Davon ist Marlene Lotter überzeugt. Sie und Yannis Rodocanachi tragen global Verantwortung für die Wella-Marken. Mit uns sprechen sie über Marktentwicklungen im Friseurgeschäft, die für Deutschland relevant werden, etwa schnelle Dienstleistungen und Solo-Unternehmertum.
Am Rande des internationalen Trend-Events „Wella Destination“ auf Malta haben wir die beiden zum Interview getroffen.
TOP HAIR: Welche Trends im Salongeschäft seht Ihr international, die für den deutschen Markt relevant werden?
Marlene Lotter (Senior Vice President Global Professional Hair Brands der Wella Company): Was wir deutlich beobachten, ist der anhaltende Einfluss der sogenannten Skinification – also Pflegetrends aus der Hautpflege, die zunehmend auf das Haar übertragen werden. Ein Beispiel dafür ist der Glass Hair-Trend: extrem glattes, hochglänzendes Haar, das seinen Ursprung in der Hautpflege hat und weiterhin gefragt bleibt.
Bei Wella Destination haben wir unsere neue Farbvision für das kommende Jahr vorgestellt: Surreal Colour. Auch das sehen wir als einen großen Makrotrend. Diese Looks sind oft von Künstlicher Intelligenz inspiriert. Viele Kund*innen testen neue Stylings mithilfe von KI und bringen diese digitalen Vorschläge dann mit in den Salon – mit dem Wunsch, genauso auszusehen. Das ist eine echte Herausforderung für Friseur*innen. Deshalb suchen viele Salonprofis nach Techniken und Trends, die solche surrealen, KI-generierten Looks realistisch umsetzbar machen oder als Gesprächsanlass dienen können, um gemeinsam mit dem Kunden zu einem tragbaren Ergebnis zu kommen.

Ein weiterer übergreifender Trend ist die Personalisierung. Kund*innen wünschen sich eine sehr individuelle Schönheit. Daraus ergibt sich eine klare Erwartung an das Salonpersonal: Dienstleistungen sollen hochgradig personalisiert sein – genau abgestimmt auf die Persönlichkeit und die Wünsche des Einzelnen.
Dieser Trend ist auch für das Salonmanagement wichtig. Denn obwohl die Besuchsfrequenz vielerorts leicht rückläufig ist, investieren Kund*innen, wenn sie kommen, mehr Zeit und Geld. Sie erwarten Leistungen, die sie zu Hause nicht selbst erzielen können – etwas Besonderes und Einzigartiges. Genau deshalb haben wir Produkte wie Illumina oder Color Touch Melt entwickelt. Beide Techniken stehen für hyperpersonalisierte Farbservices. Sie ermöglichen es, Highlights und Lowlights so zu setzen, dass sie die Individualität der Kundin oder des Kunden gezielt unterstreichen.
TOP HAIR: Worauf sollten Friseure in Deutschland jetzt setzen und wie? Was wird an Relevanz verlieren?
Marlene Lotter: Ich glaube nicht, dass Friseur*innen in einem Preiskampf wirklich gewinnen können. Darum geht es den Kundinnen auch nicht unbedingt. Natürlich steht ihnen kein unbegrenztes Budget zur Verfügung, aber sie suchen gezielt nach hyperpersonalisierten Dienstleistungen, um sich selbst besser zum Ausdruck zu bringen. Friseur*innen sollten sich deshalb über ihr handwerkliches Können differenzieren, über das, was sie bieten können und was in keinem anderen Beauty-Service zu finden ist. Denn das Haar ist nach wie vor der wichtigste Teil der äußeren Identität, der sich verändern und gestalten lässt. Genau darauf sollten Friseur*innen ihren Fokus in der Kommunikation legen: die Vielseitigkeit ihres Handwerks, wodurch sie Dienstleistungen anbieten können, die nur Salons durchführen können.
Das Haar ist nach wie vor der wichtigste Teil der äußeren Identität, der sich verändern und gestalten lässt. Genau darauf sollten Friseur*innen ihren Fokus in der Kommunikation legen.
Marlene Lotter
Es gibt auch ergänzende Services, die dabei helfen können, die Besuchsfrequenz zu steigern. In Deutschland wie in ganz Europa sehen wir aktuell, dass die Zehn-Minuten-Coloration, Color Xpress, gut ankommt. Für berufstätige Frauen mit einem vollen Terminkalender ist das eine attraktive Lösung, um schneller und flexibler wieder in den Salon zu kommen. Ein schneller Ansatz-Farbservice, für den man sonst weder Zeit noch Geduld hätte, ist hier ideal. Solche ergänzenden Angebote passen sehr gut zu den exklusiven und personalisierten Premium-Services.
