22.10.2021
Reklamationen? Ja bitte!
Der erste Reflex bei einer Reklamation ist verständlicherweise Abwehr. Und dass Mitarbeiter*innen eine Verteidigungsposition einnehmen, ist an der Tagesordnung. Eine Beschwerde als Chance zu begreifen, fällt nicht leicht. Wie das künftig besser gelingen kann, verrät Maja Schneider, Expertin für Kundenbegeisterung.
Es gibt einfache Mittel und Wege, einer kritischen Situation erst einmal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und eine Reklamation tatsächlich in besagtem Augenblick, vor allem aber langfristig, für eine umso stärkere Kundenbeziehung zu nutzen. Auch wenn es im Moment der Beschwerde so gar nicht danach aussieht ...
Eine Kundin oder ein Kunde stürmt wutentbrannt an die Rezeption und will SOFORT den*die Chef*in sprechen. Für den*die Mitarbeiter*in kommen damit verbundene „Anklagen“ meist überfallmäßig. Er*Sie wird von einer Sekunde auf die andere voll und ganz in Beschlag genommen. Jeder von uns, der auch nur annähernd einmal eine solche Situation erlebt hat – ob im direkten Kundenkontakt oder am Telefon – weiß eines sicher: Die Versuchung, zum Gegenangriff auszuholen, ist groß. Und mit jedem weiteren Wort, Satz und Vorwurf wächst dieses Verlangen schier ins Unermessliche.
Ja wer hat denn nun Schuld an der ganzen Sache?
Also machen wir, noch während der Kunde eifrig vor sich hin wettert, unsere Munition schussbereit. Wir stehen sozusagen in Position, legen uns im Kopf mündliche Zurückweisungen zurecht oder suchen nach Rechtfertigungen. Wäre doch gelacht, wenn wir mit ihm oder ihr nicht fertigwerden. Irgendetwas oder -jemand findet sich schon, dem wir die Schuld notfalls in die Schuhe schieben können. Und wenn es der*die Kunde*in selber ist, weil er*sie etwas falsch bestellt, nicht richtig gelesen oder sich überhaupt zu wenig informiert hat. Wahlweise bilden sich Kunden*innen ja auch nur etwas ein.
Schnell taucht man da eher gegen- als miteinander in ein heftiges Wortgefecht ein. Eine völlig unnötige Diskussion über Recht und Unrecht scheint vorprogrammiert. Die Schuldfrage schwebt unwiderruflich im Raum. Und der Super-GAU in Sachen Kundenbeziehung ist damit perfekt. Die Frage, die bleibt, lautet: Wie schaffen wir es zurück zum Kunden oder haben wir überhaupt eine Chance, diesen wieder zu begeistern?
Mit Abstand betrachten ... fördert den Anstand
Betrachten wir das alles einmal mit etwas Abstand und der nötigen Weitsicht, wird schnell klar: Oben beschrieben ist die denkbar schlechteste Variante, um mit der kritischen Situation adäquat umzugehen. Genau diesen Abstand – und sei es nur innerlich – brauchen wir, um die Gefühle des Kunden und damit die ganze Situation in ruhigeres Fahrwasser zu überführen. Und so die Basis zu schaffen für eine für beide Seiten gute Lösung. Denn diese ist es, die wiederum die Basis bildet, Kund*innen doch noch zu begeistern.
„Der Kunde hat nicht immer Recht, aber oft einen triftigen Grund. Diesen zu erkennen, hilft zur Lösung des Problems vorzudringen.“
Maja Schneider
Am einfachsten gelingt dies, wenn wir uns SOFORT um das Anliegen kümmern – ohne Wenn und Aber! Und dazu braucht es vor allem eines nicht: den Chef! Oder nach wem auch immer gerade verlangt wird. Wie es Mitarbeiter*innen gelingt, mit Geschick, Gelassenheit und Verständnis den verärgerten Gast in einen glücklichen zu verwandeln, zeigen folgende Reklamations-Hacks:
#1: Beschwerden immer auf der Sachebene belassen
Einen wütenden Kunden oder eine wütende Kundin zu besänftigen, ist im ersten Moment keine angenehme Angelegenheit. Grundsätzlich gilt: Jegliche Kritik niemals persönlich nehmen und sachlich bleiben. Auch wenn der Kunde sich selbst unfair und aggressiv verhält, sollten Sie ihm stets freundlich und verbindlich begegnen. Zudem hilft es, sich bewusst zu machen, dass ihr oder ihm vielleicht ganz nebenbei eine andere Laus über die Leber gelaufen ist. Er/Sie würde sich sonst niemals so aufregen. Bleibt das grundlegende Problem also persönlich beim Kunden, lässt das den*die Mitarbeiter*in in der Sache souveräner wirken und entsprechend agieren.
