Arbeitet mein Friseur nachhaltig? Kunden der Zukunft stellen noch mehr Fragen als heute. Illustration: Denis Holzmüller

27.01.2016

Blick in die Zukunft: zwölf Friseursalon-Visionen

Sie wollen wissen, was die Zukunft bringt? Der Blick in die Glaskugel hat uns geräuschlose Föhne, Touchscreen-Schaufenster und Geheimsalons gezeigt

  1. Nachhaltigkeit

    Verbraucher wollen wissen, was in ihren Produkten steckt, wo und wie sie produziert werden – und setzen sich kritisch damit auseinander. „Biokosmetik erlebt einen regelrechten Boom, immer stärker auch direkt beim Friseur. Die Mega­trends hin zur Nachhaltigkeit, zur Individualisierung und die zunehmende Bedeutung von Gesundheit und Wellness spielen für den Friseur des 21. Jahrhunderts eine ganz wichtige Rolle“, ist sich Mag. Katharina Kron­steiner (CulumNatura) sicher. „Darüber hinaus gibt es auch eine Klientel, welche sich etwas Besonderes gönnen möchte. Das Besondere muss sehr hohen Standards entsprechen, die neben bester Qualität die Reinheit und Natürlichkeit der Inhaltsstoffe ebenso betreffen, wie eine top professionelle ganzheitliche Beratung. Der Kunde entwickelt immer mehr den Anspruch, echte Zuwendung und Aufmerksamkeit vom Friseur zu bekommen. Das heißt auch, entgegen dem megaschnellen Tempo unserer Gesellschaft kleine Oasen der Ruhe und des Wohlbefindens für sich zu nutzen.“
  2. Beauty Docs

    „Healthy Beauty“ – bei diesem Megatrend verschmelzen die früher klar getrennten Bereiche Gesundheit und Schönheit miteinander, erklärt Elmar Mussenbrock (Kao). Gesundheit wird zunehmend als Grundvoraussetzung für gesunde, schöne Haare erkannt, ebenso die Bedeutung der Kopfhaut als Schnittstelle zwischen Haar und Körper. Aus dieser Entwicklung gelangen verstärkt medizinische Themen in den Salon. Der Friseur muss Kopfhautprobleme diagnostizieren können. Als Experte kann er diese selbst behandeln oder mit Ärzten aktiv kooperieren. Elmar Mussenbrock sieht den Friseur in einer Vision sogar als „medizinischen Verschönerer, der korrektive (Haar-)Verschönerung mit Diagnosen und Behandlungen auch auf DNA- und Zellebene“ durchführt.
  3. Flexibel sein

    Friseure müssen lernen, flexibel zu sein – hinsichtlich ihrer Öffnungszeiten, Arbeitszeiten und Einsatzorte. Die Kunden erwarten, dass sich der Friseur ihren modernen Lebens­umständen anpasst. „Oftmals haben genau die Frauen und Männer, die gutes Geld verdienen und sich einen Rundumservice beim Friseur leisten können, selten Zeit, zu den ‚normalen‘ Öffnungszeiten zum Friseur zu gehen“, gibt Eric Kater (Joico) zu bedenken. Andererseits steige durch die Gesellschaft und Social Media der Druck auf die Kunden­ 24 Stunden täglich an 7 Tagen der Woche kamera­bereit zu sein und gut auszusehen, so Elmar Mussenbrock (Kao). Für den Friseur heißt das, mobil zu sein und seine Dienstleistungen im Büro, im Haus der Kunden oder beim Event am Abend anzubieten. Im Hinblick auf moderne­ Frauen, die anspruchsvolle und zeitraubende Berufe haben, wirft Paul Gehring (Alcina) noch ein: „Diese Frauen brauchen Frisuren, die nicht viel Aufwand erfordern, aber immer elegant sind.“
  4. Produktentwicklung

