Das Bezahlen mit Karte nimmt weiter zu. Salons, die nur noch Kartenzahlung akzeptieren, haben weniger Arbeit bei der täglichen Abrechnung >< Foto: Melanie Fredel

22.11.2019

Karte oder Cash? Bargeldloses Zahlen nimmt zu

In Schweden gibt es kaum noch Zahlungen mit Bargeld. Auch bei uns hat der bargeldlose Salon seinen Reiz.

„Ausgelöst durch die wieder mal neue Kassenbonregelung, haben wir uns entschlossen, ab dem 1.1.2020 kein Bargeld mehr anzunehmen!“ Dieser Post auf der Facebook Seite des Wuppertaler Friseurunternehmers Michael Bredtmann schlug ein wie eine Bombe: Die einen jubelten ihm für seinen Mut zu und wollen ihm nacheifern, die anderen reagierten mit Unverständnis. Er wolle damit ein Zeichen für Steuerehrlichkeit setzen („Die Branche muss aus der Schmuddelecke raus, in der sie beim Finanzamt steht“) und administrative Erleichterung schaffen: „Mit einem Kartenlesegerät ist die Kasse am Abend in einer Minute erledigt.“ Außerdem spare er sich, das Geld zur Bank zu bringen, und hinzukomme: „Es gibt so viele Überfälle in Wuppertal.“ Kein Bargeld mehr anzunehmen, gebe ihm auch ein gutes Gefühl, wenn die Steuerprüfer kommen: „Es reicht ein kleiner Fehler und Sie müssen einen sechsstelligen Betrag zahlen“, berichtet Bredtmann im Gespräch und hofft, dem mit bargeldlosem Bezahlen entgegenzuwirken. 70 Prozent der Kunden zahlen im Salon „Bredtmann Westside“ in Wuppertal Elberfeld bereits mit Karte, und die Gebühren für die Terminals sind inzwischen überschaubar gering. Dennoch sagte Bredtmann: „Natürlich habe ich Angst vor dem Schritt, aber ich habe ein Prozent mehr Neugierde.“

Sicht der Unternehmensberaterin

„Hochaddiert muss ein Unternehmer mehr als zwei Arbeitstage im Monat für die tägliche Abrechnung und das Zählen der Kasse kalkulieren“, rechnet Unternehmensberaterin Marion Stahl vor und ermutigt die Branche, digitaler zu werden: „Bargeldloses Bezahlen einzuführen ist auch ein Zeichen dafür, dass man sich nicht in der Schattenwirtschaft bewegt, und sorgt für ein gutes Standing eines Unternehmens.“ Deshalb wolle sie noch lange nicht alles Bargeld abschaffen, erklärt Stahl, aber den Unternehmern das Leben leichter machen. „Die Angst ist, dass die Kunden wegbleiben, dass gerade Ältere nicht mehr in den Salon kommen“, weiß Marion Stahl. Für Einzelne möge das zutreffen, aber es gebe die Möglichkeit, viel über Gutscheine zu machen, die in der Kasse hinterlegt oder mitgegeben werden können, etwa bei Kindern. Auch das Thema Trinkgeld lässt die Unternehmensberaterin nicht als Einwand gelten: „Das kann man als extra Dienstleistung in der Kasse hinterlegen.“ Wichtig sei, verschiedene Karten als Zahlungsmittel zu erlauben, rät Marion Stahl. Und den Kunden die Veränderung mitzuteilen, etwa mithilfe von Aufstellern: „Ich würde es ankündigen, mich aber nicht rechtfertigen. Friseure haben oft Angst und machen sich klein, dabei sind die Menschen bereit, für gute Qualität auch zu zahlen.“

Gefühl der Erleichterung

Eine, die Marion Stahl sofort vom bargeldlosen Salon überzeugen konnte, ist Lisa Heppner, die unter dem Namen „Green Hair & Beauty“ zwei Salons in Osnabrück betreibt und gerade eine Franchise-Filiale plant. Sie lehnt seit August Bares ab. „Irgendwie ist Bargeld nicht mehr zeitgemäß. Für mich war das ein Gefühl der Erleichterung, da mit dem Thema Bargeld eine Menge Stress verbunden war.“ Außerdem hat sich die Unternehmerin „Grün“ auf die Fahnen ihres Salons geschrieben und fand es auch ökologisch sinnvoll: „Wir müssen das Auto nicht mehr bewegen, um das Geld zur Bank zu bringen, sparen Sprit, Papier, Zeit und müssen auch keine Angst haben, überfallen zu werden.“ Nicht zuletzt möchte sie damit ein Zeichen gegen Schwarzgeld setzen. Was für sie so einleuchtend klang, sorgte auf ihrer Facebook- Seite, wo sie ihre Kunden informierte, für Empörung. Dort wurde sie böse angegangen: „Da ging ein richtiges Gepöbel los. Das wurde mir irgendwann zu bunt, und ich habe den Post gelöscht.“ Im Salon selbst gab es keine negativen Kommentare. Auch das große Fernbleiben von Kunden trat nicht ein: „Es ist sogar eher umgekehrt“, berichtet die Friseurin. Zahlten bei ihr vorher 60 Prozent der Kunden mit Karte, sind es heute 99 Prozent. Woher die verbleibenden 1 Prozent Bargeld kommen? „In absoluten Notfällen dürfen die Kunden bar zahlen.“ Auch das Trinkgeld bekommen ihre Mitarbeiter noch in bar: „Ich warte und beobachte, was es da für Vorschläge aus der Branche gibt, auch das Trinkgeld auf die Karte zu buchen.“

