Philipp Haug, Foto: Egbert Krupp/TOP HAIR

01.12.2019

Philipp Haug: Von der Schwäbischen Alb nach London

Der Schwabe Philipp Haug lebt seit elf Jahren in England, wurde 2018 London Hairdresser of the Year und leitet die Toni & Guy Flagship Academy seiner Traumstadt. Im Gespräch vergleicht er die deutsche und englische Friseurbranche, spekuliert über die Folgen des Brexit und erzählt von seiner ungewöhnlichen Karriere.

Mit 14 besorgte sein Vater ihm ein Praktikum bei Toni & Guy in Berlin. Danach wollte er Friseur werden, nicht unbedingt der Haare wegen, sondern weil der Lifestyle so cool war. Er machte also eine Lehre an der Toni & Guy Academy in Stuttgart – London, seine Stadt der Haare, immer im Visier. Über viele Stationen kam er vor elf Jahren dort an. Heute ist er International Artistic Director bei Toni & Guy und leitet die dortige Flagship Academy.

TOP HAIR:Du kommst aus einer Friseurfamilie von der Schwäbischen Alb. Wie hat es dich nach London verschlagen?
Philipp Haug: Ich war schon immer inspiriert von den Jungs, die rüberkamen, von den Art-Direktoren aus London. Die waren cool. Ich habe dann auch relativ schnell gemerkt, dass London für Haare ein Hotspot ist. Ich hatte die Idee: gleich nach der Lehre gehe ich. Man hat mir aber empfohlen, länger in Stuttgart zu bleiben, weil es besser ist, wenn man erst sein ganzes Trainingsprogramm fertig hat und dann nach London geht.
Ich war dann viel unterwegs in verschiedenen Salons, und dann wurde mir ein Manager-­Job angeboten in Freiburg. Ich war damals erst 21. Freiburg war von meiner Friseur-­Persönlichkeitsentwicklung wahrscheinlich die wichtigste Zeit: Manager sein und kreativ die Leute zu inspirieren, in der Verantwortung zu sein, den höchsten Preis zu nehmen. Wir haben den Umsatz krass nach oben gefahren. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort, hatte eine gute Energie und konnte die Leute mit­reißen. Ich wusste aber immer, dass ich irgendwann in London arbeite. Ich wollte den nächsten Schritt, und der war London.

Der Salon deiner Familie in Albstadt war also nie Thema?
Nein. Ich bin ja ganz eng mit meinen Eltern. Wir haben ein super Verhältnis. Ich habe riesen Respekt vor meinen Eltern, und sie sind eine große Inspiration für mich, aber ich wollte schon immer mein eigenes Ding machen.

Tauscht ihr euch über die Branche aus?
Ja, auf jeden Fall.

Siehst du denn Unterschiede zwischen Deutschland und England?
Gar nicht so extrem. Vom täglichen Friseurleben würde ich sagen, überhaupt nicht. Was ganz anders ist, ist unser Ausbildungskonzept. Wo man in Deutschland in eine fremde oder staatliche Berufsschule geht, haben wir hier unsere eigene Berufsschule. Ich arbeite im Salon am Sloane Square, das ist im Herzen von Chelsea. Dort gibt’s nicht wirklich viele Kunden, die sich eine Seite wegrasieren lassen und die andere pink färben. Das heißt, ich habe dort in einer extrem reichen Gegend sehr klassische Kunden. Von daher finde ich keinen großen Unterschied zu Deutschland. Was schon unterschiedlich ist, ist unsere Flagship Academy in London. Ich würde sagen, 50 Prozent unserer Seminarteilnehmer kommen von außerhalb Europas, 40 Prozent sind aus Europa und 10 Prozent aus England.

Dann hast du viel Einblick in andere Länder?
Ja. Das ist für mich der Unterschied, in London zu arbeiten, für eine internationale Firma. Es ist ein bisschen wie in der Musik: Wenn man englisch singt, hat man plötzlich einen größeren Markt. In Deutschland gibt es natürlich auch Firmen, die international viel machen. Aber ich finde, sobald man in London ist, ist alles international.