    Im Zuge der Globalisierung wird die Weltbevölkerung immer facettenreicher, und das bedeutet gleichzeitig eine größere Vielfalt an Haartypen und Texturen, gibt Jason Yates (Paul Mitchell) zu bedenken: „Produkte müssen einerseits den individuellen Ansprüchen der Kunden genügen, gleichzeitig multiple Nutzen bieten und den Alltag erleichtern. Natürliche Inhaltsstoffe, wissenschaftlicher Anspruch, top Styling-Ergebnisse und Haargesundheit gehen in Zukunft Hand in Hand. Gut informierte Konsumenten interessieren sich zunehmend für präventive Haarpflege“, so Yates. Paul Gehring (Alcina) glaubt wiederum an einen Trend zu Unisex-Produkten „Insbesondere technische Weiterentwicklungen werden den Salonbesuch und die Friseurdienstleistung verändern“, sagt Diana Schantz (Welonda). „Denkbar sind beispielsweise Föhne, die ohne Geräuschentwicklung arbeiten, Schneidegeräte mit Absaugung, so-dass nicht länger Schnitthaare herumfliegen, oder auch eine Absaugung, die fest am Platz installiert ist. Immenses Entwicklungspotenzial bietet der Spiegel, wenn man ihn mit digitaler Technik kombiniert und mit dem Handy vernetzt. Da könnte man einen Frisurenentwurf per 3-D-Scanner anschauen und gemeinsam besprechen.“ Sabine Weinstein-Hanner (Matalla) widmet ihre Vision dem Licht: „LEDs sind längst tragende Gestaltungselemente und werden diese Rolle noch stärker ausfüllen, beispielsweise als Tapeten. Transparente oder opake LED-Glasscheiben bieten die Möglichkeit, per Fernbedienung gesteuert zu werden, mit Einblendmöglichkeiten für Werbung.“
  5. Scheren

    Was wäre der Friseur ohne seine Schere?­ Ständig im Einsatz muss sie nicht nur durch ihre Schneide-Performance überzeugen. „Vor allem ergonomische und gesundheitliche Aspekte werden vermehrt eine Rolle bei der Entwicklung neuer­ Modelle spielen“, ist sich Tim Hilger­ (Kasho) sicher. Als persönlichstes unter den Arbeitsgeräten muss die Schere die Individualität des Stylisten und seinen Style­ widerspiegeln, weiß Susanne Henschel (Jaguar). „Modisches Statement spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Werfen Sie einen Blick in Ihren Kleiderschrank: klassisch, konservativ, minimalistisch, bunt, gedeckte Farbtöne? Hier zeigt sich die Persönlichkeit und trotzdem bleibt die Hose ein Kleidungsstück mit zwei Beinen.“ Das kann auch Elke Rahmann (Tondeo) bestätigen und ergänzt die genannten Kaufkriterien noch um eine weitere Entwicklung: den Trend zu immer größeren Scheren mit langem Blatt.
  6. Service & Verkauf

    Die Salonkunden werden sich zukünftig noch stärker selbst und online (via Social Media) über Produkte informieren. „Entscheidend wird in diesem Prozess die Kundenbeziehung. Der Erfolg einer Marke hat nicht mehr nur mit ihrem Aussehen oder dem Merchandising der Ware zu tun, sondern mit der direkten Erfahrung ihres Angebots (Kundenserviceerfahrung) und der Fähigkeit, Beziehungen mit den Verbrauchern zu schmieden. Die Kunden­serviceerfahrung wird Preis und Produkt als Unterscheidungsmerkmal überholen!“, führt Paul Gehring (Alcina) aus. Von sofort erlebbaren Mehrwerten und Inspiration spricht in diesem Zusammenhang Christophe Schmutz (L’Oréal) und ergänzt: „Besonders ,In-Salon-Experience‘ mit professioneller Beratung und persönlich abgestimmtem Beauty-Programm und Produkten wird für Salons die Zukunft sein.“ Dieser Meinung ist auch Jason Yates (Paul Mitchell), sieht aber auch die Gruppe der Salonverweigerer weiter wachsen. „Hilfestellungen für das einfache Styling zu Hause können da das Band zwischen Friseur und seinen Kunden festigen“, so Eric Kater (Joico).
  7. Digitaler Salon

