Marco Arena, Foto: Adrian Bedoy

03.04.2020

Marco Arena persönlich: Krise & Angst versus Perspektive & Chance

Der Friseurunternehmer, Redken-Stylist, Trainer & Referent Marco Arena beschreibt im TOP HAIR-Interview „seine Corona-Krise“ und den ganz persönlichen Umgang mit dieser großen Herausforderung.

TOP HAIR: Wie haben Sie die turbulenten Tage erlebt? Schließen? Doch öffnen? Shut Down...

Marco Arena: In den ersten Tagen nach der Schließung war bei mir Sendepause. Ich musste zunächst mal sortieren, dann organisieren. Als Salonbesitzer hat man eine große Verantwortung.  Es galt die Mitarbeiter zu informieren und es gilt auch weiterhin, mit dem Team zu kommunizieren. Ich habe 25 Mitarbeiter und gerade die Woche VOR der Schließung war eine große ethische Herausforderung. Es war eine sehr schwierige Entscheidung, die letzte geöffnete Woche noch auszuhalten. Schließlich haben wir unter allen Vorsichtsmaßnahmen gearbeitet. Wir mussten – um die nun geschlossene Zeit tatsächlich überstehen zu können!

So konnten wir den März – obwohl bereits teilweise zu (Anm. d. Red: Schließung 23.3.20) – ohne Gehaltseinbußen für die Mitarbeiter abschließen und haben erst im April Kurzarbeit angemeldet. Mein Ziel ist es, wenn es wieder losgeht und wir mit dem Engagement und der Unterstützung aller Mitarbeiter wieder aufmachen können, den Angestellten das Minus, das ihnen durch die Kurzarbeit entstanden ist, auszugleichen. Heißt dann aber zunächst: Verlängerte Öffnungszeiten, montags aufmachen, in Schichten arbeiten… ?

TOP HAIR: Und wie geht es Ihnen persönlich gerade?

Marco Arena: Es ist ein Wechselspiel! Einerseits sind da die Sorgen ob der großen Ungewissheit „Wohin führt das Ganze“? und auch Sorgen um Freunde und Familie. Die italienische Seite meiner Familie lebt auf Sizilien; es geht ihnen allen gut, aber die Berichte sind erschreckend.

Und andererseits verspüre ich pure Euphorie! Mit Begeisterung erkenne ich gerade die Möglichkeiten, die diese Zeit uns auch bieten kann. Im stressigen Alltag ist man doch oftmals ausgepowert. Aktuell fühle ich mich aber gesundheitlich stärker denn je und habe das Gefühl, gerade ungeahnte Kräfte freizusetzen, um uns durch diese Phase zu bringen.

TOP HAIR: Wie gestalten Sie im Salon diese Zeit der Schließung? 

Marco Arena: Normalerweise bin ich gegen 10 Uhr im Laden. Jetzt bin ich der erste, voller Tatendrang! Ich betreibe weiter interne Ausbildung – aktuell habe ich sieben Azubis – und leite an: Natürlich auf freiwilliger Basis, nie mit mehr als zwei Leuten und immer mit dem erforderlichen Abstand, an Übungsköpfen.
Außerdem räumen wir im Salon auf und führen Ausbesserungsarbeiten durch. Denn nach der Schließung wird dafür keine Zeit mehr sein: 
Ich bin überzeugt davon, dass es ab 20.4. ein System geben wird, mit dem wir wieder arbeiten können. Das ist mein Ziel! Darauf wollen wir vorbereitet sein und mit diesem Ziel gehe ich jeden Morgen zur Arbeit.

TOP HAIR: Wie halten Sie aktuell den Kontakt zu Ihren Kunden, Stichwort: Kundenbindung?

Telefon
Unsere Rezeption ist von 9-14 Uhr besetzt, um die Kommunikation mit den Kunden am Telefon aufrecht zu erhalten. Wir passen Folgetermine an, wir organisieren um, wir sind einfach auch für Gespräche da. Und es sind oftmals lange und schöne Gespräche. Mehr denn je wollen die Menschen uns jetzt ihre Geschichte erzählen, viele leben alleine, haben kaum Ansprechpartner.

