Bitcoins willkommen: Linus Orszulik vom Bitcoin Store Esslingen und Peter Gress (r.). Foto: btc-store.de

10.08.2022

Bezahlen bei Peter Gress Friseure: Karte, Bar oder mit Bitcoin?

Schöne digitale Welt: Seit Juli kann man den Haarschnitt im Salon von Peter Gress in Esslingen mit Bitcoin bezahlen.

TOP HAIR: Seit 1. Juli kann man bei Ihnen den Haarschnitt mit der Krypto-Währung Bitcoin bezahlen. Ist das mehr als reines Marketing?

Peter Gress: Natürlich ist es zum einen eine Marketingmaßnahme für den Salon, weil ich genau die Zielgruppe für meine jungen Mitarbeiter im Geschäft haben möchte, die eben Krypto-affin sind. Wir hatten das bei Apple Pay gesehen; als das kam, da waren die Jungs – es waren ausschließlich Jungs – super happy, dass sie endlich ihr Handy auf das EC-Cash-Gerät legen konnten, und haben das natürlich weitererzählt. Diesen Spieltrieb sprechen wir mit dem Bitcoin natürlich auch an.
Und auf der anderen Seite finde ich das Thema einfach hoch spannend: Vor vier Jahren etwa habe ich ein bisschen rumexperimentiert mit Bitcoins und habe welche gekauft, war aber blöd genug, sie wieder zu verkaufen. Ich hätte sie stehen lassen sollen! Mir gefällt der Gedanke, dass wir eine Währung haben, auf die keiner Einfluss hat, die sich von selbst regelt.

Welche Erwartungen haben Sie an die Zahlungsweise Bitcoin?

Der grobe Plan wäre, dass wir bis 2026 so rund 5 % des Umsatzes in Bitcoin machen. Für den Anfang werden wir vielleicht so zwei, drei Deals im Monat machen. Wir werden die eingenommenen Bitcoins erst einmal stehen lassen, denn für die Gewinne muss man Steuern bezahlen und muss das alles transparent nachweisen.

Fehlt dieser Umsatz dann nicht auf dem Geschäftskonto?

Wenn wir davon ausgehen, dass zwei oder drei männliche Kunden im Monat mit Bitcoin zahlen, sind das etwa 60 Euro pro Haarschnitt. Im Monat sind das dann 200 bis 250 Euro – das kann man gut verschmerzen, wenn es liegen bleibt. Wenn ich auf diese 250 Euro im Monat zwingend angewiesen wäre, dann hätte ich ein richtiges Problem.

Wenn die Bitcoin-Zahlungen aber in Zukunft 5 % vom Umsatz ausmachen, würden Sie das nicht mehr stehen lassen?

Wenn es dann tatsächlich so weit ist, muss ich überlegen. Im Moment ist die Frage: Wo wird man Bitcoin los? Es gibt noch nicht so viele Point of Sales, die Bitcoin annehmen. Das sind aber alles so Dinge, die lasse ich jetzt noch schweben und überlege sie mir mit meinem Kooperationspartner Linus Orszulik vom Bitcoin Store Esslingen. Es ist ein stufenweises Vorgehen - würde ich das alles durchdenken, was sein könnte, dann bin ich so stark im hypothetischen Bereich, dann mache ich nichts mehr.

Wie läuft das mit der Verbuchung der Bitcoins in der Kasse?