    Das Internet und digitale Medien werden weiter an Bedeutung gewinnen. „Zur Gewinnung neuer Kunden und Mitarbeiter, zur positiven Darstellung der gesamten Branche und nicht zuletzt zur Inspiration­ von Stammkunden und Team gehört ­neben den klassischen Wegen auch die digitale Kommunikation“, hält Carola Wacker-Meister (Wella) fest. Was bedeutet das für den Salonauftritt? Auf jeden Fall  eine gepflegte, für Mobilgeräte angepasste Website mit allen wichtigen Informati­onen, eine Facebook-Seite mit relevanten, aktuellen Inhalten, und als Sahnehäubchen Instagram. Wichtig ist, den Salon regelmäßig zu googeln, um Bewertungen und Ergebnis-Ranking zu überprüfen, so Carola Wacker-Meister. Und was noch? Apps, Tablets, Video Tutorials, 3-D-Brillen, Onlinebuchungen, Bezahlen per Handy. „Auch die Beratung kann bereits digital im Vorfeld stattfinden. Lager­haltung und Warenbestellung werden durch entsprechende Erkennungssysteme automatisiert“, ergänzt Sabine Weinstein-­Hanner (Matalla). Multimedi­ale Bedien­plätze mit individuellem Service, Begrüßungen etwa per implementierter Displays im Spiegel, Typ- und Produkt­beratung mithilfe­ von digitalen Frisurenbüchern, digitale Kundenkonten am Platz mit Karteikarte, Terminkalender und ­Rabattaktionen sieht Rainer Dudda (Idea) in seiner Zukunftsvision. „Die Privatsphäre­ wird zurückkehren, und so werden auch vereinzelte Bedienplatz-Kabinen wieder in Mode kommen. Dann kann der Kunde in Ruhe im Spiegel seine E-Mails abrufen.“  „Und vielleicht wird es bis 2020 auch schon ein Touchscreen-Schaufenster geben: Man steht davor, sieht sein Spiegelbild, berührt das Schaufenster und erhält eine Vorstellung davon, wie der neue Haarschnitt oder die Haarfarbe einem steht, entscheidet sich dann, in den Salon zu gehen und diesen Service zu buchen“, stellt sich Eric Kater (Joico) die Zukunft vor.

    In Sachen Kassensoftware werden sich Cloud-Lösungen weiter etablieren, sind sich Erwin und Sebastian Blanka (Star Online) sicher: „Alles Plug and Play nach der Devise ‚Du hast einen Computer und lädst die Software aus dem Netz‘.“ Und Dieter­ Bögelein (ECS) merkt mit Blick auf die komplexen Systeme und Organisationsabläufe noch an: „Eine professionelle Hilfe über Chat, Telefonsupport mit und ohne Onlineunterstützung muss für Hard- und Software gewährleistet sein. Die Entwicklung eines Diagnose- und aktiven Hilfe­systems sowie einer Wissensdatenbank für die Anwender wird das zukünftige Serviceangebot  abrunden.“
  8. Expertise beweisen

    Die Verbraucher wollen immer häufiger auf Spezialisten zugreifen können, auch unter den Friseuren. Hier gilt es, den Salon in Bezug auf Zielgruppe und Dienstleistung zu positionieren. „Dabei können salonexklusive Dienstleistungen, neue Services wie eine Styling- oder Föhnbar, Maniküre während der Coloration oder eine Look-Bar zur Inspiration, gewinnbringend und absolut zeitgemäß sein“, erläutert Christophe Schmutz (L’Oréal). ­Elmar Mussenbrock (Kao) spinnt die Vision­ weiter: „Der Friseur wird zum Stilberater von Kopf bis Fuß oder sogar zum Concierge, der alle angesagten Locations und Events kennt und sein Insiderwissen mit den Kunden teilt. Er kann sein Angebot auf Mode, Einkaufsberatung, Accessoires, Bücher, Düfte erweitern oder Kooperationen mit anderen Experten wie Stylisten, Make-up-Artisten, Dermatologen­ eingehen.“ Mit der Spezialisierung wird eine Verkleinerung der Salons einhergehen, ist sich Diana Schantz (Welonda) sicher. Die einen werden  sich zu kommunikativen Zentren entwickeln, die anderen zu Oasen der Ruhe. Sicher kein Massenphänomen, dennoch ein Trend: Versteckte Friseur- und Kosmetik­geschäfte ohne Werbung. „Sie befinden sich auf höheren Etagen, nicht auf Straßenniveau, sind bewusst auf wenige Kunden (keine Laufkundschaft) ausgelegt und nicht im Social Network vertreten. Im Zeitalter von Facebook und Instagram ist nichts spannender als das Private!“, weiß Paul Gehring (Alcina).
  9. Extensions

