Foto: privat

09.04.2020

René Krombholz: Neue Wertschätzung richtig nutzen!

In einem Brief an TOP HAIR plädiert Branchenkenner René Krombholz dafür, in diesen Zeiten auch mal quer zu denken und die Corona-Krise als echte Chance für den Friseur-Berufsstand zu nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir erleben gerade ein Stück Menschheitsgeschichte live, welches historisch werden wird: Eine Krise wirtschaftlicher und gesundheitlicher Art, derzeit (noch) friedlich. Und das Leben gibt uns die Chance zu lernen oder zu resignieren.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebten wir einen schmerzhaften Wertewandel zum Nachteil unseres Berufsstandes. Auch andere Branchen waren oder sind noch von diesem Abwärtstrend betroffen, der sich im Moment ebenso schnell wie radikal umkehrt. Verkäuferinnen werden zu Helden des Alltags, Menschen klatschen Beifall, um denjenigen zu danken, die dieses Land am Laufen halten. Auch die Friseure ernten mit der ihnen zugestandenen Systemrelevanz eine Wertschätzung ohnegleichen.

Man horchte auf in unserem Land und hinterfragte so einiges, was mit ehrbaren Werten des Handwerks zu tun hat aber vergessen schien. Das gelangte wieder an die Oberfläche. Zumindest kurzfristig, bis es von den Friseuren selbst nieder gemacht wurde. Nein! Mir geht es an dieser Stelle nicht um das Pro oder Contra der Salonschließungen. Das wäre ohnehin passiert.

Mir geht es um Dinge, die sich gerade zum Vorteil der Friseure wandeln. Und ich bin erschrocken, wie in unserer Branche damit umgegangen wird. Wir hören und sehen die Hilferufe unserer Kunden, die nach unserer Dienstleistung verlangen. Natürlich dürfen wir nicht am Kunden arbeiten – aber viele aus diesem Handwerk hätten nie gedacht, dass wir unseren Kunden so wichtig sind. Wir ernten Lob, tolle Kommentare und viele Sätze, die Mut machen sollen – aber ignorieren das.

Was vielen in unserem Handwerk gar nicht bewusst ist: Sobald das Thema Haarmode in einem Frauenmagazin erscheint, wird die Auflage direkt um 15 bis 20 % erhöht. Die Nachfrage ist da und erlebt gerade im Moment ein rasantes Wachstum. Sogar im TV, in mehr als einem Sender, erscheinen Themen wie „So schneide ich mir selbst die Haare“, „Erste Hilfe bei Färbungen“ und so weiter. Meist kommen auch Friseure zu Wort. Das lässt innerhalb der Branche den Ruf zum Zentralverband, der dieses angeblich zu unterbinden hätte, laut werden.

Nein, auch ich bin kein Freund davon, meine Berufsgeheimnisse offen zu legen. Aber in diesen Zeiten darf auch einmal quergedacht werden. Wie viele beliebte TV- Sendungen befassen sich mit dem Thema Kochen? Es sind nicht wenige und sogar Spitzenköche machen die Sendungen attraktiver und haben es geschafft, einer ganzen Zunft zu mehr Akzeptanz und Image zu verhelfen. Könnte dieses nicht auch zu einer Chance für das Friseurhandwerk werden?

Noch etwas erleben wir live und sollten lernen: das Spiel zwischen Angebot und Nachfrage. Haben Sie bemerkt was in den Supermärkten passiert? Der Preiskampf der Discounter scheint aufgehoben. Nicht nur Toilettenpapier und Nudeln sind im Preis drastisch gestiegen. Bei den Kunden scheint der Gedanke „Geiz ist geil“ nicht mehr existent zu sein. Ohne Murren werden Preiserhöhungen akzeptiert.

In den Friseurforen des Internets hingegen diskutiert man über vermeintlich notwendige Preissenkungen. Die Begründung: Viele Kunden sind von Kurzarbeit betroffen und denen muss man jetzt entgegenkommen. 

Liebe Friseure, selbst wenn Ihr es geschafft habt, einen großen Teil der Kosten – nämlich der Personalkosten – über Kurzarbeit auf Null zu setzen, so verbleiben noch jede Menge Positionen, die zu bezahlen sind. Angefangen von Raumkosten, Versicherungen, Kommunikation, Leasing und Kreditraten und einiges mehr, werden diese Kosten auch 2020 für zwölf Monate anfallen. Jetzt haben wir schon bald einen Monat geschlossen. Vielleicht schließt sich eine weitere Zeit direkt oder im Herbst an, so dass Ihr deutlich weniger Zeit zur Verfügung habt, um den Kostenblock für zwölf Monate zu erwirtschaften. Wie bitte soll das aber mit einer Preissenkung funktionieren?

Bleibt besonnen, freut Euch über die steigende Akzeptanz und Wertschätzung für das Friseurhandwerk. Leistet gute Arbeit mit Liebe und Sorgfalt aber denkt daran: Gute Arbeit und Qualität haben ihren Preis!

 

René Krombholz

Friseur, Branchenkenner, Initiator der Wertegemeinschaft „Der faire Salon“ und Inhaber des Onlineportals www.friseur-news.de