21.04.2023

Peter Gress: Was ist nachhaltiger - Glas oder Plastik?

Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es keine einfachen Antworten, das macht Peter Gress, Gewinner des diesjährigen TOP Salon Eco Future Awards, am Beispiel Ökobilanz von Glas und Plastik deutlich:

Die Wechselwirkung ist die Fußangel in einem komplexen System. Was ursprünglich gut gemeint war, wandelt sich ins Negative, weil sich Entwicklungen in einem komplexen System gegenseitig immer wieder neu beeinflussen. Es ist deshalb wichtig, alle Informationen zu hinterfragen und über den ersten Impuls hinaus weiter zu denken.

Beispiel Glas gegen Plastik: Im ersten Impuls neigt man dazu, Glasflaschen als die umweltfreundlichere Alternative zu Plastik zu sehen. Allerdings muss man die Energiebilanz dagegen rechnen. Es ist viel aufwändiger Glas zu produzieren als Plastik, und Glas braucht durch sein Gewicht wesentlich mehr Transportenergie, was den Ausstoß an CO2 erhöht.

Glas wiegt mehr

Das Material Glas wiegt in der Ökobilanz besonders schwer, denn Glas ist deutlich schwerer als Plastik. Eine 500-ml-Glasflasche wiegt etwa das Neunfache einer Plastikflasche mit 500 ml. Eine Palette mit 640 Glasflaschen ist 142 Kilo schwerer als eine Palette mit Plastikflaschen. Eine komplette LKW-Ladung bringt rund 4,7 Tonnen mehr auf die Waage als die gleiche Menge an Plastik. Hinzu kommt, dass Kunststoffflaschen ohne besondere Hilfsmittel einfacher gestapelt werden können, und somit das Transportvolumen des Lkw besser genutzt wird.

Langer Transportweg

Ein weiterer Nachteil von Glas ist der Produktionsort. Glashütten befinden sich fast nie in der Nähe der Abfüllanlagen. Die unbefüllte, schwere Glasflasche muss also erst einmal vom Produktionsort zum Abfüller transportiert werden. Das erhöht den CO2-Fußabdruck massiv. Dagegen werden Kunststoffflaschen bei großen Produzenten oft in Wall-to-Wall-Produktion direkt neben den Abfüllanlagen hergestellt. Die Transportbilanz zum Befüller entfällt damit zum Teil.

Hoher Schmelzpunkt

Zu bedenken ist zusätzlich, dass der Schmelzpunkt von Plastik, je nach Plastiksorte, zwischen 90 und 260 Grad liegt und damit deutlich geringer ist als die 1.600 Grad zum Einschmelzen von Glas. Bei Flaschen für Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel und Kosmetika hat Plastik dank des geringeren Transportgewichtes und Energieverbrauchs die deutlich bessere Ökobilanz als Glas.

Umweltverschmutzung durch Plastik

Dagegen steht die massive Verschmutzung der Umwelt mit Plastik. Glas ist zu einem großen Teil im Pfandsystem integriert, Plastik (außer PET-Flaschen) nicht. Einweg-Glasflaschen werden im Container gesammelt, für Plastik aller Art gibt es nur den Gelben Sack. Würde es ein Pfandsystem geben, sähe die Wiederverwertung anders aus. Das Unternehmen Werner & Mertz hat 2011 eine Plastik-Rezyklat-Initiative initiiert, die ein Kreislaufsystem möglich macht. Werner & Mertz stellt die Erfahrungen als Open-Source zur Verfügung, jedes interessierte Unternehmen kann auf das Wissen des Unternehmens zugreifen und sich an der Initiative beteiligen.

Design for Recycling

Das Zauberwort der Kreislaufwirtschaft heißt: Design for Recycling. Verpackungen, die nach diesem Prinzip hergestellt wurden, können einfach getrennt werden und sind deshalb besonders gut recycelbar. Würden sich die Produzenten auf helle oder transparente Verpackungen konzentrieren und sicherstellen, dass sich Etiketten und Verschlüsse leicht von der Verpackung lösen lassen, wäre ein wichtiger Schritt getan. Je leichter die unterschiedlichen Plastiksorten trennbar sind, desto besser. Denn ein Plastikmix erschwert das Recycling und sorgt im schlimmsten Fall dafür, dass die Verpackung aussortiert und verbrannt werden muss.

Mein Fazit: Glasbehältnisse nehme ich persönlich nur bei Getränken, niemals für Produkte im Bad, extrem selten in der Küche (nur wenn es nicht anders geht), oder im Nassbereich im Salon. Überall dort wo nasse Hände im Spiel sind wird Glas gefährlich. Grundsätzlich bevorzuge ich Plastikbehältnisse und wenn sie von Herstellern kommen, die ihre Lieferketten schon auf vollständiges Recycling umgestellt haben, dann umso lieber.

Peter Gress

Der Friseurunternehmer führt einen Salon in Esslingen, der seit über 60 Jahren in Familienhand ist, und engagiert sich seit Jahren für die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Beim Wettbewerb TOP Salon war er mehrfach nominiert, saß in der Jury und hat in diesem Jahr die neue Kategorie „Eco Future“ gewonnen. Er setzt sich hier in loser Folge mit den komplexen Fragen von Nachhaltigkeit und ihrer Umsetzung im Salon auseinander.