Foto: Melanie Fredel

19.03.2020

Corona-Krise: Offen oder zu?

Dienstleister wie Friseure seien wichtig, um das tägliche Leben in der Corona-Krise aufrechtzuerhalten, heißt es aus der Politik. Auch der ZV spricht sich gegen Zwangsschließungen von Salons aus. Viele Friseure sind da anderer Meinung.

"Zum Unverständnis einer ganzen Branche wurden Friseure, die ohne jeden Zweifel einer Hochrisikogruppe angehören, von Zwangsschließungen ausgenommen", heißt es in einer Petition im Internet, die eine Schließung der Salons fordert und bis zum Mittwochabend schon rund 80.000 Unterzeichner hatte.

Die Meinungen unter den Friseuren gehen auseinander:

Frank Brormann ist der Meinung, zwei Meter Abstand und die angeordnete Sorgfaltspflicht mit der Tätigkeit seiner Mitarbeiter nah am Kunden seien nicht zu vereinbaren. Er hat seinen Salon seit gestern geschlossen. Nur kurze Zeit später wurde seine Entscheidung bestätigt. Die Kommunen des Kreises Warendorf einigten sich auf weitere Einschränkungen und ordneten die Schließung von Friseursalons an.

Die Friseur-Unternehmer Michael Ahlmeyer und Steve Bonde (B/B Bauer Bauer Hairdressers in Köln) haben ihr Geschäft freiwillig geschlossen. Im STERN-Interview schilderten Sie ihre Beweggründe: „Wenn nun eindeutig gesagt wird, man solle den Kontakt vermeiden, einen gewissen Abstand einhalten, dann macht das Arbeiten für Friseure doch gar keinen  Sinn… Ich bin  mit meinen Händen ja immer am Kopf des Kunden…“ Am Montag haben sie von Politikern, Vertretern von Friseurinnungen und Handwerkskammern deutschlandweit eine einheitliche Schließung aller Risiko-Betriebe im Dienstleistungssektor gefordert, sich dann aber am Dienstag dazu entschlossen direkt selber zu schließen – auf die Gefahr hin, keine Ansprüche auf Hilfsmittel zu haben.

Shan Rahimkhan hält sich an die Entscheidung der Bundesregierung. „We are still open!“ heißt es auf seiner Homepage. Mit dem Hinweis: „Bitte kommen Sie möglichst ohne Begleitung und ohne Kinder unter 14 Jahre (da wohl die Ansteckungsgefahr höher ist).“ Der Berliner Friseur hält es für angeraten, sich an die Vorgaben der Regierung zu halten: „Ich habe vor allem Sorge, dass wir nicht die finanziellen Hilfen bekommen, wenn wir jetzt freiwillig schließen“, sagt er. Seine Mitarbeiter tragen ab heute Mundschutz und arbeiten in Kurzarbeit, um die Frequenz im Salon zu verringern. „Die Kunden kommen, das ist aktuell noch nicht das Problem, aber es geht vor allem auch um den Schutz meiner Mitarbeiter.“

Auch bei TOMCO Friseure bleiben die Läden offen: „Unser Betrieb in allen Salons läuft wie gewohnt weiter. Auch wir halten uns an die höchsten Hygienestandards und wollen unseren Teil zur Verlangsamung des Coronavirus beitragen.“

Haardesign Engel aus Murnau hat bereits seit Dienstag geschlossen. Inhaber Michael Engel hatte die Ansprache von Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer sehr ernst genommen: „Jegliche Möglichkeit der Weitergabe des Virus unterbinden hieß es – es ist unmöglich, Sicherheitsabstand im Salon zu wahren, deshalb haben wir geschlossen“, sagt Michael Engel. Die Mitarbeiter seien extrem erleichtert über diese Entscheidung. Die Kunden zeigten Verständnis: „Wir sind von 10 bis 15 Uhr telefonisch erreichbar, um neue Termine ab April entgegenzunehmen.“

