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07.07.2022

Bock auf Friseur*in?

Die Ausbildungszahlen im Friseurhandwerk sind weiterhin rückläufig. Wie kann man dem entgegenwirken?

Der Trend in der Friseurausbildung geht weiterhin abwärts. Vergleicht man die Zahlen von 2021 (15.911 Ausbildungsverhältnisse*) gegenüber 2020 (17.844*) verzeichnete das Friseurhandwerk einen Rückgang von 10,8 Prozent. Gegenüber 2008 (40.454*) sogar 60,7 Prozent. Doch wie kann man gegensteuern, wie jungen Menschen Lust auf eine Friseurausbildung machen? Wie Vorurteilen begegnen? Diese Fragen haben wir Robert Fuhs, ZV-Vizepräsident und Berufsbildungsvorsitzender, und Susanne Dorsten, Vorstandsmitglied bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf, gestellt.

TOP HAIR: Wie kann man junge Menschen für eine Friseurausbildung begeistern?
Robert Fuhs:
Als Erstes ist es wichtig, dass das Umfeld die jungen Leute gut über den Beruf informiert. Man sollte den Jugendlichen vor Vertragsabschluss zeigen, was auf sie in der Ausbildung zukommt. Es ist ein großer Fehler, wenn junge Menschen ihre Ausbildung starten und überhaupt nicht wissen, wie dieser Beruf letztendlich funktioniert.

Wie ist der ZV hier aktiv?
Wir haben jetzt z. B. mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin mit „Handwerk macht Schule“ ein Programm aufgelegt, das über drei Jahre läuft und bei dem Themenfelder aus unserem Beruf in den weiterführenden Schulen erklärt werden, wie z. B. das Thema Färben. Wir müssen die jungen Leute neugierig machen auf unseren schönen Beruf und dürfen nicht müde werden, davon zu berichten – auf allen Kanälen.

Was ist noch geplant?
In der zweiten Jahreshälfte möchten wir einen Pool von Friseur*innen aufbauen, die in die Schulen gehen und den jungen Menschen erklären, wie unser Beruf funktioniert und welche vielfältigen Fortbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen es gibt. Dazu werden wir z. B. junge, erfolgreiche Friseurunternehmer*innen oder Akteur*innen aus der Wettbewerbsszene ansprechen. Sie sollen aus ihrem spannenden Berufsleben berichten und Lust aufs „Friseursein“ machen.

Wie kann man die Ausbildung für die sog. Generation Z noch interessanter machen?
Indem man mit digitalen Tools arbeitet. Wir hatten als Erste im Gewerk die Berichtsheft-App, die übrigens sehr gut angenommen wird. Die App ist analog zur Printausgabe, hat aber den Vorteil, dass sowohl Azubi als auch Ausbilder den Arbeitsstand über ein Ampelsystem jederzeit einsehen können. Auch Fotos der Arbeiten können jederzeit schnell und problemlos hochgeladen werden. Und wir haben die Ausbildungs-App „GetHair“ aus Österreich. Ein großer Vorteil dabei: Die Jugendlichen können die Filme, Fotos und Texte so oft ansehen, bis sie den jeweiligen Ausbildungsinhalt verstanden haben. Darüber hinaus haben wir durch die Teilnovellierung letztes Jahr den Beruf modisch moderner und praxisnäher aufgestellt. Was sind typische Vorurteile und wie kann man diesen begegnen? Neben dem Thema Geld haben manche Jugendliche eine gewisse Abneigung, an lebenden Objekten, sprich Menschen, zu arbeiten. Denen kann man sagen, dass Friseur*innen Menschen verschönern und nicht operieren. Wir geben unseren Kund*innen das Gefühl, dass sie etwas wert sind – was gibt es Besseres?