Dazu gehören auch Angebote wie Shinefinity oder der Care Cut – Services, die wenig Zeit benötigen und beispielsweise in der Mittagspause für ein frisches Farbergebnis sorgen können.
TOP HAIR: Habt Ihr Zahlen, wie sich dieser Service auf dem Markt entwickelt?
Marlene Lotter: Nun, wir fangen gerade erst an. In den USA ist es insgesamt ein großer Service und hat sich für Wella als sehr erfolgreich erwiesen, weil unser Produkt überlegene Ergebnisse liefert. Die Farben sacken nicht ab und die Farbentwicklung stoppt nach der benötigten Zeit. Wenn man sie etwas länger einwirken lässt, erhält man trotzdem ein erstaunliches, vorhersehbares Ergebnis. Daher läuft es auf dem US-Markt sehr gut, und wir haben einen enormen Zulauf gesehen. In Italien haben wir einige Testmärkte eingerichtet. Auch wenn wir die Zahlen nicht teilen können, da es sich um kleinere Tests handelte, haben wir eine wirklich gute Resonanz für diesen Service als ergänzendes Angebot erhalten.
Wir müssen die Branche auch neu denken. Andere Branchen haben sich neu erfunden, um wirklich zu inspirieren.
Yannis Rodocanachi
Yannis Rodocanachi (President of Brands & Chief Marketing Officer der Wella Company): Ich würde dem, was Marlene gesagt hat, gerne noch etwas hinzufügen. ‚Wie können wir weiterhin Stylist*innen helfen, Kund*innen zu gewinnen? Wie können sie das Beste aus den Kunden herausholen, wenn sie im Salon sind?‘ Das sind einige der aktuell brennendsten Fragen. Global sehen wir, dass die Zahl der Stylistinnen und Stylisten sinkt und die Frequenz zurückgeht. Es bleibt wichtig für uns, solche Events wie Wella Destination zu schaffen, bei denen wir zusammenkommen. Denn wir tragen alle eine Verantwortung, der Branche zu helfen, weiterhin neue Talente zu gewinnen, junge Menschen zu Stylist*innen zu machen. Und diese Momente, die wir schaffen – zusätzlich zum Service, zusätzlich zur Innovation – was könnte besser sein, als eine Innovation oder ein Service, um Konsumenten in einen Salon zu bringen oder einen jungen Menschen anzuregen, Friseur*in zu werden?

Aber ich denke, wir müssen die Branche auch neu denken. Andere Branchen haben sich neu erfunden, um wirklich zu inspirieren. Wenn man sich zum Beispiel die Lebensmittelindustrie anschaut ist es heutzutage cool, ein Koch zu sein. Es gibt TV-Shows, das ist sehr inspirierend. Ich denke also, es ist unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass wir dasselbe tun – die gleiche Art von Arbeit leisten, um die nächste Generation wirklich zu inspirieren.
TOP HAIR: Wie schätzt Ihr den deutschen Markt im Vergleich zu anderen Ländern weltweit ein?
Marlene Lotter: Wella ist natürlich ein deutsches Unternehmen. Wir sind super happy mit den Ergebnissen, die wir als Farbmarke in Deutschland erzielen. Weltweit aber auch in Deutschland wachsen wir. Vielleicht können wir in Märkten wie dem Vereinigten Königreich oder Deutschland, wo wir weltweit am stärksten sind, nicht so schnell wachsen. Aber wir sehen auch ein sehr wettbewerbsfähiges und gutes Wachstum. Soweit die Unternehmenssituation.
Auch in Deutschland sieht man in den großen Städten mehr „Rent & Share“-Konzepte.
Marlene Lotter
Nun zum deutschen Markt: Die Makrosituation in Deutschland ist etwas spezifisch, denn es gibt vielleicht mehr Preisbewusstsein als in anderen Märkten. Aber wir sehen auch ähnliche Trends wie zum Beispiel das, was bereits in den USA passiert: Auch in Deutschland sieht man in den großen Städten mehr „Rent & Share“-Konzepte. Es gibt also Trends, von denen wir aus anderen Märkten lernen können. Die Branche kann lernen, sich darauf vorzubereiten, dass der ganze Trend zu Selbstständigkeit oder Solo-Unternehmern zwar viel, viel kleiner ist, aber er kommt auch nach Deutschland.
Deshalb starten wir Programme wie RISE with Wella. Denn diese sind nicht nur für Salons gedacht. Sie richten sich an alle Stylist*innen, die eine Beziehung zu einer Marke brauchen, die Inspiration benötigen und mit sehr berechenbaren Farben arbeiten müssen, besonders wenn sie Solo-Selbständige sind. Sie arbeiten auf eigene Rechnung und müssen bei jedem Service das Beste liefern.