#2: Einen sicheren Raum kreieren
Bei einem wütenden Kunden sollten Sie – wann immer möglich – auch örtlich bewusst aus der Situation herausgehen, das Beschwerdegespräch also nie an der Rezeption stattfinden lassen. Auch wenn es dort seinen Anfang nimmt. Am besten ist es, den Kunden ganz bewusst in ein schönes Eckchen zu führen, in dem man in Ruhe über das konkrete Problem sprechen kann. Kreieren Sie einen sicheren Raum, um die angespannte Situation zu entschärfen und zugleich individuell auf den Kunden zu- und einzugehen. Dieser muss vom ersten Augenblick an stets das Gefühl haben, dass Sie helfen können – und wollen.
#3: Verständnis zeigen
Wichtig ist, dass die Kundin oder der Kunde sich mit seinem Problem ernst genommen fühlt. Geben Sie ihr*ihm die Aufmerksamkeit, die sie*er sich wünscht und dabei die Gelegenheit, das Ärgernis noch einmal im Detail zu schildern. Hören Sie in jedem Fall aktiv und aufmerksam zu. Bestenfalls machen Sie sich schriftliche Notizen. Signalisieren Sie Verständnis für das Problem mit Äußerungen, wie 'Ich kann Sie verstehen'. Ein offener Umgang mit der Situation ist wirkungsvoll und zeigt dem Kunden, dass mit seinem Anliegen achtsam umgegangen wird.
#4: Bedauern ausdrücken
Ganz unabhängig davon, wer oder was Verursacher des Problems ist – mit der Äußerung 'es tut mir leid' zeigen Sie als Mitarbeiter*in souverän und auf Augenhöhe Ihr Bedauern, gestehen aber noch keinen Fehler. Liegt dieser nach Prüfung doch beim Unternehmen, ist in jedem Fall eine klar formulierte und ehrlich gemeinte Entschuldigung angebracht. Es erhöht die Chancen enorm, den Kunden versöhnlich zu stimmen. Fakt ist: Die Meinung des Kunden ist IMMER wichtig und genau dieses Gefühl müssen Sie ihm geben. Das hilft mit, ihn persönlich zu besänftigen und die Situation im Allgemeinen zu entschärfen.
#5: Dem eigenen Unternehmen gegenüber loyal bleiben
Schuldzuweisungen gegenüber Kollegen oder gar der Geschäftsleitung sollten tunlichst vermieden werden. Aussagen, wie 'Ach, da hat der Kollege wohl mal wieder nicht richtig zugehört.‘ oder ‚Wenn ich das gewusst hätte, wäre der Fehler nie passiert' sind ein absolutes No-Go. Dieses Verhalten hinterlässt nicht nur einen höchst unprofessionellen Eindruck beim Kunden, es trägt vor allem auch wenig bis überhaupt nichts zur Problemlösung bei. Und genau die streben wir an!
#6: Gemeinsam einen Weg zur Lösung finden
Nachdem Sie sich einen guten Überblick über die Situation und Problematik verschaffen konnten, heißt es nun eine Lösung zu finden. Gemeinsam mit dem Kunden wird eruiert, wie seine Vorstellungen aussehen. Gleichzeitig prüfen Sie als Mitarbeiter*in, welche Möglichkeiten das Unternehmen anbieten kann. Dieser Prozess sollte in einem Ergebnis enden, das für beide Seiten zumindest akzeptabel ist – im Idealfall begeistert es den Kunden aber so, dass er bei nächster Gelegenheit seinem Umfeld davon berichtet.
So wie sich Probleme und verärgerte Kunden*innen nicht immer vermeiden lassen, so lässt sich in den meisten Fällen auch eine gute Lösung finden. Vorausgesetzt die Mitarbeiter*innen eines Unternehmens sind so gefestigt und gelassen zugleich, dass sie sich von einem unzufriedenen Kunden nicht anstecken lassen.
Und dabei geht es nicht einmal immer nur um Reklamationen, also eine klassische Mängelrüge. Ob Beschwerden, Kritik oder Widerspruch, ein Protest, Einwand oder einfach ein Kunde, der „schwierig“ ist – im Grunde genommen geht es für Unternehmen immer nur um eines: Gut geschulte Mitarbeiter*innen wissen nicht nur, wie sie Beschwerde-Kund*innen wieder beruhigen und zufriedenstellen können. Sie sind darüber hinaus auch in der Lage, diese Menschen letzten Endes für ihr Unternehmen wieder zu begeistern.
Maja Schneider, Expertin für Kundenbegeisterung, ist Smiling Customer. Ausgebildet im Hotel liebt sie den Moment, wenn der Kunde erkennt, dass es um ihn geht. Mittlerweile unterstützt sie auch Unternehmen anderer Branchen dabei, den Service zu durchleuchten und auf das nächste Level zu heben. www.smilingcustomer.de |