Kollage: TOP HAIR

14.07.2016

Generationswechsel bei L'Image, Frikos und Wild Beauty

Ab heute bin ich Unternehmer! Wenn es nur immer so einfach wäre. Nicht wenige mittelständische Unternehmer kämpfen mit dem Problem, ihr Lebenswerk in die Hände ihrer Kinder zu legen. Umso erfreulicher, wenn der Nachwuchs mit der gleichen Leidenschaft fürs Geschäft brennt wie die Eltern. TOP HAIR porträtiert die Erben dreier Familienbetriebe, die ihren Platz im Unternehmen gefunden haben: Adina Bürger, Fabio Barattucci sowie Mira und Noah Wild.

Generationswechsel im Familienbetrieb
Beispiel 1: L'Image und die Bürgers

Vertrauen, das Wort fällt häufig in unserem Gespräch mit Adina Bürger. Dabei geht es um Selbstvertrauen. Um das Vertrauen der Eltern in ihre Tochter. Es geht um das Vertrauen in externe Berater ebenso wie um den Vertrauensvorschuss der Geschäftspartner. In rund drei Jahren will Adina Bürger die Firma ihrer Mutter Gabriele vollständig übernehmen. Dann ist sie 30 und trägt die Verantwortung für L’Image alleine. Vertrauen spielt in diesem Prozess eine zentrale Rolle.  L’Image, das ist ein Unternehmen, das die gelernte Friseurin Gabriele Bürger 1990 als ihr zweites Standbein gründete.

Die Geschäftsübergabe läuft

Längst ist daraus ein international agierendes Unternehmen mit 16 Mitarbeitern und zweistelligen Umsatzsteigerungen gewachsen. Von Neusäß bei Augsburg aus lässt die Firma hochwertige Übungsköpfe in Asien produzieren und verkauft diese an Friseure weltweit. In Kürze übernimmt Adina Bürger Anteile der Firma, erhält Prokura. Bereits heute liegen Verkauf und Personalabteilung sowie die Auszubildenden in ihrer Obhut, während sich Mutter Gabriele nur noch halbtags um Einkauf und Buchhaltung kümmert. Die Geschäftsübergabe ist in vollem Gange. Stück für Stück wächst Adina Bürgers Verantwortung für L’Image. Die Rolle gefällt ihr.  „Das Wohl von Familie und Firma stehen bei mir an erster Stelle“, sagt sie und spricht damit aus, was das Vertrauen so vieler in sie begründet. „Ist es Ihrer Mutter schwer gefallen, Verantwortung an Sie abzugeben?“, wollen wir von der jungen Chefin wissen. „Gar nicht!“, bescheinigt uns die 27-Jährige ohne Zögern und scheint darüber selbst ein wenig überrascht. Vielmehr würde Gabriele Bürger am liebsten sofort aufhören und sich stattdessen dem Reisen und der Kunst widmen. Echte Konflikte um die Firma habe es zwischen ihnen nicht gegeben. Dass zwei „Temperamentsbolzen“ wie sie mal aneinandergeraten, sei doch normal.

Vertrauen erarbeitet

Die Firmenübernahme kam für Adina eigentlich nie in Frage. Sie träumte von Tiermedizin. Doch als der Abischnitt ihr diesen Traum verwehrte, lenkte ein Freund ihren Blick auf das heimische, „gemachte Nest“. Ihre überraschte Mutter sagte damals, 2007, jedoch nicht einfach ja. Sie machte eine Ausbildung zur Friseurin, zur Groß- und Außenhandelskauffrau, einen Ausbilderschein sowie die Gründung einer eigenen Firma zur Bedingung für diesen Schritt. Adina Bürger akzeptierte. Jetzt sieht sie sich im Herzen als Friseurin. In ihrer Familie ist sie die erste für die Firma voll ausgebildete Kraft. Auch an der gemeinsamen Firmengründung mit dem Freigerichter Friseur Marco Arena ist sie 2013 gewachsen. Die Marco Arena Tools GmbH führt sie jetzt nebenbei.  

Auslandsakquise

Bleibt noch die Frage nach der Zukunft. Will Adina Bürger Dinge bei L’Image verändern? „Ganz viele!“, lautet ihre Antwort. Die Strukturen und die Kommunikation will sie stetig verbessern. Die Festigung des Teams ist ihr wichtig. Und die Auslandsakquise liegt ihr am Herzen. „Es reizt mich sehr, außerhalb Europas einen Fuß reinzukriegen.“ Von riesigen Sprüngen träumt sie dabei nicht, vielmehr von einem stetigen Wachstum. Das klingt vernünftig – und nach einem gesunden Vertrauen in sich selbst und in die Firma.