Auch das Team von Saloninhaberin Birgit Kaiser ist derzeit verunsichert: Wie lässt sich der Ansteckungsgefahr begegnen? Birgit Kaiser informiert, das Schneiden mit Handschuhen wird erwogen, schraubt die Hygienevorschriften an. „Allerdings wird es immer schwieriger mit der Umsetzung. Das Desinfektionsmittel geht rasant zur Neige und es gibt keines nachzukaufen. Aktuell vermeiden wir auch Arbeiten direkt am Gesicht, wie Augenbrauen zupfen oder Wimpern färben. Wenn das vorbei ist, werden wir Friseurunternehmer vermutlich eine neue Art von Erfolgsgeschichte schreiben müssen.“

ZV-Hauptgeschäftsführer Jörg Müller sagt hingegen: „Die Bundesregierung, genauer die Bundeskanzlerin persönlich, hat am 16.3.2020 Friseure von einer vorsorglichen Schließung ausgenommen. Ähnlich verhalten sich die Landesregierungen und – das ist im Einzelfall noch entscheidender – die Gesundheitsämter vor Ort. Diese Regelung erfolgte mit Sicherheit erst nach der Beratung mit den Experten des Robert Koch Instituts!“

Maßnahmen, wie ausreichend Platz zwischen den Kunden und ein verkleinertes Team sehen einige Friseure als machbar. So auch Frontlook – der Friseur aus Stein: "1,5 m Abstand zwischen den Kunden - bei uns - locker machbar....derzeit ist das Personal so anwesend, wie es sinnvoll ist und somit wird immer ein Platz ausgelassen zwischen zwei Kunden. Bei Bedarf können wir auch noch in unsere Akademieräume ausweichen, also auch falls jemand Bedenken hat, es gibt da einiges an Möglichkeiten, doch zum Friseur zugehen. Die aktuelle Situation fordert uns als Unternehmer und auch unsere Mitarbeiter, die Branche muss schauen, wie sie das handhabt, um Kündigungen zu vermeiden. Wir verstehen Kunden, die Bedenken haben zum Friseur zu gehen, gleichzeitig freuen wir uns über alle gesunden Kunden, die ihren Termin wahrnehmen, da das unsere Liquidität und Arbeitsplätze sichert", postet der Friseur auf Facebook.

In der Petition von Friseuren zu Schließungen heißt es hingegen weiter: „Es ist jedem einleuchtend, dass der berufsbedingte enge Körperkontakt zum Kunden, die Einhaltung eines Mindestabstandes unmöglich macht. Ferner sind Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken am Markt nicht mehr erhältlich, sodass ein Schutz der Mitarbeiter nicht zu gewährleisten ist.“

Weiteres Problem vor allem für kleinere Salons sind die Mitarbeiter, die nun teilweise zuhause bleiben müssen. So schreibt Martina Menzel auf Facebook: „Ich habe meinen ersten Tag als Einzelkämpferin geschafft. Beide Mitarbeiter durften zuhause bleiben. Die eine ist meine Tochter und Mutter meiner Enkelkinder und meine Schwiegermutter. Wir sind ein kleines Familienunternehmen und wollen nicht alle ausfallen. Ich habe die Kunden einzeln und nacheinander bestellt und alle haben sich brav die Hände gewaschen und waren dankbar, dass sie noch dran kamen, bevor wir evtl. schließen müssen.“

Eine Idee, die viele Friseure nun umsetzen, ist der Aufruf an die Kunden, Gutscheine zu kaufen. So auch Höpfer & Höpfer Friseure: "Wenn Sie uns heute Ihr Vertrauen schenken und einen Gutschein vor oder während einer sehr wahrscheinlichen, vorübergehenden Schließung kaufen, unterstützen Sie uns mit Liquidität. Dies hilft uns durch diese schwere Zeit zu kommen, ohne einschneidende Maßnahmen", schreibt das Unternehmen auf Facebook.

In Thüringen machen die Friseure nun gesamt dicht, informiert Heidrun Völkel, Präsidentin des Verbands Deutscher Friseurunternehmen (VDF). „Die Lage für uns Friseure ist dramatisch. Der VDF steht mit allen Mitgliedern in Kontakt. Wir haben für alle eine Arbeitsanleitung zur Beantragung erarbeitet und stehen bei Anfragen mit Hilfe zur Seite. Wir bereiten uns vor, um Schaden von unseren Unternehmen abzuwenden, sobald es möglich ist.“