„Man muss die Wahl lassen“

Peter Gress, Friseurunternehmer aus Esslingen, kann die Euphorie bei dem Thema nicht nachvollziehen: „Ich fnde es generell nicht gut, dass man da ein Dogma aufmacht. Der Kunde sollte immer die Wahl haben.“ Auch das mache für ihn guten Service aus. So ärgere er sich genauso, wenn er in einem Restaurant nur bar zahlen könne und gezwungen sei, zur Bank zu gehen. Wichtig ist für Gress, der in der Branche nicht im Verdacht steht, sich Innovationen zu verweigern, dass er alle Bezahlmöglichkeiten anbietet: Von Pay Pal über EC- und Kreditkarten bis hin zu Lastschrif t und Apple Pay. „Viele unserer Kunden, die zwischen 70 und 90 Jahre alt sind, holen einmal im Monat Bargeld von der Bank. Denen möchte ich die Wahl lassen, wie sie bezahlen.“ Dass Begehrlichkeiten beim Finanzamt geweckt werden, wenn das Trinkgeld über die Karten erfasst wird, hält Gress nicht für aus der Luft gegriffen: „Auch ich teile die Sorge, dass die Mitarbeiter dann durchsichtig werden.“ Als Dennis Lessing und seine Frau Yvonne vor mehr als zwei Jahren mit ihrem Salon in der 25.000-Einwohner-Stadt Korbach in neue Räume zogen, wurde auch das Konzept des Salons geändert – und kein Bargeld mehr akzeptiert. „Zeit für mich“ nennen Lessings ihr Konzept: Man kann ausschließlich Zeit kaufen und auch den Termin nur online vereinbaren. Kunden haben Lessings dadurch nicht verloren – auch nicht die Älteren: „Die haben heute doch auch alle eine EC-Karte“, sagt Lessing. „Und wenn mal im Salon diskutiert wurde, habe ich immer das Beispiel Tankstelle gebracht. Da zahlt doch heute fast jeder mit Karte. Auch bei uns wird es Normalität werden.“ Lessings Mitarbeiter kommen seit zwei Jahren gut ohne Bargeld aus: „Die fnden es super, weil sie selbst weniger Arbeit damit haben.“ Und den Chef freut es auch: „Das ist doch Netto-Lebenszeit, die man verliert, wenn man jeden Abend die Kasse macht. All das ist vorbei und nach einer Minute kann abends der Feierabend kommen.“ Angenommen wird im Salon jede Karte der Welt. Sein Rat für alle Kollegen, die auch bargeldlos werden wollen: „Testet es einfach mal aus. Und man sollte sich auf jeden Fall ein zweites Kartenlesegerät zulegen!“ Er selbst hat den Salon in einem 1923 erbauten Haus: „Holz und dicke Mauern sind nicht gerade WLAN-freundlich, das gab Probleme, deshalb habe ich ein zweites Gerät, das über eine SIM-Karte läuft und das funktioniert auch, wenn das WLAN mal ausfällt.“

Einführung vorgezogen

Michael Bredtmann war indes „zu ungeduldig“, konnte nicht bis 2020 warten und nimmt seit Oktober kein Bargeld mehr: Seine Kunden informierte er per SMS, die jeder 24 Stunden vor seinem Termin erhält. Die Reaktionen waren positiv. Einen Nachteil hat er aber festgestellt: „Die Kreditkartenzahlungen haben zugenommen, das merkt man auch ein bisschen an der Liquidität: Buchungen über Kreditkarte sind erst eine Woche später auf dem Konto.“ Bredtmanns Tipp für alle, die umstellen wollen: Sich genau anzusehen, welchen Anbieter man bei Terminal und Kassensoftware wählt: „Die Vertragslaufzeiten werden immer länger und nicht alle bieten eine Trinkgeldabrechnung an. Überhaupt sollte man, wenn man das Trinkgeld über Karten verbucht, vorher mit dem Steuerberater sprechen, sonst können da viele Fehler passieren.“ In der Facebook-Gruppe „Bargeldlose Friseure“ kann man sich mit Bredtmann und anderen zum Thema austauschen.

Gefragte Karte

Ob Bargeld oder Karte ist eine Frage der Generation. Das zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach: Die Mehrheit der 16- bis 44-Jährigen hat die letzten Einkäufe mit Karte bezahlt. Bei den unter 30-Jährigen stieg der Anteil derer, die häufig mit Karte zahlen, von 39 Prozent auf 51 Prozent – in einem Jahr. Auch die 30- bis 44-Jährigen (52 Prozent) greifen lieber zur Karte. Ab 45 Jahren gibt man dem Barem (69 Prozent) Vorrang. Durch das sogenannte kontaktlose Bezahlen konnte die Deutsche Kreditwirtschaft insgesamt einen Anstieg an Kartenzahlungen verzeichnen. Kontaktloses Bezahlen heißt, dass die Karte oder das Smartphone nur an das Terminal gehalten werden müssen. Es muss nichts mehr eingesteckt werden und bis 25 Euro ist keine Pin-Eingabe nötig. Die Karten sind dafür mit einer NFC-Schnittstelle ausgestattet. NFC steht für „Near Field Communication“ und bezeichnet einen weltweiten Standard für kontaktlose Zahlungen.