Mary Cromeans (rechts) bei einem Paul Mitchell Hands on-Seminar in Frankfurt am Main, Foto: Markus Schmidt, mas-foto.de

29.09.2022

Stundenhonorar als Preismodell für Friseursalons

Mary und Robert Cromeans rechnen die Dienstleistungen im Salon pro Stunde ab. Wie sie kalkulieren, welche Vorteile es hat, warum sie von allen Kunden die Kreditkarten hinterlegen und wie die Kunden reagieren:

Durch die drei US-Lockdowns in der Corona-Pandemie hat Robert Cromeans (Saloninhaber und Global Artistic Director sowie Business Director bei John Paul Mitchell Systems in den USA ) die Hälfte seines Salonteams verloren. Er war gezwungen viel zu verändern. Inzwischen versteht er diese schwierige Zeit als Chance für sein Unternehmen.

Was hat sich im "A Robert Cromeans Salon" geändert?

Es wurde unter anderem ein Stundenhonorar für die Dienstleistungen eingeführt, ähnlich wie bei anderen Handwerkern oder Anwälten. Robert Cromeans: „Gehälter werden pro Stunde berechnet, wieso dann nicht auch Eure Preise?“

Der Stundenpreis kalkuliert sich aus dem Preis für einen Haarschnitt plus 20-30%. Für diesen Preis kann der Friseur alle Treatments verwenden. Das Honorar auf Stundenbasis bringt dem Kunden wiederum mehr Preistransparenz. Und der Gang zu Kasse wird auch für diejenigen Friseure leichter, die Skrupel haben, den Kunden eine „zu hohe“ Rechnung zu stellen und daher nicht alle genutzten Treatments zum vollen Preis verrechnen.

Wieso hat Robert Cromeans das Preismodell auf Stundenbasis eingeführt?

Vor 3 Jahren wollte eine Kundin, der bisher die Haare dunkel gefärbt wurden, blond werden. Die Kundin hatte ihren Termin um 14 Uhr, war aber nur für ein Touch up eingebucht.
Mary Cromeans (Ehefrau und Teammitglied von Robert Cromeans und Educator bei JPMS): „Ich wollte den Termin nicht machen, wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte und sagte: ‚Das kostet 150 Dollar die Stunde und dauert voraussichtlich 6 bis 7 Stunden.‘ Dadurch wollte ich sie eigentlich abschrecken, um sie auf einen neuen Termin zu buchen, an dem ich den ganzen Tag Zeit für sie habe. Aber die Kundin hatte Geburtstag und wollte unbedingt sofort blond werden. Ich habe es also gemacht. Eine Kollegin, die eine Terminlücke hatte, hat mir geholfen. Die Kundin zahlte am Ende 900 Dollar, weil es 6 Stunden gedauert hatte und sie war sogar noch froh, dass ich ihr nicht 300 Dollar die Stunde berechnet hatte, weil wir zu zweit gearbeitet hatten.

Hinterher wollte ich dann wissen, wie ich mit der Preiskalkulation lag, rechnete die einzelnen Positionen der Behandlung zusammen und kam ziemlich genau auf den Rechnungspreis von 900 Dollar. Allerdings: Ich kenne mich, ich hätte ihr nicht so viel in Rechnung gestellt, hätte das Pre-Treatment, den Toner, das After-Treatment und die zusätzlichen Blondierungsschälchen nicht berechnet. Tatsächlich musste ich nämlich alle Services zweimal machen, weil ihre Haare so dunkel waren und sie so blond werden wollte.

Für mich war diese Abrechnung toll, denn ich konnte alles einfach anwenden, ohne dass ich es mit dem Budget der Kundin gegenchecken musste. Und sie wusste, es dauert nicht länger als 6 Stunden und kostet nicht mehr als 900 Dollar.“

Was sind die Vorteile der Bezahlung auf Stundenbasis?

Mary Cromeans: "Seitdem versuche ich das Stunden-System bei allen Gästen anzuwenden, auch bei Haarschnitten, wo das Minimum eine Stunde ist. Die Kunden verstehen das Preismodell viel besser, als wenn ich ihnen jeden Arbeitsschritt aufzähle. Sie wollen letztlich wissen, was sie am Ende bezahlen müssen.

Für den Saloninhaber ist es auch besser, denn oft wird das Extra-Material für zusätzlich verwendete Farbe, Toner, Treatments nicht abgerechnet, und ich als angestellte Friseurin verdiene dann auch weniger. Bei diesem Preismodell kann ich als Friseur*in alle Produkte verwenden und sie werden auch bezahlt.“ 

Was ist die wichtigste Voraussetzung, damit das Preismodell funktioniert?

Die Kundenberatung. Im Rahmen der Beratung wird der Stundenpreis und Aufwand (die Dauer) klar kommuniziert, bevor die Dienstleistung beginnt.

Bei jeder Termin-Reservierung wird die Kreditkarte als Sicherheit hinterlegt

Mary Cromeans: „Wir kommunizieren nicht nur den Preis während der Beratung, sondern hinterlegen bei jeder Reservierung auch die Kreditkarte der Kunden. Wir belasten die Karte nicht, sondern hinterlegen sie als Garantie. Vor dem Re-Start 2020 hatten wir auch Stornobedingungen, denen wir aber nicht wirklich nachgegangen sind, weil wir die Kreditkarten nicht schon vor dem Termin hinterlegt hatten.

Wenn eine Kund*in nun telefonisch einen Termin ausmacht, erklären wir zum einen, dass wir ihre Kreditkartendaten sicher hinterlegen, und dass sie dadurch später kontaktlos zahlen kann. Außerdem erklären wir ihr, dass sie den Termin bis zu 24 Stunden vorher kostenlos absagen bzw. umbuchen kann.“

Sagt die Kund*in rechtzeitig ab, wird die Warteliste abtelefoniert und die Terminlücke wieder gefüllt. Möchte die Kund*in die Daten nicht preisgeben, wird die Reservierung nicht aufrechterhalten. Erklärt man jedoch den Kunden den Hintergrund, zeigen die meisten Verständnis und hinterlegen die Kreditkarte. Mary Cromeans: „In den letzten drei Jahren haben wir vielleicht zehn Kunden fürs Nichterscheinen zahlen lassen.“

Gibt es Ausnahmen bei den No-Shows?

Das hängt von den Kunden und der Situation ab. Gute Kunden, die nie zu spät absagen und morgens absagen, weil sie krank geworden sind, müssen nicht gleich zahlen. Sie werden an die Stornobedingungen erinnert.
Mary Cromeans: „Wir machen einen Courtesy Call: ‚Erinnerst Du Dich, dass wir über die Stornobedingungen gesprochen haben? Du hast uns nicht 24 Stunden vorher Bescheid gegeben. Du kommst aber immer und sagst nie ab, ohne uns anzurufen. Nur damit du bescheid weißt: Wir hinterlegen deine Absage in der Kundendatei und falls es nochmal vorkommt, muss ich dir den ausgefallenen Termin in Rechnung stellen.‘ It’s Business.“

Was passiert, wenn der Friseur der Kund*in den Termin absagt?

Robert Cromeans hat lange gezögert, das Kreditkartensystem in die Stornobedingungen einzuführen. Genau wie viele Salonbesitzer*innen weiß er, dass es im Team immer ein, zwei Mitarbeiter*innen gibt, die sich samstags krankmelden und man ihre Kundentermine absagen muss. Deshalb wird der Kund*in 50 Prozent auf den nächsten Termin bei dieser Friseur*in gewährt.