Online Beratung
Wir sind digital parat: Wir machen online Beratung. Kostenfrei und unkompliziert. Und das werden wir auch später beibehalten. Bei uns wartet man schon mal zwei Monate auf einen Termin, da ist es doch toll, wenn man vorher den Salon erstmal „testen“ kann und auch noch „bedient“ wird.
Wir drehen auch kleine Videos, geben Ideen und Anregungen; die Kunden konsumieren (wenn sie Lust haben) und zahlen nichts dafür. Zum Beispiel gibt es das Video: Wie mache ich mich für den Video Call zurecht? Wie verstecke ich geschickt meinen Ansatz? Zick-Zack-Scheitel…

Notfall-Kit
Und ich biete meinen Kunden ein Notfall-Kit an – es geht tatsächlich nur um Scheitel/Oberkopf und Ansatz. Denn: Ich führe mein Business für meine Kunden! Und für viele von ihnen dreht sich die Welt draußen weiter; sie gehen noch zur Arbeit oder haben online Meetings mit Kamera. Dies ist eine Sondersituation und ich helfe meinen Kunden, diese Zeit zu überbrücken, indem ich für 20-25 Euro ein Fläschchen Farbe und ein Fläschchen Entwickler liefere, einen Beipackzettel und auch den Hinweis auf „die eigene Verantwortung“. Die Farbe mische ich (die Rezeptur gebe ich nicht raus) und die Kunden müssen den Entwickler dazugeben. Das Feedback der Kunden ist grandios, das der Kollegen leider nicht. Aber wenn wir die Kunden jetzt nicht unterstützen, können wir dem Ansturm nach der Schließung nicht gerecht werden und werden Kunden verlieren.

Produktverkauf
Wir haben aktuell eine -30% Aktion auf unsere Produkte. Die Leute lieben solche Aktionen – auch ein Louis Vuitton-Kunde sucht ja schließlich nach Schnäppchen im Outlet. So kommen wir zu Cashflow und die Kunden haben aktuell Zeit, die schönen Produkte, Haarkuren, Haarmasken usw. auch ausgiebig anzuwenden und sich um die Pflege zu kümmern. 
Jetzt haben wir auch die Chance, unsere Kunden wieder für den lokalen Einkauf zu sensibilisieren und sie zu animieren, in lokalen Geschäften einzukaufen bzw. zu bestellen. Wir können deutlich aufzeigen, was Beratung wert ist.
Unser Produktverkauf läuft tatsächlich super. Okay, ständig Päckchen packen und zur Post bringen, das ist lästig. Aber wir haben ja Zeit! Und langfristig entsteht hier eine Bindung, eine Freundschaft mit den Kunden, und ein schönes Image für uns.

Jetzt heißt es: Laut sein in Social Media! Diese Chancen nutzen. Sich um seine Kunden KÜMMERN!

TOP HAIR: Welche Perspektive & Chance sehen Sie in dieser Situation?

Marco Arena: Jetzt hat man die Chance, mal klar Schiff zu machen: Im Leben, im Umfeld, aber auch im Geschäft; man kann sich jetzt an die Papiere machen und auch mal Kosten überdenken. Außerdem habe ich mir vorgenommen, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Und da ich sehe, dass wir gerade online unsere Chancen haben, schaue ich mir jeden Tag eine neue App an, optimiere unsere Plattformen, mache Social Media-Pläne und lerne dazu. Wir machen uns fit und werden mit einem digitalen Refresh aus dieser Krise gehen. Wir müssen nach vorne schauen, aktiv sein! Das versuche ich auch meinen Mitarbeitern weiterzugeben. Ich will jetzt stark sein für mein Team.

Gerade jetzt kann man doch auch sehen, dass unser Beruf und unsere Branche, gar nicht so schlecht sind! Ich lebe in Frankfurt und lese die Meldungen der Lufthansa: Kurzarbeit. Die Meldungen der Banken: düstere Szenarien. 
Unsere Kunden freuen sich wieder auf uns, da bin mir sicher! Die Kunden sind nicht unser Problem; die Branche hat ein Mitarbeiterproblem. Aber durch diese Krise, können wir uns in ein besseres Licht rücken und auch  für Nachwuchs werben.

TOP HAIR: Wie lautet Ihre Botschaft an Kollegen und Mitarbeiter?

Wir werden wieder aufmachen! Und zwar mit einem neuen Verständnis und Bewusstsein. Vielleicht auch wieder ein wenig geerdet. Es hat sich doch in der Branche eine gewisse Arroganz breit gemacht. Nicht in den sozialen Medien schimpfen und wettern, sondern professionell agieren! Selbstverständlich kann man seine Meinung äußern, aber man sollte dabei auch Platz lassen für Toleranz. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt auch etwas dazwischen. Und vor allem braucht es Respekt. Respekt VOR Anderen und FÜR andere Entscheidungen. 
Mitarbeiter möchte ich dazu ermutigen, ihre Unternehmen zu stärken. Und vielleicht freut sich ja auch der Chef mal über moralische Unterstützung. :)