Miteinander, nicht gegeneinander: Kleinselbstständigen die Hand reichen und Lösungen finden, damit sie zurück ins Angestelltenverhältnis kommen. Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke

02.04.2024

Solisten wieder zu Teamplayern machen

Soloselbstständige zurück ins Angestelltenverhältnis bringen und damit gleich zwei Probleme der Branche lösen – das ist die Idee von Friseurunternehmer und „Der faire Salon“-Initiator René Krombholz. Im Rahmen der Messe TOP HAIR stellte er TOP HAIR-Redakteurin Yvonne Rieken seine Idee vor.

TOP HAIR: Herr Krombholz, Sie haben ein „Denkpapier“ formuliert. Wer soll worüber nachdenken?

René Krombholz: Ich möchte es eigentlich eher Diskussionspapier nennen. Nachdenken sollten wir in unserem Beruf alle: Friseure und Friseurinnen, Verbände und Politiker*innen. Es gibt mehrere Probleme in unserer Branche, die können wir nur gemeinsam lösen, aber eines stört mich ganz gewaltig.

Und das ist?

Die Tatsache das jeder dritte Friseursalon in Deutschland, im Gegensatz zu den Mitbewerbern, keine Umsatzsteuer abführen muss. Die Umsatzsteuerbefreiung für Betriebe, die einen Jahresumsatz unter 22.500 Euro erwirtschaften, ist eine Wettbewerbsverzerrung. Wenn der steuerzahlende Friseur 100 Euro  für seine Leistung verlangt, kann der Steuerbefreite sie (bei gleichem Gewinn) rund 20 Euro preiswerter anbieten. Fatal im derzeitigen Verdrängungswettbewerb! Das ist ein politisches Problem, denn diese Regelung ist im europäischen Recht verankert.

Diese sogenannten Kleinstunternehmen werden vom Finanzamt auch nicht geprüft, die steuerzahlenden Unternehmen umso intensiver. Das ist eine Ungleichbehandlung! Wir brauchen auch für alle Betriebe vernünftige Regelungen, das gilt auch für die Billig-Barber, die ebenfalls oft diese Steuerersparnis beanspruchen.

Wenn es um die Kleinstunternehmer geht, dann fühlen sich viele erfolgreiche Soloselbstständige, die gute Umsätze machen, auch gerne angesprochen. Aber um die geht es hier nicht, richtig?

Ganz genau. Wir müssen hier unterscheiden zwischen den Kleinstunternehmern und den erfolgreichen Solo-Selbstständigen, die die steuerbefreite Umsatzgrenze aber hinter sich gelassen haben. Das ist zweierlei.  

Neben den unfairen Wettbewerbsverhältnissen – was ist noch das Problem mit den Kleinstselbstständigen?

Das Problem ist, dass sie monatlich nur 1.888 Euro Umsatz machen dürfen: Miete, Energiekosten, Versicherungen, Wareneinsatz – was bleibt da noch am Ende des Tages? Nach Abzug all dessen haben sie in der Regel unter 1.000 Euro Bruttolohn im Monat und müssen davon noch in die Krankenversicherung und Altersvorsorge einzahlen. Da bleiben kaum Möglichkeiten für Investitionen in Weiterbildung und Entwicklung. Etliche dieser Kollegen*innen sind gezwungen, staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch zu nehmen und landen später in der Altersarmut. Keine gute Perspektive, aber das war politischer Wille.

Die Politik schickt Menschen in die Altersarmut?

Diese Entwicklung beruht auf einer krassen politischen Fehlentscheidung. Anfang des Jahrtausends haben im Friseurhandwerk rund 30.000 Menschen ihren Job verloren. Die Branche hatte das damals kaum registriert. Es war die Zeit der Währungsumstellung zum Euro, aber auch die Entstehungszeit der Discountsalons und einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Die Billigsalons boomten, niedrigere Preise und Veränderungen im Kundenverhalten ließen den Gesamtumsatz im Friseurhandwerk in den Jahren 2000 bis 2010 um satte 21,6 Prozent schrumpfen. Die Branche musste mit Kosteneinsparungen reagieren und setzte in dieser Zeit 22,9 Prozent der Mitarbeiter frei, die von der Agentur für Arbeit als Ich-AG’s gefördert wurden.

Die wurden anfangs staatlich gefördert und viele Friseure und Friseurinnen sind blauäugig in die Selbstständigkeit gegangen. Und Sie wissen, viele Friseur*innen sind einfach kaufmännisch nicht so fit.

Gab es zur Zeit des Millenniums in Deutschland rund 50.000 Friseursalons, so explodierte die Zahl innerhalb dieses Jahrzehnts auf fast 80.000. Das kam bei gleichzeitigem Umsatzeinbruch einer Katastrophe gleich. Anfangs staatlich subventioniert. waren diese jungen Betriebe schnell am Existenzminimum, wenn die Förderungen ausliefen. Was da passierte, war politisch verantwortungslos.

Und dann ist das Schwarzgeld nicht mehr weit …

Richtig. „Wovon sollen wir denn sonst überhaupt leben?“, fragte mich kürzlich eine Kollegin. Für viele ist Schwarzgeld schon eher Notwehr, die kommen da nicht mehr raus, sind wirtschaftlich am Limit. Nicht selten halten langfristige Verträge und Kredite die Betroffenen in dieser Situation gefangen.

Was ich schwarz einnehme, kann ich nicht reinvestieren, es fehlt an allen Ecken und Enden und damit an Perspektiven. Dabei könnten sie doppelt und dreifach so viel verdienen, wenn Sie ins Angestelltenverhältnis zurückkehren würden, sie hätten ein sorgenfreies Leben. 


Sie möchten den Fachkräftemangel mit der Rückkehr der Kleinstselbstständigen ins Angestelltenverhältnis bekämpfen?

Ja, das wäre ein Weg.

Von wie vielen potenziellen neuen Angestellten sprechen wir hier?

Schwer zu sagen. Die Zahl von rund 30.00 Friseur-Kleinstunternehmen enthält schließlich auch Billig-Barber, die wir kaum erreichen. Aber bereits eine Schließungsquote von 10 Prozent bei den restlichen Soloselbstständigen könnte rund 2.000 bis 2.500 neue Mitarbeiter*innen zurück in die Salons bringen.

Was muss dafür geschehen?

Hier müsste man den Kolleginnen und Kollegen die Hand reichen und Hilfestellung geben. Innungen und Verbände könnten hier bei dem Weg zurück beratend tätig sein. Aber auch die Politik ist in der Pflicht, schließlich hat sie diese Situation mit herbeigeführt und würde profitieren; statt Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter auszugeben würden dann Summen über Lohnsteuer und Sozialabgaben eingenommen werden. Vorher stellen sich Fragen: Wie kann die Hilfe für diese Friseure und Friseurinnen aussehen? Muss das über die Privatinsolvenz gehen, wie kann eine Amnestie für Steuervergehen aussehen? Ich wünsche mir, dass sich alle Beteiligten im Markt hier die Hände reichen. Ein solches Vorgehen wäre auch ganz im Sinne unserer Initiative „Der faire Salon“ und des Kodex´ für Friseure in Europa.