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14.12.2022

Preiskonzepte für die Zukunft

Baukastenpreise sind nicht mehr zeitgemäß, sagt Coach Thomas Langer. Er erklärt, warum, und was viel besser ist.

„Schneiden plus Föhnen plus Ansatzfarbe plus Materialzuschlag plus Strähnen (15 Folien) plus Neutralisierung plus Glossing plus Haarkur plus Längenzuschlag plus Energiezuschlag plus Hygienezuschlag – macht zusammen … Oh nein, ich habe den Augen-Service vergessen!“ … zu spät! Genervt? Gewohnt? Erschrocken? Ich skizziere hier eine Realität, die in einem Großteil der Friseurunternehmen in Deutschland gelebt wird. Meine Mission: Ich möchte die Arbeitskultur in Friseurunternehmen verbessern. Das Preiskonzept gehört unbedingt dazu. Es hat grundlegende Auswirkung auf die Arbeitsweise von Friseuren. Es sollte beflügeln, nicht behindern! Es gibt Preiskonzepte, die die Qualität verbessern, Kundenbegeisterung ermöglichen und den Umsatz erhöhen – und es gibt andere, die dies nicht tun. Wieso das so ist? Und was sind die besten Alternativen? Darum geht’s in diesem Artikel.

Es gibt auch Vorteile, aber ...

Beginnen wir mit Gewohntem: Baukastenpreise, wie ich sie eingangs beschrieb, kenne ich seit meiner Friseurausbildung im Jahr 1998. Es gibt Vorteile dieses Preiskonzeptes: Jeder Kunde zahlt nur das, was er auch wirklich bekommen hat. Und die Preiskalkulation ist sehr detailliert möglich. Die aufgeblähten Baukastenpreislisten, die ich kenne, zeigen jedoch, dass selbst die feinste Untergliederung einer Preisliste die hochindividuellen Kundenwünsche in der Salonrealität nicht abbilden kann.
   Was wollen unsere Kunden? Sie wollen einen individuellen und begeisternden Look, eine gute Zeit mit ihrer Stylistin oder ihrem Stylisten verbringen und sich hinterher besser fühlen. Und das zu einem klaren, vorhersehbarem Preis.
   Was wollen Friseur*innen? Sie wollen ihren Kunden Wünsche erfüllen, kreativ das Beste aus dem machen, was Kunde oder Kundin mitbringen und möglichst frei in ihren Entscheidungen ihr Kunsthandwerk leben.
   Was wollen die Unternehmensgestalter? Begeisterte Kund*innen, die höchste Qualität bekommen, glückliche Mitarbeiter*innen und dass die richtigen Preise für die Dienstleistung abgerechnet werden.
   Baukastenpreise behindern die Erfüllung dieser Bedürfnisse. Aus meiner Sicht ist das größte Problem: Baukastenpreise stehen der Kundenbegeisterung und damit der Preisakzeptanz der Kund*innen im Weg. Warum? Bei einem Baukastenpreiskonzept muss die Friseur*in jede zusätzliche Dienstleistungsidee preislich rechtfertigen, sie „verkaufen“. Es gibt Friseur*innen, die damit überhaupt kein Problem haben, aber es gibt auch die anderen.

Frust auf beiden Seiten

Ein Beispiel: Eine Kundin möchte einen neue globale Haarfarbe, ihre neue Traumfarbe! Diese Traumfarbe ist einen Ton heller als ihre aktuelle Farbe. Die Friseur*in müsste also eine Softblondierung als Zusatzdienstleistung anbieten. Denn es geht ja um die Begeisterung der Kundin. Das kostet aber extra. Liebe Kundin, wollen wir das machen? Naja, nee, lass uns machen wie immer. Die Entscheidung über den fachlichen Prozess wird über die „Preisfrage“ an den Laien, den Kunden, übertragen. Das Ergebnis: Kundenbegeisterung ade, Preisakzeptanz auch. Frust auf beiden Seiten. Fatal!
   Ein weiterer großer Nachteil der Baukastenpreise ist die mangelnde Preisklarheit für Kund*innen und für Friseur*innen. Denn je länger die Kassenbons, desto offener stehen die Türen für Vergessenspreise, Freundschaftspreise oder Angstpreise. Außerdem erlebe ich oft, dass Teamkollegen über die unterschiedliche Auslegung derselben Baukastenpreisliste auf unterschiedliche Preise kommen, und das beim gleichen Look. Preisunklarheit führt zu Unsicherheit, Anspannung, Vertrauensverlust und zu Kundenverlust.