Das ist ganz einfach. Ich habe den Haarschnitt mit 60 Euro am Point of Sale in der Kasse gebucht. Der Kunde hält seine geöffnete Bitcoin-App auf dem Smartphone auf einen QR-Code, den wir zur Verfügung stellen. Dann springt ein Bestätigungsfeld auf, der Kunde bestätigt und dann geht die Bezahlung los. Der Zeitaufwand für den Kunden ist nicht höher, als wenn er mit EC-Karte zahlt. Es war mir wichtig, dass man nicht warten muss.
Das Geld habe ich jetzt eingenommen in Bitcoin, dann wird das meiner sogenannten Bitcoin-Wallet (Anm. d. Red.: digitale Geldbörse) zugeschrieben, das ist wie eine Kasse. Aus dieser Wallet werden dann im nächsten Schritt die Bitcoins dem Geschäft entnommen und auf eine Wallet 2 gebucht, das ist meine Privat-Wallet. Das hat folgenden Vorteil: Steuerlich gesehen würde das Geld sonst im Salon bleiben. Monate später würde sich der Bitcoin-Kurs vielleicht verdoppeln, dann müsste ich für die Differenz Steuern bezahlen. Buche ich es aber privat aus und lasse die Bitcoins zwölf Monate liegen, verkaufe sie dann und mache Euros draus, dann habe ich das steuerfrei.
Kurz: Im Geschäft obliegt es immer der Steuer, im privaten Bereich ist es nach einer Haltezeit von zwölf Monaten immer steuerfrei. Buchhalterisch wird das einfach als Privatentnahme gebucht.

Verstehe, bei kleineren Beträgen ist das kein Problem!

Richtig. Würde ich jetzt im Monat 10.000 Euro in Bitcoins einnehmen, kann ich die natürlich nicht privat ausbuchen, das wäre so viel Geld, das bräuchte ich, um das Geschäft zu betreiben. Da müsste man sich dann etwas anderes einfallen lassen. Aber: So weit sind wir noch lange nicht.

Wie hat denn der/die Steuerberater*in reagiert, als sie mit der Idee Bitcoins ankamen?

Wir haben eine relative junge, fitte Steuerberaterin, die hat gesagt: Ja, mach! Spekulativ wäre es, wenn ich versuchen würde, mit Kaufen und Verkaufen, also Trading, Geld zu machen. Dann wäre sie mit Sicherheit auch nicht glücklich. Das wäre eine unglaubliche Verbucherei: Was wird privat gebucht, was bleibt liegen? Und dann bräuchte ich die Bitcoins, um das Geschäft zu betreiben. So wie wir das jetzt machen, war sie ganz entspannt und positiv gestimmt.

Und wie fiel die Reaktion bei Ihren Mitarbeiter*innen aus?

Die haben das einfach so hingenommen. Die wissen, dass ich mir immer wieder etwas Neues einfallen lasse. Alle Mitarbeiter wurden geschult, wie die Zahlung abläuft und haben das mit Linus Orszulik, der uns in dieser Sache berät, geübt. Das hatte auch problemlos funktioniert.

"Die laufenden Kosten sind praktisch unerheblich"

 

Wie sieht das denn mit Trinkgeld aus? Lässt sich das auch über Bitcoin abrechnen?

Nein. Aber bei 98 % der Kartenzahler ist es heute auch schon so, dass sie die Rechnung zwar mit Karte zahlen, das Trinkgeld aber dennoch bar ins Trinkgeld-Kässchen werfen. Ein paar Münzen hat man dann doch immer in der Tasche. Wäre es so, dass wir gar kein Bargeld mehr annehmen würden, dann gibt es auch da Möglichkeiten, mit Trinkgeld-Apps eine Lösung zu finden. Genauso steuerfrei wie beim baren Trinkgeld. Für mich ist das jetzt der erste Schritt, dann lassen wir das mal ein Quartal laufen und schauen, was dabei rauskommt. Und dann entscheide ich weiter.

Welche technischen Voraussetzungen mussten Sie schaffen und was hat Sie das gekostet? Fallen laufende Kosten an?

Die beiden Wallets, das sind einfach zwei USB-Sticks, und die entsprechende technische Einrichtung hat 580 Euro gekostet. Hinzukommt eine sogenannte Node. Das ist der Zugang, eine Schnittstelle zur Blockchain [Anm. d. Red.: Das ist die Datenbank, in der alle Transaktionen dokumentiert werden und in Blöcken zusammengefasst werden], die dafür sorgt, dass die Zahlungen sekundenschnell getätigt werden können. Diese Node kostet zehn Euro im Monat. Die laufenden Kosten sind damit praktisch unerheblich.

