Privatdetektiv Raoul Classen im Einsatz ::: Foto: Raoul Classen

13.06.2016

Ein Detektiv packt aus

Vor kriminellen Machenschaften sind auch Friseure nicht gefeit. Steht der erste Verdacht im Raum, wird gerne ein privater Ermittler eingeschaltet.

Der soll Beweise liefern und die Täter überführen. Raoul Classen (48), Privatdetektiv und Chef des internationalen Ermittlungsbüros Detek AG,  hat in viele menschliche Abgründe geschaut, Betrüger enttarnt und Wirtschaftsverbrecher überführt. Unter seinen Auftraggebern waren auch Friseure, die betrogen, hintergangen oder getäuscht  wurden. Für TOP HAIR (siehe auch TOP HAIR Business 12/16) hat Classen seine spannendsten Fälle aufleben lassen. Was er da zum Vorschein bringt, zeigt, dass jeder Opfer von Kriminellen trotz Videoüberwachung werden kann.

Die meisterhafte Betrügerin

Dieser Fall kommt mit einem skeptischen Saloninhaber ins Rollen, der in den Ruhestand gehen möchte und eine würdige Nachfolgerin für seine zwei Standorte in der Hansestadt sucht. Die Anwärterin, eine Friseurmeisterin  aus Polen,  ist perfekt, zu perfekt. Sie wirft mit Goldstaub um sich, um den Unternehmer, um den Finger zu wickeln. Das glatte Auftreten und die ausgezeichneten Qualifikationen kommen ihm spanisch vor. Misstrauisch macht ihn auch die Tatsache, dass die Friseurin einen finanziellen Vorschuss möchte, um den Meistertitel in Deutschland nachzuholen. Ihr polnischer Titel wird in Deutschland nicht anerkannt. Für diese Geldspritze verspricht sie ihm, sich im Gegenzug mit einer Anlage zu revanchieren, die auszahlungsreif ist.

Falsche Qualifikationen

Der Friseur hat genug gehört, er engagiert Classen. Der Detektiv soll herausfinden, ob die Bewerberin hält, was sie verspricht, und ob die Referenzliste echt ist. Es geht um viel, vor allem auch um den Ruf des alteingesessenen Friseurbetriebs, der bereits in zweiter Generation geführt wird. Classen soll auch überprüfen, ob sie Vorstrafen hat, und ermittelt mit seinen Kollegen in Polen. Die beherrschen die Sprache und können vor Ort vieles abklären. Die Dokumente, wie Zeugnisse, Referenzen und Qualifikationsnachweise werden zunächst übersetzt. Parallel laufen die Ermittlungen über die telefonische Abfrage der Referenzlisten. Classens Detektiv-Kollege überprüft die Daten und spricht mit den Salons, die sie angegeben hatte. Auch die schulischen Qualifikationen werden gecheckt, der Meistertitel beleuchtet. Der schöne Anschein der attraktiven Friseurin bröckelte recht schnell. Sie hatte ihre Vita geschmückt. Classen war einer Betrügerin auf die Schliche gekommen. Er findet schnell heraus, dass sie bei ihren Arbeitgebern regelmäßig rausgeflogen ist. Es gab weder Abschlüsse noch eine Meisterqualifikation, sie war eine ungelernte Betrügerin, die sich allzu sicher war, dass sie keiner überprüft, weil sie aus dem Ausland kam.

Mehr Schein als Sein

„Aufpolierte Qualifikationen, wir nennen es Bewerbungsbetrug, kommen leider sehr häufig vor. In Deutschland ist jeder dritte Lebenslauf gefälscht!“, weiß Classen von aktuellen Erhebungen. Sich mit erschwindelten Referenzen und Titeln zu schmücken, komme einer Urkundenfälschung gleich, so Classen. Und das ist ein erheblicher Straftatbestand. Vorstrafen hatte sie keine, aber negative Einträge, was ihre Finanzwürdigkeit anging. Glück gehabt. Wäre sie als Nachfolgerin eingestiegen, wäre das Unternehmen in eine Katastrophe geschlittert.  Im Fall der gefälschten Qualifikationsreferenzen stellte Classens Auftraggeber die vermeintlich tadellose Anwärterin zur Rede. Nach der Konfrontation der Ermittlungsergebnisse wurde die „Top-Friseurin“, als die sie sich selbst ausgab, doch sehr kleinlaut und verschwand schnell von der Bildfläche. Von einer Anzeige sah  er ab. Ein wohl häufiges Phänomen bei Friseuren. „Die meisten meiner Auftraggeber aus der Friseurbranche erstatten keine Anzeige und ziehen auch nicht vor Gericht. Sie scheuen die gerichtlichen Auseinandersetzungen und wollen auch nicht zur Zielscheibe für die Öffentlichkeit werden. Die Kehrseite ist allerdings, dass solche Betrüger dann einfach weiterziehen und ihre schmutzigen Geschäfte woanders versuchen“, zeichnet Classen das verzwickte Konfliktpotenzial.

Der schöne Schein

Ein renommierter Friseurunternehmer aus Hamburg möchte expandieren und beabsichtigt einen Salon zu kaufen. Das Geschäft klingt auf den ersten Blick lukrativ. Der Standort sei top, der Salon eine sprudelnde Goldgrube, verspricht der Verkäufer. Doch die Zahlen aus den Bilanzbüchern sprechen eine andere Sprache. Das nährt seinen Zweifel. Der Verkäufer hält dagegen. Er behauptet unter vorgehaltener Hand, dass seine betriebswirtschaftlichen Auswertungen nicht identisch mit seinen tatsächlichen Einnahmen seien. Er würde am Fiskus vorbei rechnen …Wäre ja gängige Praxis, sagt er mit einem Augenzwinkern so ganz „unter Geschäftsleuten“. Täglich kämen über 60 Kunden in seinen Salon, versucht er sein Objekt schmackhaft zu machen. Mit dem Kauf würde er goldrichtig liegen.

Strategische Standortanalyse

Der potenzielle Käufer findet das unseriöse Auftreten sehr zweifelhaft und misstraut dem Deal. Er trifft sich mit Classen in einer Hotel-Lobby und  erteilt ihm den Auftrag, den Standort unter die Lupe zu nehmen. Raoul Classen kennt Ermittlungsaufträge dieser Art auch aus der Gastronomie. Strategische Entscheidungen, wie die Standortanalyse vor dem Kauf einer Gewerbeimmobilie, werden durch Detektivarbeit untermauert. Classen soll recherchieren, ob der Laden wirklich brummt oder ein Flopp ist. In den nächsten zwei Wochen positioniert er sich vor dem Salon. Mit viel Kaffee zählt er die Kunden von seinem Auto aus. Seine Ergebnisse hält er ganz klassisch schriftlich fest. Tatsächlich ergibt die Observation ein ganz anderes Bild: Nur 15 Kunden pro Tag kommen in den Salon. Diese Diskrepanz hält er über ca. zwei Wochen fest. Das abweichende Bild genügte dem Friseurunternehmer. Classen Ergebnisse waren Entscheidungshilfe genug, von seiner Kaufabsicht zurückzutreten. Ist die Videoüberwachung ein Allheilmittel, um sich vor Verbrechen zu schützen? Wir haben mit einem Datenschutzexperten gesprochen. (et)