Anwältin Hannah Lindermann reichte die Klage für Sandra Stiemert beim BVG ein. Foto: Wild Beauty

05.05.2021

Friseurin reicht Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz ein

Die Friseurin Sandra Stiemert wird wie viele der rund 80.000 Friseure in Deutschland durch die beiden Lockdowns finanziell hart getroffen. Nun erhebt Sandra Stiemert Verfassungsbeschwerde gegen das Bundesinfektionsschutzgesetz. Das Unternehmen Wild Beauty in Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt unterstützt diese Beschwerde.

Sandra Stiemert betreibt in Biederitz in Sachsen-Anhalt einen Friseur- und Kosmetiksalon, in dem sie fünf Angestellte beschäftigt. Sie musste ihren Friseurbetrieb ein erstes Mal im Frühjahr 2020 schließen und ein zweites Mal vom 16. Dezember 2020 bis Ende Februar 2021. Durch diese Schließungen erlitt sie hohe Umsatzeinbußen, die staatliche Corona-Hilfsprogramme nur zum Teil ausgleichen.
Die Friseurin erhielt während der Schließungen Kurzarbeitergeld für ihre Angestellten. Für die zweite Zwangsschließung wurde ihr im Rahmen der „Überbrückungshilfe III“, nach monatelanger Verzögerung, ein Teil der hohen monatlichen Fixkosten für den Salon ersetzt. Allerdings ist in dieser „Überbrückungshilfe III“ kein Ausgleich für den Unternehmerlohn vorgesehen, der ihr als Selbstständige während der Schließungen entgangen ist.

Private Rücklagen aufgebraucht

Private Rücklagen musste Sandra Stiemert aufbrauchen, um die Verluste aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und die Erfüllung der Hygiene- und Schutzauflagen zur Wiedereröffnung ihres Salons auszugleichen. Nur ein hoher KFW-Förderkredit, der verzinst zurückzuzahlen ist, bewahrte ihren Salon bisher vor der Insolvenz und die Mitarbeiter vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde will Sandra Stiemert vom Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, dass das Infektionsschutzgesetz mit ihren Grundrechten aus Artikel 14 Abs. 1, Artikel 12 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, soweit es keine finanzielle Entschädigung für die Folgen der Betriebsschließungen vorsieht.

In einem Parallelverfahren hat Sandra Stiemert zudem eine Zahlungsklage gegen das Land Sachsen-Anhalt erhoben. Darin fordert sie Ersatz des ihr entgangenen Unternehmerlohns während des ersten Lockdowns für Friseure im Frühjahr 2020 und während des zweiten Lockdowns von Mitte Dezember 2020 bis Ende Februar 2021. Bisher haben die Zivilgerichte in anderen Verfahren einen solchen Entschädigungsanspruch allesamt abgelehnt. Dennoch hofft Sandra Stiemert auf einen positiven Ausgang des Verfahrens oder jedenfalls auf eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Noah Wild, Geschäftsführer von Wild Beauty, erklärt dazu: „Unabhängig davon, wie die Gerichte entscheiden, werden die Entscheidungen nicht nur für Sandra Stiemert, sondern für alle Friseurbetriebe richtungsweisend sein. Deshalb unterstützen wir ihre Verfassungsbeschwerde.“