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14.01.2021

Durststrecke Corona: Auch dieser Lauf hat ein Ziel!

Corona gleicht einem Marathon, bei dem unklar ist, wie viel Strecke noch vor uns liegt.

„Zum Sprinter wird man geboren, zum Ausdauersportler wird man gemacht.“ Diesen Satz zieht Arbeitspsychologin Iris Dohmen heran, um zu veranschaulichen, was wir angesichts der Pandemie erleben. Bereits seit März laufen wir – ohne Vorbereitung, ohne Trainingsplan. Und der Lauf wird immer zäher. Wie weiter durchhalten, als Team, als Führungskraft, als Privatmensch, wenn kein Ende in Sicht ist?

Wir haben uns bereits warmgelaufen

„Die Menschen sind es leid. Wieder ein Lockdown, das ist unheimlich ermüdend“, weiß Iris Dohmen, mit der wir zum Jahresende dieses Gespräch geführt haben. Viele Salons haben Kundenschwund, kämpfen mit Verordnungen und der eigenen Angst vor dem Virus. Die gute Nachricht: Wir haben uns warmgelaufen.

Angesichts der Länge der Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen hält die Psychologin es für wichtig, sich ein Fernziel und Zwischenziele zu setzen: Das Fernziel, es irgendwann überstanden zu haben und wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Und kleine Zwischenziele mit Erholungspausen und Einteilung der Kräfte. „Kleine Dinge, die man sich für einen Tag vornimmt und die gut gelaufen sind, etwas, das einen selbst und das Team positiv gestimmt hat und wofür man dankbar ist, sollte man mehr wertschätzen.“

Es gibt nicht immer Lösungen

Gerade in diesen Zeiten sind regelmäßige Teamsitzungen, auch online, bedeutend. Sich begegnen und ein offenes Ohr zu haben für die Bedürfnisse der Mitarbeiter ist etwas, das der Chef nicht aus den Augen verlieren darf - auch wenn der Salon geschlossen ist. Ausdrücklich gehe es in solchen Besprechungen nicht darum, immer die perfekten Lösungen zu präsentieren, so Iris Dohmen. Viele Chefs hätten gerade vor dieser vermeintlichen Erwartungshaltung Angst. „Es gibt nicht für alles eine Lösung, das wissen auch die Mitarbeiter. Und man vergibt sich als Chef nichts, das auch mal zuzugeben. Mitarbeiter sind oft die besten Unternehmensberater. Man darf das ruhig mal abrufen“, rät sie. Als Chef darf man, gerade in dieser Krisenzeit, die eigene Unsicherheit vor den Angestellten eingestehen, authentisch sein und Fehler zugeben.

Maske tragen ist eine Leistung!

Sich Sorgen und Ängste anzuhören, Verständnis zu zeigen, ist auch eine Führungsaufgabe. „Ja, es ist tatsächlich eine schwere Situation. Ich stehe auf jeden Fall hinter euch und zu euch“, ist eine Botschaft, die der Chef seinem Team vermitteln sollte. Wenn der Salon wieder öffnet, vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern Ihre Wertschätzung: Es ist eine Leistung, den ganzen Tag mit einer Maske zu arbeiten, auf Hygiene zu achten, mit Maske zu beraten etc. „Es ist toll, was ihr gerade leistet. Ich danke euch!“ Ebenso muss der Vorgesetzte eine klare Orientierung geben, gerade hinsichtlich der Corona-Maßnahmen. Es sollte klar sein: „Die Regeln müssen wir einhalten, sonst muss ich das Geschäft schließen!“ Eine Balance, die einem Chef enorm viel abverlange, sagt Iris Dohmen.

Der Chef sollte Moderator sein

Klarheit und Transparenz erleichtern das Verständnis. Warum gibt es jetzt wieder diese und jene Veränderung? Wie bei den Maßnahmen, die die Regierung und die Bundesländer anordnen, gibt es vielleicht auch Maßnahmen im Salon, für die der eine oder andere mehr oder weniger Verständnis hat. Unterschiedliche Bedürfnisse treffen aufeinander. Sobald ich als Chef spüre, dass es Störungen gibt, muss ich eingreifen und als Vorgesetzter Moderator sein. „Der Chef ist dafür da, dass Konflikte auch mal hochkochen können“, so Iris Dohmen. Auch hier wieder: Gespräche führen, wenn notwendig auch mehrere.