Das ist eine Lösung!

Eine Lösung sind Preiskonzepte, die für die Zukunft taugen, indem sie die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllen: Paketpreise und Zeitpreise können das besser als Baukastenpreise. Bei Paketpreisen bucht die Kundin ihr Ergebnis. Zum Beispiel globale Farbe mit Strähnen inkl. Pflege, Schnitt und Styling für 180 Euro. Die Kundin zahlt bei Paketpreisen immer das Gleiche, auch wenn einmal eine Zusatzdienstleistung wie etwa eine Softblondierung gemacht werden muss. Denn über eine Mischkalkulation ist in jedem Farbpaket ein Teilpreis einer Softblondierung eingepreist. Der Friseur muss nichts verkaufen, Kunde oder Kundin muss nichts entscheiden, das Ergebnis wird perfekt sein!

Die Weiterentwicklung dieses Preiskonzeptes sind Zeitpreise. Die Kundin bucht Zeit mit ihrem Friseur. Zum Beispiel drei Stunden für 210 Euro. Was in diesen drei Stunden im Salon geschieht, ist abhängig vom Kundenwunsch: Für den festen Stundenpreis kann die Friseurin drei Stunden lang alles dafür tun, dass ihre Kundin begeistert den Salon verlässt. Ob sie das Haar intensiv pf legt, das Haar aufwendig färbt oder exzessiv schneidet – der Preis bleibt gleich.

Mischkalkulation und Minutenfaktor

Beiden Preiskonzepten liegt eine Mischkalkulation auf Basis des Minutenfaktors zugrunde, der im Friseurhandwerk eine solide Orientierung bildet. Wenn wir zum Beispiel mindestens 70 Euro pro Stunde Umsatz generieren, dann sind alle Kosten gedeckt und Gewinn realisiert. Welche Produkte in der Zeit eingesetzt werden und welche Handgrif fe gemacht werden, ist dann nur noch untergeordnet von Bedeutung. Ich weiß, dass die Mischkalkulation bei vielen für einen Aufschrei sorgt: zu unpräzise, keine klare BWL-Grundlage. Wenn ich mir aber anschaue, wie viele Unternehmer sich mit ihrer Preiskalkulation schwertun und ihre Preise kurzerhand von den Mitbewerbern kopieren, dann glaube ich, dass eine Mischkalkulation anhand des Minutenfaktors die bessere Variante ist.

Erfolgreicher, aber langer Prozess

Ich habe neue Preiskonzepte schon mit Unternehmen erarbeitet, auf deren Unternehmenssituation angepasst und eingeführt. Teams, Kunden und Unternehmen, alle haben profitiert. Die Kunden lieben es, dass die Services inkludiert sind, die Teams genießen eine ungekannte Handlungsfreiheit, und die Unternehmen freuen sich über zweistellige Umsatzzuwächse, die zu 99 Prozent reibungslos in die Kassen fließen. Doch Vorsicht! Ich schreibe diesen Text leicht dahin und weiß gleichzeitig: Die Gewohnheiten aufzuweichen und ein neues Preiskonzept zu finden, das alle Beteiligten gut und freudvoll tragen können, ist ein langer Prozess.

Info

 
  • Baukastenpreise: Einzelne Dienstleistungen werden addiert
  • Paketpreise: Der*die Kund*in bucht ein Ergebnis
  • Zeitpreise: Der*die Kund*in bucht Zeit mit dem *der Stylist*in
 

 

Autor Thomas Langer ist gelernter Friseur, Unternehmensbegleiter und Podcaster für eine AllWinArbeitskultur und für mehr Umsatz in Friseurunternehmen. Er ist seit 25 Jahren in der Branche tätig. Mehr Infos: friseurfreund.biz.