    Qualitativ hochwertige Haarintegrationen mit „unsichtbaren“ und „unspürbaren“ Verbindungsstellen sowie gesunden, gepflegten Haaren, die immer schneller eingesetzt werden können, so sieht Mag. Christine Röck (Hairdreams) die Zukunft der Haarverlängerung. „Der Extensionsmarkt geht ebenfalls ganz klar in Richtung Haarverdichtung.“ Da ein immer größerer Bevölkerungsanteil Probleme mit feinem bzw. schütterem Haar hat, ergibt sich daraus das größte und wichtigste Wachstumspotenzial am Markt. Der größte Problembereich ist jedoch der Oberkopf und hier werden speziell angepasste Haarverdichtungs­lösungen benötigt.“ Anwendungen dieser Art werden zukünftig als normale Beauty-Tools wahrgenommen, die man wie eine Anti-Falten-Creme nutzt, um Schönheitsdefizite auszugleichen, so die Prognose von Röck.
  10. Haarfarben

    Wie entwickelt sich der Umsatzmotor Farbe weiter? „Die größte Herausforderung der Haarkosmetikindustrie wird es sein, eine möglichst natürliche und schonende Haarfarbe herzustellen“, glaubt Paul Gehring (Alcina). Elmar Mussenbrock (Kao) sieht das größte Potenzial für Salons in temporären Farb- und Textur­leistungen, damit sich Looks und Farben schnell, nach Lust, Laune und Anlass ändern können. Trendforscherin Euro­pa Bendig wiederum ist überzeugt, dass Kundinnen ihren Typ mit Haarfarben unterstreichen werden, „die nicht einfach rauswachsen, sondern auf definierte Art verblassen.“
  11. Make-up

    Das richtige Make-up macht den Total Look perfekt. Doch anders als bisher, wo sich alles auf das Augen- und Lippen-Make-up konzentriert hat, rückt in Zukunft der perfekte Teint in den Mittelpunkt, weiß Frauke Albrecht (Alcina). Die aktuell populäre Technik des „Contouring“, die bewusst mit Licht und Schatten im Gesicht arbeitet, entwickelt sich als „Strobing-Concept“ fort. „Regelrechte Make-up-Rituale mit dem Ziel, Licht zu schaffen, einen möglichst perfekten, makellosen, dabei aber natürlich und gesund wirkenden Teint zu erarbeiten, ist das Make-­up Know-how der Zukunft. Dies funktioniert im wahrsten Sinne des Wortes ‚glänzend‘ mit der neuen Generation Pigmente am Markt, die nicht nur Farbe geben, sondern Licht brechen, reflektieren und den Teint egalisieren.“
  12. Weiterbildung

    Der Friseur wird als Experte rund ums Haar gefragter sein denn je. Um sich im Massenmarkt abzuheben, zählt Individualität – im Salonkonzept wie im Angebot an Dienstleistungen. Spezialisierung ist das Stichwort. Hier sieht Christian Müller (Friseurschule Studio Weiden) die große Herausforderung. Da der Trend zu immer kleineren Betriebsgrößen gehe, sinke die Ausbildungsfähigkeit und -bereitschaft, sagt Müller. „Teilweise laufen die Auszubildenden im Salon nebenbei mit. Auch werden einige Ausbildungsinhalte nur am Rande oder gar nicht vermittelt. Dadurch fehlen den Azubis später natürlich wichtige Grundlagen. Meines Erachtens wird die Kooperation mit den Friseurschulen immer wichtiger. Wir können die Grundlagen gezielt und effektiv vermitteln und zugleich das Niveau auf dem hohem Standard halten.“ Jörg Müller (Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks) blickt ins Jahr 2025: „Schönheit hat Konjunktur. Die Dienstleistungen der knapp 70.000 Salons in Deutschland werden noch komplexer und umfangreicher sein. Denn die Branche hat mit zahlreichen Initiativen die Dienstleistungsquote in den Salons erfolgreich erhöht. Mehr denn je sind Friseure die Experten rund ums Thema Schönheit. Eine progressive Tarifpolitik wurde durch diese Entwicklung möglich und hat für Professionals neue Karrierechancen gebracht. Vielleicht lesen wir ja bald vom ersten Bachelor of Beauty …“.

Autoren: Aletta Helsper, Stephanie Hladik, Kordula Küper