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22.09.2023

Nach Einführung in Bremen: „Bloß kein Fonds!“

Das Land Bremen bekommt einen Ausbildungsfonds. Kritik daran kommt auch aus dem Friseurhandwerk.

Der Bremer Senat beschloss im März 2023 einen Ausbildungsfonds für alle Betriebe, die ausbilden. Die Idee ist, stark verkürzt: Alle Betriebe zahlen ein und diejenigen, die Auszubildende haben, erhalten Geld zurück. Die Kritik von Arbeitgeberseite an diesem Fonds ist so groß, dass sogar dagegen geklagt wird (s. Kasten).

Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks (ZV) im Juni 2023 äußerte Bremens Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke seinen Unmut über den Fonds und beschwor die Friseure: „Kämpfen Sie dafür, dass Sie keinen verpflichtenden Fonds bekommen.“ ZV-Präsidentin Manuela Härtelt-Dören versprach in ihrer anschließenden Rede, dass man sich vehement gegen einen Ausbildungsfonds einsetzen wolle und stattdessen steuerliche Entlastungen für ausbildende Betriebe fordere.

Zwang von oben

Die Aussage von Härtelt-Dören überrascht im ersten Moment: War es doch der ZV, der noch vor wenigen Jahren sehr daran interessiert war, eine Sozialkasse für die Branche zu etablieren. „Das ist nur scheinbar ein Widerspruch“, erklärt ZV-Justiziar Lukas Kohl in einem späteren Gespräch. Die Zielrichtung von Ausbildungsfonds und Sozialkasse würden sich zwar überschneiden, dennoch gäbe es einen Unterschied: „Der Ausbildungsfonds ist ein Landesgesetz, d.h. wir reden hier von einem staatlichen Zwang, der für alle Branchen und Zweige gilt, die ausbilden.“ Die Sozialkasse hingegen ist eine tarifvertragliche Lösung: „Sie hätte den Vorteil, dass sie im Rahmen eines durch uns ausgehandelten Tarifvertrags erstellt und branchenspezifisch nur für Friseure gelten würde – dafür aber bundesweit“, sagt Kohl.

Einen positiven Nebeneffekt einer Sozialkasse lässt Kohl nicht unerwähnt: „Man hätte ein Instrument zur Bekämpfung der Schwarzarbeit geschaffen.“ Alle in der Handwerksrolle eingetragenen Betriebe mit mindestens einem Angestellten, so die Idee 2017, sollten in einer zentralen Stelle erfasst werden und mit der Sozialversicherung abgeglichen werden können. „Man hätte eine gewisse Kontrollmacht“, erklärt der Justiziar des Zentralverbands.

Theorie vs. Praxis

Was in der Theorie gut klingt, gestaltete sich allerdings in der Praxis schwierig. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das die Ausbildungsausgleichskostenkasse der Schornsteinfeger für teilweise unzulässig erklärte (Urteil vom 31.01.2018- 10 AZR 279/16; s. Kasten), beendete schließlich auch die Ambitionen des ZV: Rechtlich problematisch bei der Kasse der Schornsteinfeger war die Einbeziehung der Solo-Selbstständigen. Genau das sah aber auch das Konzept des ZV seinerzeit vor. Das Land Bremen umschifft diese rechtliche Klippe mit einer Verhältnismäßigkeits-Klausel: Ganz kleine Unternehmen können sich vom Ausbildungsfonds befreien lassen.

Auch der Zentralverband blickt gen Norden und beobachtet die Entwicklung in Bremen. Die Sozialkasse sei nicht aus den Köpfen, sagt Kohl, aber das Thema werde derzeit auch nicht aktiv besetzt. Im Forderungspapier, das der ZV im Rahmen der Mitgliederversammlung publik machte, setzt man auf eine Ausbildungsprämie. Jedoch: Wenn Unterstützung durch eine Prämie gefordert wird, kann es eben auch passieren, dass die Politik genau auf das zusteuern möchte, was man auf gar keinen Fall will, sagt Kohl: einen Ausbildungsfonds.

Widerstand gegen den Bremer Fonds

Das sind die Argumente der Kritiker:

  • Zusätzliche Belastung der Unternehmen durch Erhöhung der Bürokratie
  • Zusätzliche finanzielle Belastung
  • Wettbewerbsnachteil für Bremer Betriebe
  • Es gibt nicht zu wenig Ausbildungsplätze, sondern zu wenig Azubis

Die Kritiker wollen den Ausbildungsfonds juristisch überprüfen lassen:

Die Arbeitgeberseite der Handwerkskammer Bremen, die IHK für Bremen und Bremerhaven, die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen, die Apothekerkammer Bremen und die Zahnärztekammer Bremen hatten im Juli eine gemeinsame Klage gegen den Ausbildungsfonds beim Staatsgerichtshof Bremen eingereicht. Sie haben verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Fonds.

Mehr zum Ausbildungsfonds: ausbildungsfonds-bremen.de

BAG-Urteil

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte, dass die Tarifvertragsparteien „nicht regelungsbefugt sind für Solo-Selbstständige“, die nicht beabsichtigen, Mitarbeiter einzustellen. Die Tarifvertragsparteien hätten „ihre Regelungsmacht überschritten, soweit sie sog. Alleinhandwerker oder auch Solo-Selbständige den tariflichen Mindestbeitrags- und Auskunf tspflichten unterworfen haben“, urteilte das Gericht.

Geklagt hatte die Ausbildungskostenausgleichskasse, die von Verbänden aus dem Schornsteinfegerhandwerk gegründet worden war. Beklagt war ein Schornsteinfeger, der weder einen Angestellten noch einen Lehrling beschäftigte und dies auch nicht durfte, und sich nicht verpflichtet sah, in die Kasse einzuzahlen. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Die Klägerin ging in Revision und bekam vor dem Landesarbeitsgericht Recht. Nach erneuter Revision durch den Beklagten entschied dann das BAG zugunsten des Schornsteinfegers.