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24.07.2023

Friseurinnung Düsseldorf startet Ausbildungsoffensive

Unter dem Motto „Wer macht Morgen?“ sagt Obermeisterin Monika Schmitter Ausbildungsbetrieben Unterstützung zu.

Vor dem Hintergrund von lediglich 17.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Jahr 2022 stellt sich die Friseurinnung Düsseldorf die Frage: „Wer macht morgen?“ und startet eine gleichnamige Ausbildungsoffensive. Rene Krombholz, Pressesprecher der Innung, führte dazu ein Interview mit Obermeisterin Monika Schmitter.

Rene Krombholz: Die Ausbildungsvergütung im Friseurhandwerk ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und trotzdem diese Rückgänge?
Monika Schmitter:
Im Jahr 2022 lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen im bundesweiten Gesamtdurchschnitt bei 1.028 Euro und damit erstmals über 1.000 Euro pro Monat. Die Ausbildungsvergütung im Friseurhandwerk liegt somit deutlich im unteren Drittel aller Ausbildungsvergütungen. Die Ausbildungsvergütungen im Friseurhandwerk sind jedoch für die Betriebe schwer zu stemmen, besonders am Beginn der Ausbildung trägt der/die Auszubildende nicht zu einem erhöhten Umsatz bei. In anderen Ausbildungsberufen können Auszubildende sofort wie Hilfskräfte eingesetzt werden und somit Umsätze erwirtschaften.

Erschwerend ist die Tatsache, dass viele der frischgebackenen Gesellen/ innen nach der Prüfung den Friseurberuf direkt verlassen. Dieses, obwohl die Gehälter in den letzten Jahren deutlich angehoben wurden. Was ist der Grund? Ist die Qualifikation zum Salonalltag vielleicht nicht ausreichend?
Bei der Höhe der Gehälter sehe ich hier das gleiche Problem wie bei der Ausbildungsvergütung. Die höheren Tariflöhne im Friseurhandwerk sind für den Betrieb schwer zu erwirtschaften und trotzdem für den Mitarbeiter, im Verhältnis zu anderen Gehältern, eher gering. Auch sehe ich ein Problem darin, dass in einem sehr anstrengenden Beruf in dem man sich permanent um Menschen kümmert (ähnlich wie in der Pflege) die Wertschätzung gering ausfällt. Damit meine ich die Wertschätzung des Mitarbeiters durch den Kunden, Familie, Freunde aber in Teilen auch die Wertschätzung der Leistung des Mitarbeiters durch den Arbeitgeber.

Ausbildung: das duale Ausbildungssystem wird in Europa gelobt - in Deutschland finden sich zunehmend Kritiker. Welche Änderungen brauchen wir?
Das duale System in Deutschland wird auf breiter Ebene bei allen, die mit beruflicher Bildung zu tun haben, sowohl im In- als auch im Ausland hoch gelobt. Nirgendwo sonst gibt es in breiter Form für viele Menschen den Zugang zu hoher beruflicher Bildung, ohne!!! dass den Menschen Kosten entstehen. Die Kosten für die berufliche Bildung in unserem dualen System trägt allein der Arbeitgeber, kein Staat!!! und auch nicht die Eltern!!! der jungen Menschen. Ich denke, dass die Kritiker des dualen Systems im Wesentlichen seine enorme Leistung nicht verstehen. Diese Leistung müssen wir besser kommunizieren. Ausbildung ist Ausbildung und kein „Job“. Gleichzeitig müssen wir Handwerksmeister, die ausbilden, dabei unterstützen, sich auf veränderte Bedürfnisse junger Menschen einzustellen. Dies kann insbesondere durch Fortbildung z.B. im Bereich wertschätzender Führung gelingen. Die Politik in Europa hat dieses nicht verstanden und sieht in erster Linie die Zugangsbeschränkung zur freien Berufswahl. Dies ist einigen Ländern um uns herum ein Dorn im Auge, auf Basis der EU wird darum versucht diese Zugangsbeschränkung zu verringern bzw. aufzulösen.