Zeigen, dass Grundanerkennung da ist

Jeder von uns ist momentan extrem dünnhäutig. „Beginnen Sie im Gespräch daher immer mit dem Positiven“, rät die Expertin: „Du bist ein toller Mitarbeiter, aber in dieser Sache gibt es ein Problem.“ Der Mitarbeiter sollte spüren: Die Grundanerkennung ist da. Denn dann kann man Kritik aushalten. Dasselbe gilt natürlich für den Chef. Auch er muss offen sein für Kritik. Bin ich als Führungskraft selbst nicht kritikfähig, muss ich mich nicht wundern, wenn die Kollegen sich zurückziehen. Zur Wiedereröffnung nach dem 2. Lockdown muss die Gemeinschaft im Salon mehr denn je Kraft geben. Eine Idee für Teamsitzungen kann es laut Iris Dohmen sein, sich mal zu sagen, was man am anderen menschlich schätzt. Man gibt sich ja im Idealfall jeden Tag gegenseitig Halt.

Fürsorgepflicht und Selbstfürsorge

Spüre ich als Chef, dass ein Mitarbeiter überfordert ist, sollte ich ihn auch mal zur Seite nehmen und sagen: „Sag mal, so kenne ich dich gar nicht. Wie kann ich dir helfen? Kann ich dich entlasten?“ Ein Chef hat eine Fürsorgepflicht, genauso, wie er natürlich eine Selbstfürsorgepflicht hat. „Fragen Sie sich immer auch, was Sie brauchen, was Ihnen Kraft gibt“, rät die Psychologin. Gönnen Sie sich etwas, setzen Sie Zeitinseln, essen und schlafen Sie bewusst und gönnen Sie sich Pausen. „Wenn kein anderer für uns sorgt, müssen wir es selbst tun!“
In diesen Zeiten sollte man sich mehr denn je bewusst darüber sein, was an der eigenen Energie zehrt, welchen Ballast man vielleicht abwerfen muss. Und auch, was man tun kann, wenn manchmal keine Veränderung möglich ist:„Kann man der jetzigen Situation nur wenig Positives abgewinnen, nimmt man sie an, wie sie momentan ist – als Chef, Mitarbeiter und Privatperson. Auch das ist eine Befreiung“, sagt Iris Dohmen.

Negative Glaubenssätze entmachten

Sorgen und Ängste blockieren. Gedanken haben eine unglaubliche Macht, aber wir können sie kontrollieren. Ein Tipp der Psychologin: Die eigenen Gedanken prüfen, denn sie sind – noch – keine Wahrheiten. „Legen Sie einen Gedankenstopp ein. Das heißt, seien Sie sich freundlich der negativen Gedanken bewusst, um sie dann zu verabschieden und positive Gedanken einzuladen.“ Ein Beispiel: Ein Kunde ist pampig. Ich denke: „Der will mich bloß schikanieren.“ Umgedacht: „Nein, wahrscheinlich hat er gerade Stress mit seiner Frau.“ Wenn man denkt: „Ich kann nicht mehr“, umdenken in „Ich brauche eine Pause, um Energie zu tanken“. Gedanken wie „Ich kann das nicht!“ abwenden in „Ich kann das noch nicht. Deshalb hole ich mir Unterstützung.“

Als Team Resilienz schaffen

Wenn ein Team diese Krise erfolgreich überstanden hat – ohne Entlassungen und massiven Kundenverlust – dann geht man gestärkt heraus, ist Iris Dohmen überzeugt. Und: In dieser Zeit bildet sich im Idealfall das Zugehörigkeitsgefühl stärker aus, auch, wenn man sich derzeit nicht im Salon sehen kann. Das wiederum stärkt die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft. Die Zeit wird kommen, in der wir zumindest aus dem Gröbsten raus sind. „Gehen Sie dann mit dem Team in die Rückschau: ‚Was hat sich für uns auch positiv verändert? Welche Chancen sehen wir für die Zukunft? Was ist uns gelungen und was können wir besser machen?‘, sind Fragen, die Sie sich stellen sollten“, meint die Betriebspsychologin. Und nicht zuletzt ist es dann wieder Zeit, sich und seine Erfolge zu feiern. „Trinken Sie Sekt! Klopfen Sie sich auf die Schulter! Wie gut wird das tun!“

Text: Susanne Vetter

Iris Dohmen

Die Diplom-Psychologin ist Fachgebietsleiterin Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie beim TÜV Rheinland. Sie beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Themen der Betriebspsychologie und Arbeitsmedizin.