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24.11.2022

Sind Sie ein Wintertyp? Wie Friseure die passende Haarfarbe finden

Welche Haarfarbe steht wem? Die vier Jahreszeiten stehen Pate für die gängige Farbtypologie. Aber ist dieses Schema für die Beratung im Salon noch zeitgemäß? Erfahren Sie, was hinter der Farbberatung beim Friseur steckt.

Farben umgeben uns seit dem ersten Tag unserer Ausbildung und sind ein ständiger Begleiter. Wir überlegen genau, in welchen Farben unser Salon erstrahlen soll, und sobald eine Person unseren Salon betritt, analysieren wir unwillkürlich verschiedene Merkmale und kreieren im Geiste bereits die perfekte Farbkreation.

Wir haben immer das Ziel vor Augen, dass die Person nach unserem Schaffen besser aussieht als vorher. Dabei nehmen die Farbberatung und die Analyse des Farbtyps einen wichtigen Stellenwert ein. Doch wie finde ich diesen Farbtyp heraus? Gibt es überhaupt einen Farbtyp? Lässt sich jeder in so ein Raster zwängen?

Johannes Itten und der Farbkreis

Unzählige Künstler*innen und Wissenschaftler*innen haben sich über die Jahrhunderte hinweg mit Farben und Farbwirkungen auseinandergesetzt. Zu ihnen gehörte auch der Kunstpädagoge Johannes Itten, der vielen von uns durch das Bauhaus und nicht zuletzt durch den 12-teiligen Farbkreis bekannt ist. In vielen Publikationen wird er auch als der Begründer der Farbtypenlehre propagiert. Seine Theorien zur Farbwirkung und den Beziehungen von Farben als Farbakkorden im 12-teiligen Farbkreis führten im Lauf der Zeit zu dem Konzept der Jahreszeitentypen.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter - die Jahreszeiten in der Farbtypberatung

Im Zentrum dieses Konzeptes stehen die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ein entscheidendes Merkmal ist hier die Temperatur der Farben. Dabei werden der Frühling und der Herbst den warmen sowie der Sommer und der Winter den kalten Farben zugeschrieben. Ein weiteres Merkmal ist die Helligkeit der Farben. Dem Frühling und dem Sommer werden eher hellere Nuancen, dem Herbst und dem Winter eher die dunkleren Nuancen zugeschrieben. Auf diese Weise wurde versucht, die Vielfalt der Menschheit in ein, man könnte schon sagen recht simples und starres Raster zu packen.

Das 12er-Farbtypensystem

Doch wie passt es in das Raster, wenn man einen vermeintlichen Frühlingstyp betrachtet und trotzdem die vermeintlich passenden Farben als nicht optimal empfindet? Als weiteres Merkmal kam die Sättigung ins Spiel und kreierte das 12er-Farbtypensystem, das auf den Jahreszeiten aufbaut.

Unter der Sättigung verstand man die Klarheit bzw. die Intensität einer Farbe. Eine Farbe kann demnach klar und intensiv oder eher dezent bzw. weich wahrgenommen werden. Damit sich aus den Merkmalen Temperatur, Helligkeit und Sättigung auch zwölf Typen ergeben, wird die Einteilung hierbei durch das dominante Merkmal vorgenommen.

Hier ein Beispiel: Dem Frühling werden die Merkmale hell, warm und klar zugeschrieben. Ist hell das dominante Merkmal in Verbindung mit dem Merkmal warm, ergibt sich der helle Frühlingstyp (hell + warm = heller Frühlingstyp). Ist klar das dominante Merkmal in Verbindung mit warm, ergibt sich der klare Frühlingstyp (klar + warm = klarer Frühlingstyp). Wird dieses Konzept weitergeführt, ergeben sich somit je drei Varianten der vier Jahreszeiten und somit zwölf Farbtypen.