Text: Aletta Helsper

 

Beispiel 2: Frikos und die Baratuccis

Es war nie sein Traum, Friseureinrichter zu werden. Fabio Barattucci (36) führt einfach fort, was sein Vater vor fast 30 Jahren begonnen hat. Die Geschichte eines jungen Unternehmers, der an Kompromissen wächst, die familiäre Identität niemals aufgibt und die Pionierarbeit seines „Gründungs“-Vaters P. Ennio Barattucci erfolgreich – sicher auch abgewandelt – in die Zukunft führen möchte. Seit Anfang des Jahres hat sich Ennio immer mehr aus dem Tagesgeschäft herausgezogen. Die Rollenverteilung ist klar. Fabio Barattucci ist geschäftsführender Gesellschafter der Frikos GmbH in München.Eigentlich hatte er sich geschworen, niemals das Leben seiner Eltern fortzuführen. 24 Stunden lang den Job allgegenwärtig zu haben. Sein Vater, ein Selfmademan, versuchte es immer wieder, ihn zu ködern: „Wo willst du in ein paar Jahren sein?“ Das zum ersten Mal, als Fabio 16 war. Er blieb lange standhaft, schlug seinen eigenen Weg ein und  wurde Medienberater in Frankfurt. Weit weg von dem, was im elterlichen Betrieb in Bayern passierte. Doch 2007 kam der Durchbruch: „Ich steige ein!“ Begünstigt wurde seine Entscheidung, weil ihm der Job in den Medien keinen Spaß machte. Dann erreichte ihn die Nachricht seines Vaters: Er wolle die familieneigene Firma verkaufen. Es sei denn ... Fabio Barattucci kam nach Hause und verhinderte diesen Schritt, indem er selbst die Nachfolge antrat.

Starke Familienbande

Ja, er habe sich in ein gemachtes Nest gesetzt, gibt er offen zu. „Aber wenigstens in eines, das nach oben offen ist“, beschreibt der Vater zweier Kinder seine Motivation für die Unternehmensnachfolge. Seine Frau – eine Italienerin – und sein bester Freund – ein Unternehmensberater – bestärkten ihn. Wegweisend war auch der Rat seines Ausbilders: „Sei immer du selbst!“ Diesem Weg treu bleibend glaubt er, die solide Basis seines Vaters mit dem guten Ruf in der Beauty-Branche fortführen zu können und dabei das richtige Gleichgewicht zwischen Verantwortung als Unternehmer und Familienmensch zu finden. Das hört Ennio Barattucci sicher gern, hat er doch sein Vermächtnis in die Hände seines Wunschkandidaten gegeben. Dieser Schritt verändert viel. Erhält aber auch vieles: Die familiäre Identität, die eines der wesentlichen Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens ist. Sein Vater Ennio fing 1979 als Pionier auf dem Gebiet an.  

Unternehmerisches Lebenswerk

Ennios Lebenswerk begann mit einem Föhn und einem hohen Qualitätsbewusstsein. Er musste es schaffen, italienischen Lebensstil und Design mit den Werten von „Made in Germany“ zu paaren. Das ist ihm gelungen. Er gehört heute zu den führenden Einrichtern in der Friseur- und Kosmetikbranche. Als die Geschäfte anliefen, erweiterte Senior Barattucci schnell sein Portfolio um Möbel und Interieur. Er baute ein Händlernetzwerk auf, machte als Großhändler weiter und ist heute beim Endkunden – dem Friseur. Seit  dem Jahr 2000 hat er einen Showroom in ­Unterschleißheim, ca. 400 Quadratmeter groß, und zeigt von dort aus, dass er ein starker Partner für Lieferanten und Friseurkunden ist. Die Eckpfeiler: Design, Funktionalität und Qualität hält auch Junior ­Barattucci für eine gelungene Mischung. Das sind seine Wurzeln. Die Phase des Führungswechsels ist auch eine Phase von Kompromissen. Während man dazulernt, muss man gleichzeitig ein Unternehmen führen und Entscheidungen treffen. Sekundenschnell. Das kann Barattucci immer besser.

Unternehmennachfolge als Aufgabe

Auch dank seines Vaters Ennio, der seinem einzigen Sohn vertraut. Er habe gelernt, dass Unternehmer zu sein bedeute, verschiedene Rollen einzunehmen, etwa die des Gesellschafters, der auf das Geld achtet, oder die des Geschäftsführers, der das Unternehmen voranbringt. Der Generationswechsel bringt strategische und operative Veränderungen mit sich. Fabio Barattucci geht es behutsam an. Die erste Veränderung hat er im Showroom eingeläutet. Er hat ihn optisch verändert. Seine Kunden sollen sich weiter aufgehoben und wohlfühlen, aber alles etwas „showiger“, räumt er mit einem charmanten Lachen ein.Er glaubt daran, dass die Zukunft denen gehört, die eine große Vergangenheit haben. Fabio liebt die Branche. Mit dieser Einstellung hat er die Sympathien sicherlich schnell auf seiner Seite. Das Feedback der Kunden ist positiv. Barattucci gibt ihnen Sicherheit. Die Unternehmensnachfolge klingt aus seinem Munde wie die richtige Lebensaufgabe für ihn. Er hat Gefallen an seiner Aufgabe gefunden. Ennio Barattucci hat einen guten Manager zum Sohn.

