Carmen Subota im Pop-up-Salon beim Straßenkunstfest am Brunnenmarkt in Wien. >< Foto: Helena Lea Manhartsberger

15.12.2021

Cut around the world

Dass Haareschneiden ein soziokulturelles Ereignis ist, beweist Carmen Subota mit „Cut around the World“

Das Projekt „Cut around the World“ bringt Friseur*innen aus verschiedenen Kulturen zusammen und verlegt das Frisiererlebnis in einen Popup-Salon auf die öffentliche Straße. Das ist so spannend, dass Gründerin und Friseurin Carmen Subota sogar ihre Masterarbeit darüber geschrieben hat: „Der Pop-up-Salon zeigt sich als Ort, an dem Menschen sich auf Augenhöhe begegnen und unabhängig von Alter, Herkunft oder Bildung miteinander in Austausch treten können. Durch das persönliche Treffen der Menschen vor Ort werden Erfahrungen ausgetauscht und ein Perspektivenwechsel angeregt“, schreibt Carmen Subota dazu in ihrer Masterarbeit.

 

Das Projekt

Die Idee für das Projekt entstand, als Carmen Subota in China einen Mann beobachtete, der inmitten von Obst- und Gemüseständen Haare schnitt. Obwohl diese Beobachtung anfangs skurril erschien, bemerkte sie, dass Menschen vorbeikamen, stehen blieben und dabei miteinander ins Gespräch kamen. Carmen Subota sah darin eine besondere Kompetenz, mit den Menschen auf ihren Reisen in Berührung zu kommen. Aber auch der Austausch mit internationalen Stylist*innen war ihr ein Anliegen. In Wien gründete sie „Cut around the World“ (CATW). Mit diesem Projekt konnte Subota ihr Know-how aus jahrelanger Praxis als Friseurin mit ihren Interessen aus ihrem Studium verbinden. Es folgten Pop-up-Salons auf Veranstaltungen, die sich solidarisch mit dem Thema Flucht auseinandersetzten. Gemeinsam mit Friseur*innen mit und ohne Fluchterfahrung bildete sich das CATWTeam – die Zusammenarbeit eines transkulturellen Friseur*innenTeams.

Die Friseurin

Carmen Subota wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und entschied sich für eine Ausbildung zur Friseurin. „In den Lehrjahren habe ich das gar nicht so gerne gemacht“, gesteht die 36-Jährige. Nach Ende ihrer Ausbildung tritt sie eine Stelle in einem renommierten Linzer Salon an und fängt Feuer. Mit Mitte 20 arbeitet sie backstage für Film- und Theaterproduktionen. Irgendwann hat sie Lust, sich auch anderweitig zu orientieren und weiterzubilden, holt ihr Abitur nach, geht an die Uni und studiert Internationale Entwicklung und Geografie. Neben dem Studium arbeitet sie weiter als Friseurin. „Nach der Pause ist mir der Job schon irgendwie abgegangen“, verrät sie im Gespräch. Neben ihrem Projekt ist Subota heute „Stylist in Residence“ in Wien bei „K-hoch2 Friseure“.

Haareschneiden in der Nachbarschaft: Indonesien, Yogyakarta >< Foto: CATW

Pop-up-Salon vs. Salon

Das Ziel ihres Projektes und der Pop-up- Salons, die im Rahmen von Veranstaltungen aufgebaut werden, war, unterschiedliche Räume des Haareschneidens zu erkunden und die Kompetenzen des Handwerks im Bezug auf seine mobile und manuelle Intelligenz unter ganz neuem Gesichtspunkten zu betrachten. Aus dem transkulturellen Projekt wurde ein soziales Event, das Menschen zusammenbringen soll, die sonst wenig Berührungspunkte haben. So arbeitete Subota zunächst in Unterkünften für geflüchtete Menschen, wo sie auch auf ausgebildete Friseur*innen traf, die aufgrund ihres Asylstatus’ vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren. Sie wurden Teil des CATW-Teams. „Und plötzlich kommen Menschen ins Gespräch, die sonst nie miteinander sprechen würden.“ Aber die Gespräche sind anders als die im Salon, berichtet Subota: „Die Situation im Pop-up-Salon unterscheidet sich grundliegend in der Gruppendynamik, die dort durch den öffentlichen Rahmen zustande kommt. Menschen, die einander nicht kennen, beraten sich gegenseitig zu Frisuren oder sprechen sich Mut zu, an der performativen Form des Haareschneidens teilzunehmen.“ Die Menschen spiegeln sich gegenseitig – über den Blickwechsel und das gegenseitige Sehen – und Gesehen- Werden, erklärt Subota. Dabei seien die Begegnungen unglaublich wertschätzend und offen. Sich vor aller Augen die Haare schneiden lassen, erfordere großen Mut. Manch einer wachse über sich hinaus, aber auch die Friseur*innen lernen durch das neuartige Setting ihre Arbeit aus einer anderen Perspektive kennen und können sich darüber hinaus mit ihren Kolleg*innen auch fachtechnisch austauschen und gegenseitig bereichern, so Subota.

Die Masterarbeit

Aus dem sozialen Projekt ist eine Masterarbeit geworden: "Cut Around The World – Anerkennung und Interaktion im Pop-up-Frisiersalon". In ihrer sozialwissenschaftlichen Arbeit untersuchte sie komplexe Themen im Kontext der Friseurbranche. Dabei beschäftigte sie sich mit transkultureller Kommunikation, Interaktion im öffentlichen Raum, dem Bedürfnis nach Anerkennung durch wechselseitiges Sehen und Gesehen-Werden sowie mit anderen gesellschaftsrelevanten Aspekten der Arbeit als Friseur*in selbst.

Sie würden die Masterarbeit von Carmen Subota gerne lesen? Kein Problem! Das können Sie hier

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