Beatrix Isabel Lied und die 9er -Farbtypologie

Doch was ist, wenn einem vermeintlich warmen Farbtyp trotz aller Regeln auch ein kalter Farbton subjektiv gesehen gut steht? Darauf hat Beatrix Isabel Lied eine Antwort. Sie verfolgt mit ihrer 9er-Farbtypologie einen ähnlichen und zugleich doch unterschiedlichen Ansatz. Ihr Konzept verfolgt die bekannten Merkmale Temperatur und Helligkeit. Neben dem warmen und kalten Typ propagiert sie jedoch auch einen Typ, der sowohl warme als auch kalte Farben tragen kann. Ebenso gibt es auch bei der Helligkeit einen Mitteltyp.Aus den drei Helligkeitsvarianten und den drei Temperaturvarianten ergeben sich neun verschiedene Farbtypen. Somit schließt dieses Konzept eine Lücke oder anders ausgedrückt, es schafft Platz für die Personen, die nicht in die anderen Raster passen.

3 Kennzeichen für die Farbtypbestimmung

Egal, welchem Ansatz man bei einer Farbtypbestimmung folgt, es gibt bestimmte Punkte, die dabei zu beachten sind:

  • Die natürliche Haarfarbe
  • Die Augenfarbe
  • Der natürliche Hautton oder auch der Unterton der Haut

Die Deckhaare sind immer etwas durch die UV-Strahlung der Sonne ausgebleicht, deshalb sollte die Helligkeit immer mindestens auf Höhe der Hutlinie oder darunter bestimmt werden. Ebenso erhalten die Deckhaare durch die leichte Aufhellung immer einen warmen Schimmer.

Bei der Bestimmung der Augenfarbe ist darauf zu achten, dass es nicht zu Veränderungen aufgrund von Kontaktlinsen kommt.

Für die Bestimmung des Hauttons ist es notwendig, eine Stelle zu finden, die nicht durch übermäßige Einstrahlung z. B. durch Sonne oder Solarium verändert wurde. Ebenso sollte das Gesicht frei von dekorativen Produkten sein.

Eine Person mit komplett gefärbten Haaren, die gerade vier Wochen in der Karibik war, geschminkt ist und farbige Kontaktlinsen trägt, ist also alles andere als eine optimale Ausgangslage für eine Farbtypenbestimmung. Außerdem sollte bei der Bestimmung darauf geachtet werden, dass die verwendete Lichtquelle neutral ist.

Farbbestimmung ist immer subjektiv beeinflusst

Allerdings sollten wir bei allen Ansätzen nicht vergessen, dass jeder Mensch Farben auf die eigene individuelle Art wahrnimmt. Egal wie sehr wir uns bemühen, vermeintlich objektiv zu sein, jeder von uns ist durch soziale und kulturelle Eindrücke und Erfahrungen geprägt und besitzt somit eine individuelle Vorstellung dessen, was „schön“, „ansprechend“ oder „vorteilhaft“ ist. Wir sind bei der Bestimmung der Farben subjektiv, ob wir wollen oder nicht.

Und da stellt sich die Frage: „Müssen wir unbedingt in ein Farbraster gezwängt werden oder sollten uns die verschiedenen Modelle nicht vielmehr als Hilfestellung für unser kreatives Arbeiten dienen, um die individuelle Schönheit unserer Kundschaft zu unterstreichen, damit alles doch „kunterbunt“ ist?

Hintergrundwissen zur Farblehre von Johannes Itten

Bauhaus – war eine 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründete Kunstschule und gilt als Heimstätte der Avantgarde und der Klassischen Moderne.

Farbkreis nach Itten – er basiert auf den drei Primärfarben Rot, Blau und Gelb, den sich daraus ergebenden Mischfarben, den Sekundär- und den Tertiärfarben.

Farbakkorde – Itten meint damit die Zusammenstellung von Farben durch ihre gesetzmäßige Beziehung, die als Grundlage für farbige Kompositionen dienen kann. Dabei bezieht er sich auf die Positionen der Farben im Farbkreis. Farbakkorde können aus zwei, drei, vier und mehr Farben gebildet werden. Man spricht dann von Zweiklängen, Dreiklängen, Vierklängen z. B. einen Zweiklang bezeichnet er als Komplementärpaar (Gelb und Violett).

Weitere Angaben
Text:Matthias Bugge (Friseurmeister und Bildungsgangkoordinator am Berufskolleg Humboldtstraße, Köln)
Info:Matthias Bugge schreibt regelmäßig Fachartikel für das TOP HAIR Magazin