Hohe Abbrecherquoten, immer weniger Bewerber: Wie kann die Branche die Ausbildungsmisere lösen? Foto: Adobe Stock / Microgen

24.11.2023

René Krombholz zur Ausbildungsmisere: „An einem Strang ziehen“

Sinkende Ausbildungszahlen, hohe Abbrecherquote: TOP HAIR im Gespräch mit René Krombholz zu der immer schlechteren Ausbildungssituation der Branche.

Umfrage-Ergebnis zur Frage: "Überstunden werden finanziell/zeitlich ausgeglichen" *
Umfrage-Ergebnis zur Frage: "Überstunden werden finanziell/zeitlich ausgeglichen" *

TOP HAIR: Herr Krombholz, warum tut sich die Branche so schwer, ihre Zukunft mit gutem Nachwuchs zu sichern?
René Krombholz: Die heutige Azubis-Generation ist ganz anders aufgewachsen als ihr Elternhaus und damit auch die Ausbilder*innen. Das Netz hat sie mit erzogen, ein immenser Wertewandel ist erfolgt. Diese viel gescholtene Generation Z sucht nach Werten, Wertschätzung und einem Sinn in ihren Tätigkeiten. Diese jungen Menschen wollen lernen und leistungsfähig bleiben. Sie wollen ernst genommen werden, mitgenommen werden und Verantwortung übertragen bekommen. Sie wollen sich entwickeln. Darin liegt eine große Chance! Ich erlebe aber immer wieder in meiner Arbeit für die Innung und auch in Umfragen unter Berufsschulen, die ich über die Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ gemacht habe, dass die Realität völlig anders aussieht: Überstunden oder Trainingszeiten werden nicht gutgeschrieben, Werkzeuge und Material werden nicht gestellt. Das ist das genaue Gegenteil von Wertschätzung. Und das Netz zeigt dieser Generation, dass es andere Branchen eben auch ganz anders machen. Und dass man schon als Lehrling dort auch ganz andere Einkünfte erzielt.

* Ergebnisse einer Umfrage unter Berufsschülern im Westerwald von 2019 im Rahmen der Initiative "Der faier Salon".

Mit der Innung Düsseldorf, deren Pressesprecher Sie sind, haben Sie eine Ausbildungsoffensive gestartet. Was steckt konkret dahinter?
Die Innung bietet unter anderem Seminare für die Ausbilderinnen in den Betrieben. Beispielsweise haben die Betriebe häufig Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Arbeitsmappe für die Prüfung. Hier stimmen Inhalt und Ergebnis oft nicht überein, sodass den Prüflingen Punkte abgezogen werden. Der Grund ist zumeist, dass die Ausbilder*innen zu wenig begleiten und kontrollieren. Es fehlt das Bewusstsein und auch wieder die Wertschätzung. Sowohl mit der Ausbildungsoffensive als auch mit der Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ zielen wir auf einen Konsens, auf den gemeinsamen Strang von Betrieb und Azubi. Alle müssen zufrieden sein, um im Endeffekt die Kund*innen als unsere Geldbringer zufrieden zu machen.

Ergebnis zur Frage: "Werkzeug wird kostenlos gestellt" *
Ergebnis zur Frage: "Trainings/Seminarzeiten werden erstattet" *

Was muss sich ändern, um das Friseurhandwerk für junge Menschen attraktiver werden zu lassen?
Wenn wir in den Köpfen junger Menschen verankern könnten, dass zu jedem bekannten Influencer, Künstler oder jedem erfolgreichen Menschen ein optimiertes Erscheinungsbild, insbesondere eine passende Frisur gehört, wären wir schon einen Schritt weiter. Das entspricht mehr dem Beruf des Schönheitsdienstleisters oder Beraters und kommt der Sinnsuche bei der Berufswahl junger Menschen deutlich entgegen. Aus Sicht junger Menschen muss ein erfolgreiches (Ausbildungs-)Unternehmen unabdingbar auch in den digitalen Medien aktiv und präsent sein. Was für Azubis auch Betätigungsfeld und zugleich Motivation sein könnte und zudem dem Anspruch nach Modernität entspricht. Ein Großteil unserer Salons zeigt sich veraltet bis einfallslos, Billigsalons, 10-Euro-Barber – Unternehmen, die für Kundinnen (und damit auch Mitarbeiter*innen) begehrenswert sind, gibt es zu wenige. Problem ist hierbei auch das Schwarzgeld-Szenario, das in dem Überlebenskampf vieler Salons eine Weiterentwicklung in jeglicher Hinsicht unmöglich macht. Hier bedingt das eine das andere. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr und werden unterlaufen. Höhere Löhne sind ein Zeichen der Anerkennung sagt auch der „Kodex für Friseure in Europa“, und wir Unternehmer müssen diese höheren Löhne unbedingt mit hoher Qualität im Markt durchsetzen und finanzieren. Solange wir aber vorgenannte Missstände dulden, Meisterbriefe an Scharlatane vermieten, Schwarzgeld und Schwarzarbeit tolerieren, entziehen wir uns selbst die Grundlagen. Wir müssen als Branche gemeinsam und auf breiter Front diese Themen angehen! Das betrifft nicht nur Innungen und Verbände, sondern ALLE! Sollten wir diese Punkte einmal überwunden haben, wird es auch wieder gute Karriereaussichten geben. Die haben wir heute aber leider nur vereinzelt.

 

Leitlinien für Ausbildungsbetriebe der Initiative "Der faiere Salon"

In Anbetracht der schwierigen Lage im Ausbildungssektor des Friseurhandwerks haben die Friseurinnung Düsseldorf und die Wertegemeinschaft Leitlinien für das Ausbildungsverhältnis erarbeitet. Sie umfassen gegenseitig geltende Punkte zu den Bereichen:

  • Kundenorientierung und äußeres Erscheinungsbild
  • Werte und Verhalten g Ausbildungsqualität und Weiterentwicklung
  • Ressourcen und Unterstützung
  • Arbeitszeitregelung
  • Entlohnung
  • Dokumentation
  • Kommunikation

IM GESPRÄCH

René Krombholz
Der Friseurunternehmer ist Gründer der Wertegemeinschaft „Der faire Salon“.