02.04.2024
Lässt Rosmarinöl Haare wachsen, oder ist das Blödsinn?
Social Media ist voller „kluger Tipps“. Doch muss man wirklich nach der Haarmaske noch Conditioner auftragen? Friseur und Chemiker Michael Ahlmeyer hat sich diverse Social Media Trends aus chemischer Sicht angesehen.
Es ist 6:30 Uhr, der Wecker klingelt. Ein schneller Blick aufs Smartphone: TikTok, Instagram, Threads – was mir als Erstes angezeigt wird, sind altbekannte und neue Hairfluencer*innen, Produktrezensionen, Dos and Don’ts, Hair Hacks. Genervt und nervös lege ich mein Handy wieder zur Seite. Sollte ich meine eigenen Kanäle ebenso mit Infos füttern? Im Laborkittel? Muss ich mich dabei schminken oder nebenher etwas Small Talk halten?
Wie halte ich mein Mikrofon? Was ist mein USP? Mein „wokes Ich“ schiebt diese genervten Gedanken beiseite und findet es eigentlich gut, dass sich jeder seinen „Special-Move“ zulegen und sich im weiten Netz ausleben kann. Dennoch frage ich mich: Kann man falsche Infos einfach so stehen lassen? Ich selbst merke, wie in meinen eigenen Salons Themen wie Rosmarinöl und pH-Werte aufkommen. Meine Mitarbeitenden sind überfordert – die Kund*innen ebenso. Hier lesen Sie einige Trends, die in den sozialen Medien kursieren – und ich gebe meine Meinung dazu ab als Chemiker.
Erst Maske, dann Conditioner
Es wird oft behauptet, eine Haarmaske weise einen anderen pH-Wert auf als ein Conditioner, weshalb wir reichlich Produkt verwenden und zuerst die Maske und dann einen Conditioner zum Versiegeln der Schuppenschicht anwenden sollten. Diese Annahme ist jedoch meist nicht zutreffend. Sowohl Conditioner als auch Masken sind typischerweise auf einen pH-Wert zwischen 3,67 und 5 eingestellt. Meine eigenen pH-Tests bei den gängigen Produkten haben gezeigt, dass es keinen bemerkenswerten Unterschied macht. Auch die Inhaltsstoffe sind im Wesentlichen dieselben. Zwar mag eine Kur gelegentlich mehr Pflegesubstanzen enthalten, doch dies dient vorrangig dem Verkauf, sodass kein grundlegender Unterschied besteht. Ein einfacher Wechsel in der Konsistenz durch Zugabe eines Fettalkohols vermittelt den Eindruck einer intensiveren Pflege, ohne dass dies faktisch der Fall sein muss. Conditioner als Leave-in benutzen: Ja, es kann funktionieren. Dennoch sollten Sie das auf keinen Fall machen, wenn der Hersteller dies nicht explizit auslobt! Die überwiegend verwendeten Stoffe Behentrimonium und Cetrimoniumchlorid sind in einer Leave-in-Formulierung mit maximal 2 % zugelassen. In einem Conditioner kann die Konzentration dies um ein Vielfaches überschreiten.
Rosmarinöl lässt Haare wachsen?
Die oft zitierte iranische Studie vergleicht Minoxidil (2 %) mit Rosmarinöl (0,37 %) bei Männern. Rosmarinöl wirkt anders als Minoxidil eher hormonell, ähnlich wie Finasterid (Propecia) und ist deshalb gerade für schwangere Frauen nicht geeignet und zeigt auch keine Wirkung. Zum einen sind 2 % Minoxidil unterdosiert, und zum anderen konnten die Teilnehmenden der Studie selbst im Vorher-Nachher-Vergleich keinen Unterschied wahrnehmen. Das allergene Potenzial von Rosmarinöl ist hoch und kann schnell zu Irritationen führen – Finger weg!
Kurz und knackig:
- Salz in Shampoo für Volumen: Falsch. Das Salz wird ausschließlich als Verdickungsmittel, gerade in Formulierungen mit SLS (Natriumlaurylsulfat), eingesetzt.
- Sulfate reizender als andere Tenside: Hier kommt es immer auf die Konzentration und Auswahl der Co-Tenside an. Das lässt sich nicht pauschalisieren.
- Ablagerungstest mit der Schere: Bitte niemals an einem Haar herumkratzen! Das, was Sie da sehen, ist keine Ablagerung, sondern die äußere Schicht der Haare.
- Spliss bekämpfen: Haare eindrehen und abstehende Härchen schneiden. Hilft nicht bei Spliss!
- Haarbonding / Plex: Bonding ist kein geschützter Begriff. Ein ganz normaler Conditioner darf als Bondbuilder bezeichnet werden. Wusstet ihr, dass ein „echter“ Bondbuilder viel besser mit unbehandeltem oder dauergewelltem Haar reagiert? Der Grund sind die „Thioglykolgruppen“. In blondiertem oder chemisch behandeltem Haar sind fast keine dieser Gruppen vorhanden, sodass hier auch kaum eine Reaktion stattfinden kann.
Aufruf
Sie kennen auch einen Trend, der gesundes Haar und super Volumen verspricht? Ihre Kund*innen kommen immer wieder mit einer allgemeinen Annahme in den Salon, was jetzt gerade besonders gut sein soll? Sie wollen wissen, ob tatsächlich was dran ist? Dann schreiben Sie uns eine Mail (feedback@tophair.de), und Michael Ahlmeyer wird den Trend aus chemischer Sicht begutachten.
Michael Ahlmeyer
ist Friseurmeister mit zwei Salons in Köln. Unter dem Markennamen „Michael Ahlmeyer“ entwickelt er hochwertige Haarkosmetik, nachdem er die Corona-Pandemie für ein Chemie-Fernstudium der Produktentwicklung genutzt hatte. Mehr Infos zu den Produkten und Kontakt unter: michaelahlmeyer.com