11.05.2018
New Flag mischt mit
Noch keine 30, aber schon dick im Geschäft. Die New-Flag-Gründer Niklas Epstein und Daniel Haffa bringen Bewegung in die Produktlandschaft.
Hätten Niklas Epstein und Daniel Haffa ihre ursprünglichen Karrierepläne verfolgt, wären sie heute Berufspilot und Unternehmensberater – und die deutsche Friseurbranche wäre um ein paar spannende Innovationen ärmer.
Die Geschichte der beiden Jungs, die seit der 3. Klasse Freunde sind, innerhalb von sieben Jahren ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern aufgebaut, den Tangle Teezer und Olaplex nach Deutschland geholt und mit Urban Alchemy ihre eigene Friseurmarke kreiert haben, hat vor allem mit Neugier, dem richtigen Riecher und ein paar glücklichen Zufällen zu tun. Doch der Reihe nach: Ihre ersten Erfahrungen mit Markenbildung und Distribution machten Daniel Haffa und Niklas Epstein, als ihnen ein Bekannter aus den USA von einer Kuscheldecke mit Ärmeln berichtete, ein millionenfach verkaufter Hype in Amerika. In Deutschland damals nicht zu haben. Das weckte den Ehrgeiz bei Epstein und Haffa. Sie ließen die Decke selbst produzieren und gaben ihr den Namen „Knuffy“. Über den Home-Shopping- Sender „Channel 21“ startete der Verkauf. „Das war ein echtes Abenteuer“, erinnert sich Daniel Haffa. Die Jungunternehmer finanzierten es selbst, mit einem Kapital von 12.500 Euro. Am Ende lag genau die gleiche Summe wieder auf ihrem Konto. „Wir haben weder Verlust noch Gewinn, aber eine Riesenerfahrung gemacht und hatten jede Menge Spaß“, erzählt Niklas Epstein.
Logistik im Wohnzimmer
Auch hinter dem Tangle Teezer steckt eine Geschichte, die mit Zufall und den richtigen Beziehungen zu tun hat. „Meine damalige Freundin hatte die Bürste von einem Friseur in England mitgebracht. Wir fanden sie spannend und der Hersteller hatte noch keinen passenden Partner in Deutschland gefunden“, erzählt Epstein. So entwickelten sie ihr erstes Distributionsmodell. Die Eltern waren skeptisch: erst eine Kuscheldecke, jetzt Plastikhaarbürsten … Daniel Haffa und Niklas Epstein ließen sich nicht entmutigen. Kurzerhand wurde die Wohnung mit ein paar Hundert Bürsten vollgestellt, die die beiden sukzessive an Friseure schickten. Dann eröffneten sie ihren ersten kleinen Onlineshop – New Flag war geboren. Am Tag trudelten ein, zwei, mal fünf Bestellungen ein. Das Lager wanderte in das Kellerabteil eines Zahnarztes. „Ich habe jeden Abend Pakete zur Post gebracht, weil ich nicht wusste, dass man die auch abholen lassen kann“, schmunzelt Daniel Haffa über die Anfänge. Die erste eigene Marke kam schließlich mit invisibobble ins Spiel und damit auch Bruder Felix Haffa, der inzwischen ebenfalls Geschäftsführer bei New Flag ist. Denn dessen Freundin erfand das Spiralhaargummi.
Roadshow mit Olaplex
Seinen Bekanntheitsgrad in der Friseurbranche steigerte das Duo auf rasante Weise mit Olaplex. Haffa und Epstein stellten mit invisibobble auf einer Friseurmesse in den USA aus. „Die Messe war menschenleer – bis auf eine riesige Schlange am Stand neben uns. In die haben wir uns eingereiht, um dieses geheimnisvolle Produkt zu kaufen“, berichtet Daniel Haffa. Wieder in Deutschland schenkten sie es einem befreundeten Friseur, der testete es an seiner Mutter und war restlos von dem Reparaturwirkstoff überzeugt. New Flag sicherte sich die Distributionsrechte für Deutschland, Österreich und die Schweiz und tourte – damals noch ohne Außendienst, aber mit einem Education-Team aus Friseuren – mit einer Roadshow durch die drei Länder. In 14 Tagen erreichten sie 8.000 Friseure und gelangten zu folgender Überzeugung: „Wir wollen uns immer zu 100 Prozent auf eine Marke fokussieren, ihr unsere volle Aufmerksamkeit widmen und sie mit allem was dazugehört, von Schulung bis Vermarktung, aufbauen“, betont Daniel Haffa.