Bildung spielt auch eine große Rolle in diesem Wandel. Wir investieren weiterhin in alle unsere Studios. Wir investieren weiterhin in Wella Color Xpert. Aber jetzt haben wir auch einen großen Push im Bereich Business Education. Wie führt man seinen Salon oder sein Geschäft, wenn man eigenständig ist? Und dann bringen wir das nicht nur in den physischen Kursen ein, sondern ein Teil davon wird auch in einer digitalen Form angeboten. Deshalb ist RISE so wichtig. Es passt zum Trend und zur neuen Form der Salonindustrie, in der es alles gibt: Menschen, die Social-Media-Stars werden wollen, Menschen, die unabhängig arbeiten. Stylist*innen, die backstage bei Events arbeiten und für ein paar Tage einen Stuhl in Frankfurt mieten. Die Branche wird vielfältiger. Es gibt nicht nur das eine Salon-Setup, das wir bedienen müssen.

TOP HAIR: Das neue Programm RISE steht für die englischen Begriffe relationship, inspiration, science und education, also Beziehungen, Inspiration, Wissenschaft und Bildung. Das ist nicht wirklich neu. Darauf hat sich Wella ja auch vorher schon konzentriert. Was macht Ihr also jetzt anders?
Yannis Rodocanachi: Es ist nicht neu, aber es wurde verstärkt. Der Ausgangspunkt ist unsere besondere Beziehung zu den Friseur*innen. Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet. Wir investieren immer mehr in Direktbesuche vor Ort im Salon. Gleiches gilt für die Ausbildung. Wir investieren wie nie zuvor in die Ausbildung. Wir eröffnen neue Studios weltweit. Gerade haben wir ein neues Studio in Rio eröffnet, auch in Sao Paolo eröffnen wir wieder eines. Weltweit haben wir mit die größte Anzahl an Studios. Wir möchten wirklich diese direkte Beziehung zum Profi. Auf dieser Basis möchten wir mehr denn je Partner sein und uns der Branche und vor allem dem Profi verpflichten. RISE eine neue Artikulation dieser Beziehung. Es verstärkt die Beziehung zur Community.
Was die Inspiration betrifft, so ist der Ansatz neu, den wir verfolgen, beginnend mit dem Service, mit dem Trend und dann bringen wir die Innovationen. Die Surreal Looks sind inspiriert von KI. Auch das ist unser Bekenntnis, immer zu inspirieren und den Friseuren gutes Handwerkszeug zu geben und es mit ihnen gemeinsam zu entwickeln, mit dem Ziel Kundenzahl und Salonumsätze zu steigern.
Das Neue bei der Wissenschaft ist unsere Art der Innovation. Wir sind ein Unternehmen, das die Profifarbe an erste Stelle stellt. Wir haben gerade Color Touch neu formuliert. Da wird noch mehr kommen, dazu darf ich allerdings noch nichts sagen. Auch im Bereich Haarpflege. Ich freue mich, dass wir jetzt Ultimate Smooth auf den Markt bringen, das ebenfalls auf den neuen Trends basiert.
Dann Education: Nach Corona gab es viele Erkenntnisse, die uns gezeigt haben, dass das Handwerk absolut face-to-face bleiben muss. Wir werden viele handwerkliche Kurse bieten. Aber wir werden nicht nur in der Technik ausbilden, wie man das neue Produkt verwendet, wie man die neuen Services erstellt, sondern auch, wie man das Geschäft weiterentwickelt.
Du hast recht. Wir haben uns auch vorher auf diese Bereiche fokussiert, aber wir aktualisieren, verstärken und beschleunigen. Das ist also das neue Bekenntnis für uns.
Marlene Lotter: Wir sind ja ein großes Unternehmen. Du kommst aus der deutschen Perspektive, wo das Wella-Team und Wella herkommen. Jeder hier kennt das RISE-Programm sehr gut und weiß es umzusetzen. In Deutschland hat Wella eine lange Historie. Wenn wir global schauen, wo wir junge Talente entwickeln, wo wir als Unternehmen wachsen, wo wir multichannel tätig sind und mit Haarfarben, verschiedenen Marken und Kategorien spielen, ist das nicht selbstverständlich. Wenn man schnell wächst – und wir wachsen und expandieren schnell – ist diese Verstärkung von RISE wirklich entscheidend.
Wir legen nun auch echte Messgrößen dahinter, z.B. bei der Bewertung der Seminare. Oder einem digitalen Tool, mit dem Friseure ihr Service-Menü ständig aktualisieren können. Es ist also sehr konkret. RISE ist nicht nur ein Rahmen, sondern eine Möglichkeit, die Energie des gesamten Wella-Unternehmens in Märkte zu kanalisieren, die vielleicht viel jünger sind als der deutsche, in die wir gerade eingetreten sind.
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