* Quelle: Ralf Osinksi

Info

In der GetHair-App werden alle Ausbildungsinhalte anhand von Step-by-step-Videos, Fotos und Texten erklärt.
Mehr unter www.gethair.me

 

Niederschwellige Ansprache

Susanne Dorsten, Vorstandsmitglied bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf, befürwortet ebenso digitale Tools. „Sowohl die Berichtsheft- als auch die GetHair-App sind wunderbar dafür geeignet, Jugendliche abzuholen“, weiß Susanne Dorsten. Zudem setzt die Friseurmeisterin auf Ausbildungsbotschafter*innen, um junge Menschen vom Friseurberuf zu überzeugen. „Ich kenne viele Kolleg*innen, die hatten oder haben hoch motivierte Azubis. Die gehen in die weiterführenden Schulen und erzählen von ihrer Ausbildung, ihrem Arbeitsalltag, ihrem Salon.“ Susanne Dorsten ist davon überzeugt, dass es am besten ist, wenn die Azubis selbst erzählen, wie sehr ihnen ihre Ausbildung gefällt und was sie dabei lernen. „Davon müsste es viel mehr geben!“ Eine Ausbildungsmesse sei von der Idee her zwar hilfreich, aber die meisten Schüler*innen seien da eher mit anderen Dingen beschäftigt, als sich ernsthaft zu informieren.

Aktuell ist die engagierte Friseurin mit der Handwerkskammer Münster im Gespräch, ob diese, nach Corona-Zwangspause, wieder das Thema Ausbildungsbotschafter*innen angehe. Bei näherer Betrachtung sind Ausbildungsbotschafter ein Gewinn für beide Seiten: Die Azubis werden von der HWK geschult, vor einer größeren Gruppe frei zu sprechen. „Das kann auch nicht jeder auf Anhieb.“ Der Salon wiederum profitiere auch davon. Zwar fehlt der Azubi in der Zeit, wo er als Ausbildungsbotschaf ter unterwegs ist. „Aber durch die HWK-Schulung wachsen Selbstbewusstsein und kommunikative Fähigkeiten. Zudem akquirieren die schnell mal den einen oder anderen Bewerber.“

Vorurteilen begegnen

Oft hat Susanne Dorsten das Gefühl, sie müsse eher die Eltern bekehren als die jungen Leute. Sie selbst hat Abitur und musste sich schon oft anhören „Und dann stehst du hier?“ Ja, sagt sie. Und dass sie einen Salon leite und ihr das Abitur dabei bestimmt nicht geschadet habe. Die meisten seien auch davon überzeugt, dass man als Friseur*in nichts verdiene. „Wenn ich dann frage ‚Was meinst du denn, verdient eine Friseurin?‘, blenden die meisten schon mal aus, dass es erstens einen Mindestlohn und zweitens einen Tarifvertrag gibt. Auch anderen Vorurteilen begegnet Susanne Dorsten nüchtern und pragmatisch. „Zum Beispiel sagen viele: ‚Da steht man den ganzen Tag‘. Das stimmt so nicht, es gibt heutzutage Arbeitsstühle, die man hoch- und runterpumpen kann. Natürlich ist es kein Bürojob, wo man den ganzen Tag sitzt. Das ist aber auch nicht gesund. Oder: ‚Man kriegt ja nie frei.‘ Doch, sage ich dann, bekommt man. Es gibt Urlaub wie bei allen anderen Berufen und mittlerweile machen viele Friseur*innen eine 4-Tage-Woche, denn auch in unserer Branche werden die Arbeitszeiten flexibler.“

Flexibler im Kopf sein

Susanne Dorstens Tipp: Friseur*innen sollten den jungen Menschen eine Chance geben. Nicht alle seien unmotiviert oder wenig belastbar. „Wir müssen sie nur anders abholen, digitaler. Gute Beispiele sind hier die Berichtsheft-App und GetHair-App. Natürlich kostet das Geld. Aber das kosten Seminare oder die Arbeitszeit eines Ausbilders auch. Ich wünsche mir ein Umdenken und mehr Flexibilität im Kopf. Wir leben in einem Beruf, der auch ständig im Wandel ist, das sollten wir in puncto Ausbildung auch leben.“

Info

Der Friseurberuf ist beim neuen Portal „Handwerk macht Schule“ vertreten. Dieses macht die Vielfalt des Handwerks und Karrieremöglichkeiten erlebbar. Lehrer*innen von der Grundschule bis zum Gymnasium können Inhalte direkt im Unterricht einsetzen und z. B. Färben in die Chemie-Stunde einbauen.