufes zu stärken.“ Michael Klier habe sich deshalb stark gemacht für einen Mindestlohn auf tariflicher Ebene.
Preise gut verkaufen
Um für die Einführung des Mindestlohns gewappnet zu sein, führte Klier in 20 Testsalons in den neuen Bundesländern bereits vor 2014 neue Preise ein und entwickelte eine Kommunikationsstrategie gegenüber den Kunden. Denn eins sei klar gewesen: „Wir mussten dem Verbraucher die neuen Preise nahe bringen. Für die breite Masse ist der Preis ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Friseurbesuch.“ Dennoch hat die damals mit rund 900 Salons bundesweit vertretene Kette Federn gelassen. „An einzelnen Standorten in den neuen Bundesländern mussten wir nachjustieren“, sagt Schmitt rückblickend. „Da hatten wir mit Kundenrückgängen zu kämpfen.“ Klier reagierte teils mit Preissenkungen, analysierte das Wettbewerbsumfeld, verstärkte sein Marketing. Entlassungen aber habe es deshalb nie gegeben, so Schmitt.
Faire Qualität
Ein großes Salonsterben nach der Einführung des Mindestlohns hat auch Jan Kopatz nicht registriert. Als Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Berlin wisse er von dem einen oder anderen Filialisten, der sein Personal reduziert habe. „Doch das hat sich inzwischen stabilisiert.“ Berlin bleibe aber ein umkämpftes Gebiet. 3.350 Betriebsstätten seien sehr viel für die Stadt. Der Inhaber eines Salons mit zwei Mitarbeiterinnen und einem Auszubildenden weiß von „einigen Fällen, in denen Kollegen bei ihren Angestellten die offiziell abgerechneten Stunden reduzierten, damit diese den Anspruch auf Aufstockung nicht verlieren.“ An dieser Stelle wünsche er sich bessere Kontrollen: „Die Politik muss dafür sorgen, dass Regelungen umgesetzt werden, damit der Markt nicht verzerrt wird.“
Jörg Müller geht es vor allem um die Weiterentwicklung der Branche, wenn er vom Mindestlohn spricht. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Friseurhandwerks weist darauf hin, dass in den westlichen Bundesländern „fast alle Landesinnungsverbände Tarifverträge abgeschlossen haben, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen“. Müllers Fazit: „Wir wollen uns innerhalb der Innungsfriseure durch Qualität absetzen. Dazu gehört auch eine faire Bezahlung der Mitarbeiter.“
Info: Im Friseurhandwerk ist der gesetzliche Mindestlohn seit fünf Jahren Alltag. Bereits im August 2013 trat für angestellte Friseure die erste Stufe eines bundesweit geltenden Tarifabschlusses in Kraft. In den alten Bundesländern erhielten sie mindestens 7,50 Euro, in den neuen Bundesländern und in Berlin waren es 6,50 Euro. Ab August 2014 gab es acht Euro pro Stunde im Westen, 7,50 Euro im Osten. Am 1. August 2015 wurde der bundesweit geltende Mindestlohn von 8,50 Euro für alle Branchen gültig.