Das Friseurhandwerk verzeichnet 30 % Kleinstunternehmen mit einer Monatseinnahme von maximal 1.833 €, die kostenmäßig keinen Ausbildungsplatz finanzieren können. Hinzu kommen Barber, deren Zahl im Jahr 2022 um 19 % gewachsen ist und die ebenfalls nicht ausbilden. (im Vergleich Friseurhandwerk 2022 = 3 %) Ist das ein Problem für das Friseurhandwerk?
Im Friseurhandwerk ist jeder dritte Betrieb Umsatzsteuerbefreit und führt somit auch keine Einkommensteuer ab. Oft sind diese Betriebe nicht durch eine/n Friseurmeister/in geführt und dürfen somit gar nicht ausbilden. Bei den Barbern wird nur ein minimaler Teil, der zum Berufsbild gehörenden Dienstleistungen, ausgeübt. Aus diesem Grunde ist eine Ausbildung auch hier nicht möglich. Wie ein Unternehmen, welches nur 90 € Umsatz pro Öffnungstag erwirtschaftet, seine Kosten, insbesondere die Salonmiete in Düsseldorf bezahlt, wage ich gar nicht zu überlegen.“

Mit Ihrer Friseurinnung versäumen Sie keine Chance, diesen Beruf in Ausbildungsbörsen, beim Azubi Speeddating oder anderen Veranstaltungen bekannt und jungen Leuten schmackhaft zu machen. Wie ist die Resonanz?
Dieses Jahr waren wir konsequent bei allen angebotenen Veranstaltungen dabei. Die Resonanz ist sehr groß, aber auch wir müssen uns noch mehr mit den Formaten auseinandersetzen und hier besser werden.

Unter dem Motto „Wer macht Morgen“ planen Sie jetzt eine neue Ausbildungsoffensive für die Friseurinnung Düsseldorf. Warum tun Sie das und was soll hier geschehen?
Fachkräftemangel, insbesondere im Handwerk, ist in aller Munde, aber keiner hat wirklich eine Vorstellung davon, welche Auswirkungen das in 10 oder 15 Jahren auf unser Leben haben wird. Im schlimmsten Fall sitzen wir mit ungepflegten zotteligen Haaren, schlechtsitzenden Zähnen und einer Brille, durch die wir nicht schauen können in einer kalten Wohnung, in der die Toilettenspülung nicht funktioniert und essen Fertiggerichte aus der Tiefkühltruhe. Das ist eine entsetzliche Vorstellung, finde ich!!! Handwerksberufe passen voll in unsere Zeit, hier wird eine hohe Wertschöpfung ressourcenschonend generiert. Unsere Ausbildungsoffensive soll dieses transportieren, junge Menschen ansprechen und Ausbilder bei ihrer Aufgabe unterstützen. Die Unterstützung der Innung für die Ausbildungsbetriebe wird sich über ein weites Feld - durch die Lieferung notwendiger Formulare zum Ausbildungsbeginn bis hin zu Unterstützung im Gespräch erstrecken.

Einen Lehrvertrag zu unterzeichnen, das bedeutet auch eine gegenseitige Verpflichtung für rund 3 Jahre, oft mit ungewissen Ausgang. Darum weist Monika Schmitter auf die sogenannte Einstiegsqualifizierung, auch EQ genannt, hin. Die EQ wird vom Arbeitsamt finanziell gefördert. Die Einstiegsqualifikation ist ein gefördertes Praktikum für Personen, die möglicherweise noch nicht ausbildungsreif sind. Dies kann z.B. sein, wenn die Sprachkenntnisse nicht ausreichen oder der Schulabschluss schon mehr als ein Jahr zurückliegt und dient als Vorbereitung auf eine Ausbildung. Die Agentur für Arbeit erstattet auf Antrag des Betriebs monatlich einen Teil der Vergütung (max. 262 Euro) und den Sozialversicherungsbeitrag in Höhe von 133 Euro. Also insgesamt € 395,-. Die 262 Euro werden an den Arbeitgeber überwiesen und dem Teilnehmer ausgezahlt - Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, ob er diesen Betrag aufstockt. Es ist wichtig, die EQ Teilnehmer zur Berufsschule zu schicken. So kann, bei guten Leistungen des Teilnehmers, die EQ- Zeit vollständig auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. Nach Ablauf erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat der HWK und ein Zeugnis vom Betrieb. Der Vertrag muss der HWK vorgelegt werden. Ansprechpartner für diese Maßnahme ist der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit.