29.11.2017

Suzan Schlag: "Ich liebe, es zum Friseur zu gehen"

Seit rund einem halben Jahr hat Suzan Schlag bei L’Oréal Professionelle Produkte die Zügel in der Hand. TOP HAIR traf sie zum Gespräch.

Wer österreichischen Schmäh erwartet, wird enttäuscht. Zwar hat Suzan Schlag zwei Jahre in Österreich für L’Oréal den Retailmarkt geleitet. Eigentlich aber stammt sie aus Siegen, war neun Jahre in Düsseldorf ansässig und lebt nun wieder in Meerbusch. Die Gegend ist ihr vertraut. Aber das Friseurgeschäft?
Suzan Schlag: Als Kundin habe ich es immer geliebt, zum Friseur zu gehen, weil ich mir damit selbst etwas Gutes tue. Ich habe sehr stapazierte­ Haare, dazu noch Locken. Da gebe ich mich schon gern in professionelle Hände. Meine Friseurin weiß ganz genau, was ich brauche! In den letzten Monaten habe ich nun viele Friseure als Kunden getroffen und war beeindruckt von der Wärme, der Kreativität und Offenheit, die mir entgegengebracht wurden. Das spiegelt genau das wider, was ich als Kundin so liebe, wenn ich zum Friseur gehe.

TOP HAIR: Bei aller Sympathie: Der Friseurmarkt ist anders als Retail, kleinteiliger, emotionaler ... 
Suzan Schlag: Ja, natürlich ist die Kundenstruktur im Retail anders. Da haben wir es mit vielen größeren Einheiten zu tun, es gibt sehr strategische Verhandlungen ... Ich persönlich empfinde es aber durchaus als Vorteil, nun manches „von außen“ zu sehen. In einer Zeit, in der sich vieles verändert, sind Neugierde und Unbefangenheit das Beste, was man mitbringen kann. In den letzten 15 Jahren bin ich vom Konsumenten geprägt worden. Das ist es, was uns von L’Oréal und den Friseur zusammenbringt. Der Kunde ist unser gemeinsames Interesse. Ja, Friseure sind emotional, aber auch an ihrem Geschäft interessiert. Sie denken unternehmerisch mit Blick auf ihre Kunden. So arbeite ich auch. Ich fühle mich hier absolut richtig.

TOP HAIR: Viele Friseure hatten in den letzten Jahren den Eindruck, L’Oréal habe sich aus dem Friseurmarkt beinahe schon verabschiedet, nur noch den Endverbraucher im Blick. Wo sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
Suzan Schlag: Wir werden uns natürlich auch weiterhin mit der Reise des Konsumenten beschäftigen – gemeinsam mit dem Friseur. Wer ist die Zielgruppe, die in den Salon kommt? Wie können wir sie erreichen? Die Markenbotschaft, die wir nach draußen tragen, funktioniert nicht unabhängig vom Friseur, sondern nur mit dem Friseur. Das ist mir sehr wichtig. Vielleicht haben wir das nicht immer klar genug zum Ausdruck gebracht. Daran arbeiten wir, denn, den Friseur weiterzuentwickeln, z. B. über neue Services oder „Salon Emotion“, ist unsere Zukunft. Unsere gemein­same Zukunft!

TOP HAIR: Dabei hat L’Oréal in den vergangenen Jahren viel auf digitale Strategien gesetzt. Friseure aber betreiben ein Geschäft am Menschen. Ist Digitalisierung da nicht nur ein Schlagwort?
Suzan Schlag: Es ist viel mehr als ein Schlagwort, es ist fast schon das Mantra, mit dem wir arbeiten. Im Leben des Konsumenten sind digitale Medien, Smartphones, iPads allgegenwärtig. Für den Friseur sind digitale Medien eine Riesen-Chance, zu zeigen, was ihn ausmacht: tolle Flechtfrisuren, Strähnentechniken, Farbe etc. Das muss man zelebrieren, damit der Kunde die Überzeugung bekommt: Das ist mein Friseur! Da machen wir schon sehr viel: Workshops z. B., bei denen wir gemeinsam Content erarbeiten, der dann ins Netz geht, um die Reise des Kunden am Ende in den Salon zu führen. Das sind für mich sehr konkrete Digitalisierungs-Maßnahmen.

TOP HAIR: Viele Friseure fürchten das Internet als Konkurrenz für den Produktverkauf.
Suzan Schlag: Da muss man der Realität ins Auge sehen: Das Internet geht nicht mehr weg. E-Retail wird nicht verschwinden. Wir sehen das in anderen Branchen: Alle, die E-Retail akzeptiert und schneller als die anderen überlegt haben, wie sie den Unterschied machen, haben gewonnen. Ich denke, es ist elementar, darüber nachzudenken, wie kriege ich Kunden, die online einkaufen, auch wieder in meinen Salon. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Weiterbildung: L’Oréal investiert unglaublich viel in Education. Aber wir müssen einfach akzeptieren, dass aufgrund des Mitarbeitermangels künftig nicht mehr so viele Leute in Vor-Ort-Seminare gehen können wie bisher. Auch hier können digitale Strategien helfen, Education in die Salons zu bringen, ohne überall physisch präsent zu sein. Wenn die Kollegen nicht mehr zwei, drei Tage zu uns kommen können, sondern nur noch eineinhalb, kann man mit Online-Education vieles vorbereiten. Das Training am Kopf wird es immer geben, aber digital ergänzt. Nicht alle Friseure sind heute 100 Prozent digital, da haben Sie recht, aber wenn wir jetzt nicht starten, haben wir in vier, fünf Jahren den Anschluss verpasst.

TOP HAIR: Sie haben es angesprochen: Das größte Problem im Friseurmarkt sind die fehlenden Mitarbeiter. Mit „My Beauty Career“ und der „Beauty School“ hat L’Oréal zwei Initiativen angestoßen – und damit nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Wie geht es hier weiter?
Suzan Schlag: Die Beispiele zeigen, dass es dabei kein „quick win“ gibt, sondern nur sehr lange, intensive Arbeit. Bei „My Beauty Career“ sind wir in enger Abstimmung mit den Jobcentern. Hinter der „Beauty School“ stand eine große Vision: Wie kann ich junge Leute in acht Monaten so fit machen, dass sie sich im Salon selbst ihre Erfolgserlebnisse schaffen können. Da gab es viele Widerstände, da haben wir vielleicht auch nicht alle Stellen früh genug involviert. Wir werden dieses Projekt nicht fortsetzen, das grundsätzliche Problem aber bleibt. Auch da werden digitale Strategien eine große Rolle spielen, wenn Mitarbeiter über ihr Netzwerk ihre Freude am Beruf teilen und so Interesse für die Branche wecken und als Botschafter wirken.

TOP HAIR: Wie will L’Oréal sich künftig im Friseurmarkt positionieren? Ist Barbering für Sie ein Thema?
Suzan Schlag: Was mich bei L’Oréal von Anfang an gepackt hat, war die Innovationskraft. Der Barber-Trend kam wie Phönix aus der Asche. Und natürlich wollen wir da mitspielen. Freuen Sie sich im ersten Halbjahr 2018 auf eine Neuerung bei Redken! Ansonsten werden wir uns auf unsere Kernkompetenzen Coloration und Services besinnen. Semipermanente Haarfarben und natürliche Produkte wie „Aura Botanica“ bleiben weiterhin ein Thema.