In Deutschland ist ja das große Thema der Fachkräftemangel. Hier auch?
Ja. Wir haben hier schon auch Probleme, dass die jungen Leute lieber zur Universität gehen und irgendwas studieren. Selbst wenn sie besser dran wären, einen Beruf zu lernen, weil sie nicht so akademisch veranlagt sind. Aber ich habe oft das Gefühl, dass der soziale Stellenwert, zur Universität zu gehen und zu studieren, viel höher ist, als einen Beruf zu lernen, vor allen Dingen Friseur. Wir haben auch viele Colleges, die extra gesponsert werden vom Staat, wenn die Kinder länger in der Schule bleiben, das heißt, bis sie 18 sind ,und dann wird es für uns schwerer, weil sie höhere Gehälter haben und so weiter.

Wirkt sich der Brexit auf euch aus? Ihr seid ja eine international aufgestellte Firma.
Ich glaube, dass wenn es wirklich zum harten Brexit kommt, mit totalem Immigrations-Stop, ist es vor allem für unsere Branche brutal. Im Moment haben wir so viele Südeuropäer, die hierherkommen und sich mit harter Arbeit was erarbeiten. Viele gehen wieder zurück, aber die richtig Guten bleiben. Das heißt, in London haben wir einen Pool guter Leute von überall. Wenn die Visa brauchen, bevor sie überhaupt kommen können, wird das Ganze echt schwierig.

So Karrieren wie deine, die sind dann …
… schwieriger, ja. Ich bin auch zu einer schwierigen Zeit hierhergekommen. Weil ich so eine gute Zeit hatte bei T & G Deutschland, habe ich meinem Chef sechs Monate im Voraus gesagt, dass ich nach London möchte. Das war Mitte 2008. Bis ich gegangen bin, ging diese ganze Weltwirtschaftskrise los. Mir hat man dann erst mal gesagt: ‚Den Job in der Academy zu unterrichten, den gibt’s nicht mehr. Wir haben Stellen abgebaut. Und eigentlich können wir dir in London auch keinen Job anbieten. Das einzige, was wir dir anbieten könnten, wäre Wimbledon.‘ Ich habe dann erst in Wimbledon angefangen, zwei Jahre, und mich dann peu à peu nach oben gearbeitet. Das war auch deutlich länger, als ich mir das vorgestellt hatte.

Hattest du denn Anlaufschwierigkeiten?
Ja. Mein Englisch war ein Horror. Ich hatte ganz schlechtes Realschul-Englisch und eine harte Zeit am Anfang. Ich war immer einer, der sich über die Sprache definiert hat und sich ausdrücken konnte, und auf einmal fühlte ich mich wie einer, der seine ganze Persönlichkeit am Heathrow Airport gelassen hat!

Für dich ist der Brexit kein Problem?
Ich habe Gott sei Dank im Juli geheiratet! Hier zu bleiben ist überhaupt kein Problem. Ich bin verheiratet, habe hier ein Haus, ne Menge Schulden. So leicht lassen sie mich nicht gehen. (lacht)

Du bist London Hairdresser of the Year geworden. Was hat sich für dich dadurch verändert?
Ich glaube, es hat mich im guten Sinne entspannter gemacht. Ich habe zwei- oder dreimal beim German Hairdressing Award mitgemacht, nie gewonnen. Dann bin ich nach London gegangen. Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal für London nominiert worden und habe gedacht, dass ich nah dran war. Das Jahr danach habe ich alles in Frage gestellt, alles total umgestellt. Das ging nach hinten los. Ich wurde gar nicht nominiert. Und dann war ich auf einer Mission! Wenn man meinen Chef hier fragt, sagt der, Philipp hat zwölf Monate jeden Tag von nichts anderem als Hairdressing Awards geredet. Dann war das Ziel erreicht. Für mich selbst, diese Genugtuung war wichtig. Was ich schon gemerkt habe, so ein Award hat schon eine andere Wucht.‚Oh! Er ist London Hairdresser of the Year!‘ Das hat schon ein bisschen was. Vor allem für mich persönlich, weil London für mich die Stadt der Haare ist. Da kann ich nicht lügen, das taugt mir schon.