Nico Wolfram ist ehemaliger Friseur-Weltmeister und schneidet heute den Rennfahrern der Tour de France die Haare. Ein Leben ohne die Tour kann er sich nicht mehr vorstellen, auch wegen der zahlreichen Eindrücke.
Inhaltsübersicht
- Anfrage von Sponsor Alpecin
- Weltmeister in Chicago
- Sportler-Frisuren
- Gespräche abseits der Tour
- Radrenn-Star Tadej Pogačar im Barber-Camper
Text: Christoph Ledder
Es gibt Momente im Leben, die wie aus dem Nichts kommen und das gesamte berufliche Leben verändern. Nico Wolfram, Friseur aus dem thüringischen Schmalkalden mit eigenem Salon, kennt solche Augenblicke. Mittlerweile ist er festes Mitglied der Tour de France. Während des weltweit bekannten Radrennens frisiert er die Fahrer sowie die Crew-Mitglieder.
„Damals im Jahr 2019 klingelte bei mir das Telefon zwei Wochen vor dem offiziellen Tourstart in Brüssel. Schnell kam die Frage auf, ob ich nicht Lust habe dorthin zu fahren, um den Radsportlern die Haare zu schneiden.“ Allerdings habe er nicht direkt zugesagt, sondern sich Bedenkzeit erbeten. Ein Grund dafür war, dass er seinen Kunden für die Zeit der Tour hätte absagen müssen. Darüber hinaus hatte er mit dem Radsport bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig Berührungspunkte. „Ich stamme noch aus der Zeit, in der Jan Ulrich und Erik Zabel aktiv waren. Damals habe ich das letzte Mal aktiv Radsport geschaut“, erinnert er sich. Seine Bedenken dauerten eine Nacht. Dann stand für ihn fest: Er lässt sich auf das neue Abenteuer ein.
Anfrage von Sponsor Alpecin
Der damalige Anruf kam nicht von ungefähr. Im Vorfeld stellte die Marketingabteilung der Marke „Alpecin“ bei der Friseurkosmetikmarke Alcina (Anm. d. Red. die beide zum selben Unternehmen, der Dr. Kurt Wolff-Gruppe gehören) die Anfrage, ob man nicht einen Friseur kennen würde, der Lust und die Zeit hat, den Fahrern und Crew-Mitgliedern der Tour de France die Haare zu schneiden. „So sind sie damals auf mich gekommen, da ich zu dem Zeitpunkt bereits neun Jahre für Alcina tätig war.“ Wolframs Tour-Debüt war gleichzeitig das Sponsoring-Jubiläumsjahr von „Alpecin“ „und zu dem Zeitpunkt wollten sie erneut zurück zu ihren Wurzeln und mehr in die breite Masse rein“, erzählt der Friseur. Alpecin war im Jahr 1949 der erste Sponsor der Tour de France.
Weltmeister in Chicago
Während und nach Abschluss seiner Ausbildung nahm Nico Wolfram Friseur an zahlreichen Wettbewerben teil. Ein wichtiger Meilenstein dabei war die Friseur-Weltmeisterschaft im Jahr 2008 in Chicago. „Als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft sind wir in dem Jahr Weltmeister geworden.“ Während der Weltmeisterschaft sowie bei anderen Wettbewerben wurden verschiedene namhafte Unternehmen auf ihn aufmerksam. Einige von ihnen hat er sich angeschaut und war schließlich für Alcina aus Bielefeld tätig. „Fast ein Jahrzehnt habe ich Schulungen gegeben, unter anderem zu Schnitttechniken und eben auch zu Produkten von Alcina“, sagt Nico Wolfram. Während dieser Zeit habe er sich innerhalb des Unternehmens einen Namen gemacht und der Weg nach Brüssel zum Auftakt des weltweit bekannten Radrennens war dadurch geebnet.
Sportler-Frisuren
Frisuren von Profisportlern prägen oft deren Bild in der Öffentlichkeit. Bei der Radrennfahrern der Tour de France ist dies nicht anders: „Die meisten Fahrer tragen Kurzhaarfrisuren in den unterschiedlichsten Varianten. Vom Fade mit null Millimeter und Längenzunahme bis hin zum klassischen Fasson ist alles dabei.“ Längenvariationen im Deckhaarbereich gebe es zwar, „doch rund 80 Prozent der Fahrer tragen ihre Frisur her kurz“, sagt Wolfram.
Gespräche abseits der Tour
Während der Tour schneidet er die Fahrer im sogenannten „Barber-Camper“, einem mobilen und umgebauten Caravan. Fakt ist, dass sich das Tour-Leben erheblich vom Salon-Arbeitsalltag in Schmalkalden unterscheidet. „Es gibt keine Spiegel im Camper und das bedeutet, dass mir die Fahrer vollkommen vertrauen müssen.“ So hätten auch die anwesenden Journalisten aus aller Welt die Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen und Aufnahmen zu machen. Zudem sei der Zeitdruck für den Friseur wesentlich höher als in seinem Salon. „Die Athleten haben in der Regel ein sehr enges Zeitfenster zwischen Trainingsausfahrten, Teambesprechungen, Massagen und allen anderen Terminen, die bei ihnen anstehen.“ Wenn die Fahrer bei Wolfram auf dem Stuhl sitzen, „muss innerhalb kurzer Zeit, gute Arbeit abgeliefert werden“, betont er.
Die Kommunikation erfolgt in der Regel auf Englisch. „Es kann mal vorkommen, dass es einigen Fahrern nicht kurz genug ist. Dann gehe ich nochmal ran und schneide nach, da kürzer ja immer geht.“ Ein kleiner Teil der Fahrer genieße die Ruhe auf dem Stuhl. „Wenn ich mit den Fahrern spreche, dann sind es Themen über anstehende Urlaube, über Hobbys oder auch über die Familie. Die meisten möchten auch mal über was anderes als nur über den Radsport sprechen. “
Radrenn-Star Tadej Pogačar im Barber-Camper
Ein einprägsames Erlebnis für Nico Wolfram war der Besuch von Tadej Pogačar im Barber-Camper, ein weltweit bekannter Radrennfahrer. Im Vorfeld kommuniziert Nico Wolfram mit den einzelnen Teams über Social Media, wann die Fahrer Trainingszeiten haben und wann sie zum Schneiden vorbeikommen können. „Es war alles aufgebaut und bereit und so warteten wir einfach auf die Fahrer. Da komme ich ganz gemütlich um die Ecke geschlendert und sehe eine riesige Menschenmenge vor dem Camper stehen. Da war mir klar, dass Tadej Pogačar dort auf dem Stuhl sitzt und auf mich wartet“, erinnert sich Wolfram. Erlebnisse wie solche zaubern dem Friseur bis heute ein Lachen ins Gesicht. Mittlerweile ist die Tour de France für ihn fast wie eine Sucht geworden und fester Bestandteil seines Berufslebens. „Ich freue mich am Ende einer jeden Tour bereits auf die nächste“, erzählt der Friseurmeister.
Die letzte Etappe des diesjährigen Rennens findet am 27. Juli 2025 statt.
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