Lars Nicolaisen, Foto: Lars Nicolaisen

17.12.2021

Packen wir es an!

Gemeinsinn leben und kleinere Ziele setzen – mit diesen Ideen packt unser Kolumnist Lars Nicolaisen das nächste Jahr an.

Die Dezember-Kolumne ist immer der Moment, an dem ich auf das Jahr zurückblicke und die Tops und Flops der letzten zwölf Monate Revue passieren lasse. Dies muss heute weichen. Es ist nicht die Zeit für launige Rückblicke. Die Herausforderungen sind wirklich groß. Heute und erst recht im kommenden Jahr. Dazu drei Beispiele, wobei ich diese Liste deutlich verlängern könnte:

  • Corona mit all seinen Auswüchsen wird uns noch mindestens im ersten Halbjahr massiv begleiten. 2G? 3G? Mal plus, mal minus? Mal so, mal so? Wie kann man in diesen Phasen eigentlich Beständigkeit vorleben? Damit einhergehend die Diskussionen, welche Gelder zurückgezahlt werden müssen und welche nicht.
  • Da in unserem Beruf überwiegend junge Menschen arbeiten, dürfen wir uns mit der immer stärkeren Ego-Generation auseinandersetzen. Das Selbstbewusstsein und freie Denken vieler junger Menschen finde ich großartig und unterstützenswert, aber es stellt uns vor neue Herausforderungen, was z. B. Team-Building, Dienstleistungskultur und Bindung ans Unternehmen betrifft.
  • Ach ja, und dann dürfen wir ja auch noch die „12-Euro-Idee“ umsetzen. Das sind massive Mehreinnahmen für den Staat, finanziert von uns Unternehmer*innen. Wie dieser Mindestlohn zu realisieren ist und wie man es begründen soll, dass Menschen ohne Ausbildung und Eigenverantwortung mindestens zwölf Euro die Stunde verdienen müssen, und junge Friseur*innen, die eine dreijährige Ausbildungszeit hinter sich haben und vor Kund*innen eigenverantwortlich arbeiten, nicht wesentlich mehr verdienen können, das ist schon etwas für „Rhetorik für Fortgeschrittene“.

Diese und noch weitaus mehr Fragen stelle ich mir aktuell natürlich auch. Ich gehe davon aus, wir sitzen da alle in einem Boot. Und ich weiß ja nicht, wie es Ihnen so geht, aber manchmal denke ich: „Das schaffe ich nicht mehr.“ Wenn ich an die Herausforderungen 2022 denke, dann überfällt mich keine Begeisterung. Das sind schon dicke Bretter, die wir da alle bohren müssen. Und nicht alle von uns werden es packen. Es wird auch Verlierer geben. Und bei dem Druck, welchen ich manchmal verspüre, kann es auch durchaus mich treffen. Glauben Sie nicht? Aber na klar! Davor ist kaum jemand geschützt. Da stellt sich die Frage: Wie packen wir das Jahr 2022? Diese Frage möchte ich heute gern mit zwei Ideen beantworten:

Ich bin mir ganz sicher, wir benötigen wieder einen starken Gemeinschaftssinn. Allein wird man kaum auf all die Fragen die richtigen Antworten finden. Die richtigen Partner, die richtigen Freunde und das richtige Netzwerk sind hier gefordert. „Gemeinschaft“ ist das Zauberwort. Viele Menschen signalisieren zwar auf Instagram, Facebook & Co. ganz schnell ganz viel Gemeinschaft und Solidarität, wenn Notre Dame brennt oder wenn ganze Regionen überschwemmt werden – aber das kostet meistens auch nur einen einzigen Klick. Im „echten Leben“ ist das schon eine deutlich anstrengendere Challenge. Es kostet Zeit. Man muss sich austauschen, miteinander reden und verschiedene Standpunkte ausdiskutieren. Man muss zuhören können. Man muss eventuell neue Wege gehen. Man muss Lösungen finden, die zu einem passen. Das bedeutet, man muss sich auch mit sich selbst auseinandersetzen. Das kann unangenehm sein.

Und auch wenn ich das Wort „muss“ nicht gern verwende, so befürchte ich, war dies in diesem Absatz notwendig. Selten war es so wichtig, sich auszutauschen. Dabei kann ich leider nur bedingt helfen, auch wenn ich überlege, 2022 etwas in dieser Richtung anzubieten. Doch viel wichtiger ist es jetzt, einen Kreis zu finden, der nicht nur digital, sondern ganz besonders auch analog zusammenhält und hilft. Das ist DIE Chance für Innungen, Verbände und Industriepartner. Also schauen Sie sich um und gucken Sie, mit wem Sie die anstehenden Aufgaben gemeinsam bewältigen wollen.

Es sind gerade so viele Herausforderungen, denen ich mich stellen muss, dass es ganz schwierig ist, da immer auch eine gewisse Ruhe und Leichtigkeit zu bewahren. Abends abschalten zu können, ist für mich von immenser Wichtigkeit. Schaffe ich das immer? Nein. Aber ich schaffe das öfter, als man denkt. Wie ich das schaffe? Das ist mein zweiter Gedanke, welchen ich heute mitgeben möchte. Dazu kurz eine persönliche Anekdote:

Ich war dabei, als meine Mutter eine schwere Krebsdiagnose erhielt. Es war ein Schock. Da sagte der Arzt etwas ganz Wertvolles: „Den Kampf gegen Krebs sollte man sich vorstellen wie eine Bergbesteigung. Blickt man unten im Tal nach oben zur Bergspitze, dann denkt man sich: ,Das schaffe ich nie.‘ Schaut man aber immer nur 100 Meter weit und überlegt, wie man die nächsten 100 Meter schafft, dann wird man viele Erfolgserlebnisse haben. Und dann ist der Weg auch nicht mehr so weit. Bitte fokussieren Sie sich immer nur auf die nächsten 100 Meter.“ Diese Aussage hat nicht nur meiner Mutter, sondern auch uns als Familie viel Kraft gegeben und geholfen, durch die schwere Zeit zu kommen. Und Selbiges tue ich gerade im Geschäftsleben. Ich habe auf meinem iPad eine To-do-Liste. Diese ist auch nicht gerade klein. Jeden Morgen stehe ich auf und schaue auf die Liste. Das, was aus meiner Sicht an dem Tag am dringendsten angegangen werden muss, gehe ich an. Ich bin zufrieden, wenn ich mindestens einen Punkt pro Tag von der Liste streichen kann. Sind es mehr, umso besser. Ich mache mich aber nicht mehr verrückt. Ja, eigentlich müsste ich in diesem Moment noch vieles für unsere Salons vorbereiten, aber heute stand „TOP HAIR-Kolumne“ auf meiner Liste ganz oben, und so habe ich mich an die Tastatur gesetzt. Alles andere muss warten. Meine Erkenntnis? So verrückt es ist, aber die Welt geht nicht unter, wenn man nicht alles gleichzeitig bearbeitet. Aber das, was man bearbeitet, wird meistens qualitativ besser. So wie hoffentlich auch dieser Text.