Text: Emel Tahta-Lehmann

 

Beispiel 3: Wild Beauty und die Wilds

Als ich angefangen habe, war ich so was von weit weg von Friseuren, wie man es nur sein kann. Es war ein langer Selbstfindungsprozess“, sagt Noah Wild. „Neben meinem BWL-Studium kümmerte ich mich damals um den IT-Bereich in der Firma, schraubte an Computern rum, meine große Leidenschaft.“ Noah war 19 Jahre alt, als der Vater 2004 erkrankt und er in den Vorstand der Wild Beauty AG berufen wird. Fertig studieren, Zukunftspläne, vielleicht eine internationale Karriere? Der Sohn entschied sich erst mal dagegen. „Ich spürte die Verantwortung für das Familienunternehmen“, sagt Noah Wild, der plötzlich einen Vollzeit-Job und jede Menge Verpflichtungen hatte. Der Exklusiv-Distributeur der US-Haarpflegemarke Paul Mitchell beschäftigt am Sitz in Seeheim-Jugenheim immerhin rund 40 Mitarbeiter plus Außendienst und macht knapp 30 Millionen Euro Umsatz. Kein kleiner Betrieb.   

Mira: Habe vieles ausprobiert

Seine Schwester Mira Wild stieß vier Jahre später hinzu. Sie leitet heute die Unternehmenskommunikation. War ihr Einstieg sanfter?  „Ich hatte zumindest mehr Zeit, noch Dinge auszuprobieren. Mit 16 Jahren jobbte ich in der Firma und tütete Briefe ein. Das hat Spaß gemacht; schnelle Ergebnisse. Später schnupperte ich in eine Anwaltskanzlei, studierte Werbepsychologie, arbeitete zwischendurch wieder im Unternehmen und machte dann den Bachelor in Journalistik. Unsere Eltern haben uns nie gedrängt, ins Unternehmen einzusteigen, aber ich glaube, unser Vater hat’s schon gern gesehen“, erzählt Mira Wild.   

Vom Wissen des Vaters profitieren

Ja, der Vater. Reinhold Wild kennt die Branche wie kaum ein anderer. Er ist ein Top-Manager, hat Präsenz und Charisma. Ihn zu kopieren, käme den Geschwistern nicht in den Sinn. Von ihm zu lernen, sehr wohl. „Das ist für uns ein Riesenvorteil, dass wir von seinem Erfahrungsschatz profitieren“, sagt Noah. „Auf die Schnauze fallen mussten wir dann selber.“ Manchmal lief es einfach schief, wenn die Kinder anderer Meinung als der Vater waren und Dinge verändern wollten. „Aber aus seinen Fehlern lernt man ja bekanntlich“, sagt der 31-Jährige. „Ich kann jetzt auch schon auf 14 Jahre Erfahrungen mit Wild Beauty zurückblicken, die einen prägen.“Die Geschwister haben sich selbst nichts geschenkt. Ihnen sei von Anfang an klar gewesen, dass sie als Unternehmerkinder mit dem Vorurteil „Die setzen sich ins gemachte Nest“ klarkommen müssen. „Jeder von uns musste 150 Prozent geben“, so Noah. Nur ungern erinnert er sich an die ersten Gespräche mit der Bank, als er seinen Vater vertreten musste. „Es ist nicht einfach, wenn man der Jüngste im Raum ist. Die Anerkennung musste hart verdient werden.“ „Auch der Freundeskreis verändert sich“, ergänzt seine Schwester. „Viele unserer Freunde kamen nicht damit klar, dass wir jetzt kaum mehr Zeit für sie hatten.

Rollenfindung im Unternehmen

An dem ganzen Veränderungsprozess habe ich schon eine Weile zu knabbern gehabt“, gibt die 27-Jährige offen zu. Der Rückhalt in der Familie war umso wichtiger. Weil der Vater viel beschäftigt war, hielt Mutter Kristina Wild die Fäden in der Hand und die Familie auf Kurs. Auch von ihr schauten sich die Kinder viel ab, um sich in die Strukturen  – die es zum Glück gab – und ihre Rollen im Unternehmen einzufinden. „Keiner war je ganz allein“, sagt Noah. „Wir konnten immer offen über alles sprechen und eine eigene Meinung vertreten. Auch heute noch.“ Beide sind froh, dass sie damals den Mut hatten. Mittlerweile verheiratet, haben sie auch im Privaten ihren Platz gefunden. Die Ehepartner arbeiten ebenfalls am Unternehmen mit, sind Berater und Stütze. Und wie ist heute das Verhältnis zu den Friseuren? „Sie haben es mir leicht gemacht. Friseure sind solche Herzensmenschen“, sagt Noah. „Ich bin angekommen.“ Seine Schwester nickt.

Text: Stephanie Hladik