"Je weniger jemand weiß, desto heftiger sind die Reaktionen."

In den sozialen Medien wurde die Einführung von Bitcoin in Ihrem Salon nicht von allen gefeiert. Es gab auch Kritik, vor allem am hohen Stromverbrauch der Bitcoin-Transaktionen.

Die Kritik am Stromverbrauch ist schon gerechtfertigt. Es verbraucht viel Strom, und der ist dann einfach weg. Das liegt am sogenannten Work of Proof, d.h. Tausende Rechner müssen eine Transaktion verifizieren. Das ist ein Problem. Allerdings werden hier im Moment noch zwei Systeme - Visa-Buchungen und Bitcoin-Buchungen - miteinander verglichen, die gar nicht kompatibel sind, die man gar nicht vergleichen kann. Das ist erst möglich, wenn die Menge der Bitcoin-Transaktionen steigt. Das große Problem, das ich immer wieder sehe: Je weniger jemand weiß, desto heftiger sind die Reaktionen.

Es gibt noch unzählige weitere Krypto-Währungen. Sind die für Sie auch interessant?

Ethereum wäre noch interessant, auch wenn sie einen ganz anderen Ansatz hat. Aber da hat meine Steuerberaterin ein Veto eingelegt: Erst einmal mit Bitcoin anfangen und dann schauen, wie es weitergeht. Es reicht schon, wenn wir mit Bitcoin Aufklärung betreiben müssen. Für viele sind Krypto-Währungen immer noch mit dem Darknet, Pornografie, Drogen und Waffen verbunden. Dass es, bloß weil es nicht auf irgendeinem Kontoauszug steht, per se böse ist, dazu müssen wir noch viel aufklären.

Wie informieren Sie Ihre Kunden über die neue Bezahlmöglichkeit? 

Ich spreche jeden Kunden, egal welchen Alters darauf an, damit das ins Rollen kommt. Über den Bitcoin-Store lassen wir uns auf deren Homepage als Point of Sale listen. Auf Social Media werden wir es auch immer wieder thematisieren, und ich denke, es wird auch noch einen Aufsteller im Salon geben. Was ich daran so mag. ist, dass man nicht weiß, wo es hinführt: Man muss beobachten, schnell reagieren, Kontakte knüpfen und Kooperationen eingehen. Das gefällt mir.

 

Wenige Tage nach dem Interview wurde der erste Haarschnitt im Salon mit Bitcoins beglichen. Von einer 74-jährigen Frau!

 

Interview: Yvonne Rieken

Kurzinfo Bitcoin:

 

  • Die digitale Währung Bitcoin wurde von Satoshi Nakamoto im Jahr 2009 programmiert. Bis heute kennt man die wahre Identität von Nakamoto nicht.
  • Geschaffen wurde die Kryptowährung um ein unabhängiges und fälschungssicheres Bezahlsystem zu schaffen, das unabhängig von Banken und Regierungen ist.
  • Bitcoin-Transaktionen werden in Daten­blöcken gespeichert und hängen in einer Kette aneinander. Das ist die Block­chain. Sogenannte Miner überprüfen alle Zahlungen und verifizieren sie. Das ist der Work of Proof: Tausende Rechner stellen sicher, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Das macht die Transaktionen auf der einen Seite sicher. Die Krux: Der Stromverbrauch ist dadurch immens.
  • Bei 21 Millionen ist Schluss: Mehr als diese Anzahl an Bitcoins können nicht „geschürft“ werden.
  • Derzeit ist ein Bitcoin zwischen 20.000 und 25.000 Euro wert (Stand Anfang August). Noch zu Beginn des Jahres lag er bei rund 41.000 Euro. Genau dieses instabile Verhalten und das damit verbundene Risiko bringt der Kryptowährung viel Kritik ein.