Außendienstler sind Friseure
Inzwischen hat New Flag zehn Marken im Portfolio. Ein Team aus 70 Kollegen betreut diese in den hippen Räumlichkeiten in der Münchner Leopoldstraße. Ganz klassisch strukturiert gibt es Abteilungen wie Vertrieb, Marketing oder Research & Development. „Die Logistik überlassen wir mittlerweile einem externen Dienstleister“, sagt Daniel Haffa. Die meisten der 30 Außendienst-Mitarbeiter sind Friseure. „Denn die wissen, wovon sie sprechen“, ist Niklas Epstein überzeugt. Die Zeichen des Unternehmens stehen auf Wachstum: Gerade haben die drei Geschäftsführer die Olaplex-Distributionsrechte für Tschechien und die Niederlande erhalten. Und auch die Nordländer seien an einigen Marken interessiert, lassen die beiden Geschäftsführer durchblicken. Zudem ergänzt nun die Farbmarke „Pulp Riot“ das New-Flag- Sortiment, das bisher aus Pflege- und Stylingprodukten bestand.
Märkte trennen und schützen
„Unser Herz schlägt für die Friseurbranche“, sagt Niklas Epstein. Dagegen spreche nicht, dass das Portfolio bei New Flag gut gemischt ist: friseurexklusive Produkte, Zwitter – wie Tangle Teezer – und reine Retailmarken. Niklas Epstein: „Wichtig ist es, die Märkte zu trennen und zu schützen. Friseurexklusivität ist für uns ein großes Thema.“ Mit der eigenen Marke Urban Alchemy möchten die Münchner beweisen, dass Friseurexklusivität funktioniert. Niklas Epstein und Daniel Haffa schauen immer wieder kritisch auf das Geleistete: In den Bereichen „Marken“ und „Außendienst“ sei man super aufgestellt. „Education“ möchte man mittelfristig zukunftsorientiert optimieren. Das heißt? „Education soll nicht nur handwerklich orientiert sein. Die Branche wird immer digitaler. Wir möchten Friseure für Social Media wappnen. ‚Wie bereite ich Bilder für Instagram auf?‘ oder ‚Wie präsentiere ich mich auf Facebook?‘ Hier möchten wir innovativ beraten und schulen“, erläutert Daniel Haffa die Zukunftspläne. Olaplex ist auch hier ein Aushängeschild: Die Marke hat die größte produktbezogene Usergruppe auf Facebook, in der Friseure sich gegenseitig austauschen und einander Hilfestellung geben. Und auch die neue Errungenschaft Pulp Riot, deren Vermarktung extrem über Instagram betrieben wird, passe hier ideal ins Konzept, sind die beiden Start-up- Unternehmer überzeugt.
Über Tangle Teezer hinaus
Im New-Flag-Team liegt das Durchschnittsalter bei 32. Daniel Haffa und Niklas Epstein sind 28 – und wissen, wovon sie reden. Dennoch: Die beiden Gründer möchten beweisen, dass sie über Tangle Teezer und invisibobble hinausgewachsen sind. Coole Marken aus aller Welt vertreiben, eigene Marken weiterentwickeln und sich so mit einer kompletten Bandbreite als relevanter Player bei den Friseuren positionieren: „Darauf liegt der Fokus“, so Daniel Haffa. „Das Echo wird zur Musik und wir haben – auch wenn wir keine Friseure sind – sehr gut zugehört. Unser Wissen möchten wir einbringen und damit etwas im Markt verändern.“
Text: Susanne Vetter